14.09.2005

STADLER BEDA, Akademiker/September 2005

Mut oder Leichtsinn aus Sicht des Akademikers: Wir brauchen in der Schweiz viel mehr Geld, damit wir uns Forscher leisten können, die nicht zielgerichtet an ein Produkt denken, sondern bloss einer Fragestellung nachgehen. Daneben bräuchten wir eine Gruppe von Forschern, welche die Resultate umsetzen. Das fordert Professor Beda Stadler, Direktor am Institut für Immunologie der Universität Bern und Leiter des Bereichs Life Sciences der KTI, der Förderagentur für Innovation des Bundes. Interview: Oliver Prange Fotos: Marc Wetli

Was bedeutet Mut oder Leichtsinn für einen Forscher?

“Wenn ich an mein Gebiet denke, Biotechnologie und Forschung, da habe ich Kollegen erlebt, die mutig von ihrer akademischen Karriere abgesprungen sind und leichtsinnig in eine Firma gingen. Das war Leichtsinn und Mut zugleich. Eine Kollegin ging zum Beispiel zu der damals unbekannten Firma Genentech. Sie hatte einen miserablen Lohn, erhielt aber zusätzlich zum Lohn Aktienoptionen, die sie in einer Kartonschachtel aufbewahrte und vergessen hatte. Als sich Roche für die Firma interessierte, schaute sie zufällig in die Kartonschachtel hinein und rechnete zusammen. Sie fiel beinahe in Ohnmacht, denn sie war plötzlich mehrfache Millionärin. Das ist ein Beispiel für Leute, die damals Mut hatten und Leichtsinn brauchten, denn es gab kein Versprechen für eine soziale Sicherheit. Heute ist es schwieriger. In der Biotechnologie reichen gute Ideen nicht mehr – die Start-up-Firmen finden kein Geld mehr ohne Produkte.”

Die Biotech-Blase ist zur gleichen Zeit geplatzt wie die IT-Blase.

“Ein bisschen später. Die Ersten, die es gemerkt haben, waren jene, die den Mut hatten, eine Firma zu gründen, und dann realisieren mussten, dass zwar Geld vorhanden ist, aber kaum für Firmen in der Schweiz. Die Venture-Kapitalisten hatten ihre Hausaufgaben gemacht. Sie eigneten sich Know-how an und glaubten nicht mehr alles. Wer etwas Bescheidenes unternehmen wollte, kam nicht mehr zu Geld. Da konnte er noch so viel Mut haben. Die Mutigen – da gehört wohl Cytos dazu – bekamen sehr viel Geld, falls sich Produkte abzeichneten. Es gab einen Paradigmenwechsel in der Biotechnologie. Der hat sich nun auch bei der KTI, der Förderagentur für Innovation beim Bund, vollzogen. Früher förderte der Bund die Biotechnologie, wenn gute Leute und gute Ideen zusammenkamen. Heute bekommen nur noch jene Leute Geld, bei denen sich ein Produkt abzeichnet. An den Universitäten merken wir langsam, dass wir die Leute in den Life Sciences nie für das Business ausgebildet haben. Solche Leute sind sehr selten zu finden.”

Es gibt viele Leute mit Ideen, aber sie bräuchten auch Leute, die das Geschäft an die Hand nehmen könnten?

“Wenn heute ein Biologe mit einer guten Idee kommt, ist er wohl beraten, wenn er jemanden zur Seite hat, der etwas vom Business versteht, jemand, der ihm auf die Finger schaut. Heute kommen viele Firmengründer aus der akademischen Forschung, aber ohne Ausbildung im kaufmännischen Sinn.”



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