20.07.2020

Serie zum Coronavirus

«2020 ist wie auf der Achterbahn»

Folge 89: Curdin Janett war Publicis-CEO und «Werber des Jahres». Jetzt handelt er mit Käse.
Serie zum Coronavirus: «2020 ist wie auf der Achterbahn»
Er hat den Job als CEO der grössten Werbeagentur der Schweiz an den Nagel gehängt und sich vor dreieinhalb Jahren selbstständig gemacht: Curdin Janett. (Bild: Fromage Mauerhofer)
von Matthias Ackeret

Herr Janett, Sie sind Mitgründer die Käsemarke «Fromage Mauerhofer». Hat sich die Nachfrage nach Käse in der Krise stark verändert?
Das variiert stark je nach Kanal. Unser erster Kanal war ja ein eigener Online-Shop mit Versand an Private. Da hatten wir März und April an Spitzentagen vier Mal mehr Umsatz als im Vorjahr. Die Gastronomie war dafür natürlich von einem Tag auf den anderen auf null. Auch die Globus-Filialen, die wir beliefern dürfen, hatten recht lange die Türen geschlossen. Und beim Export kamen logistische Engpässe dazu. Die Grossverteiler haben, soweit ich weiss, vor allem gut die bekannten Sorten verkauft – es konnten ja keine Degustationen mit Neuheiten durchgeführt werden.

Wo stellten sich für Sie als Käseaffineur während des Lockdowns die grössten Probleme?
Bei der Planung. Die meisten unserer Rohmilch Käse-Spezialitäten reifen sehr lange. Wir produzieren jetzt grösstenteils schon für nächstes Jahr. Teilweise für schon für 2022. Da stellt sich die Frage, wie mutig man jetzt ist. 

Wie haben Ihre Kundinnen und Kunden auf Ihr Angebot reagiert?
Wir sind nach wie vor zufrieden mit der Entwicklung. Sicher ist 2020 eine Achterbahnfahrt, aber für wen nicht? Wir haben in dieser Zeit viele Neukunden im Privatbereich gewonnen und konnten die Zeit nutzen, um neue Kooperationen unter Dach und Fach zu bringen.

Gab es einen bestimmten Favoriten?
Auch bei uns waren es vor allem die Bestseller, welche noch besser funktioniert haben. Die bestehenden Kunden haben auf Bewährtes zurückgegriffen, waren weniger in Probierlaune. 

Mussten Sie selber Kurzarbeit nehmen?
Im Lockdown haben auch wir reduziert gearbeitet.

Sie waren bis vor drei Jahren CEO von Publicis. Haben Sie den Schritt in die Selbstständigkeit nie bereut?
Jetzt sind es sogar schon dreieinhalb Jahre. Aber nein, bereut habe ich nichts. In meinem neuen Tätigkeitsfeld lerne ich täglich dazu. Und bei Strategie-Mandaten, welche ab und zu in der Freizeit annehme, bleibe ich mit meinem alten Thema vertraut. Der perfekte Mix für mich. 

Haben Sie noch Kontakt zur Branche?
Am direktesten über Inhalt & Form, wo ich im Verwaltungsrat bin. Da kann ich Dominik Stibal, Karin Estermann und dem Team nur gratulieren, die Agentur hat sich sehr gut entwickelt, ist interessant aufgestellt und macht viel Freude. Ansonsten sind aus den über zwanzig Jahren in der Branche schon auch private Freundschaften entstanden, die Bestand haben. 

Wie sehen Sie die Zukunft der Werbung nach Corona?
Zuallererst sehe ich global tiefere Werbespendings. Wenn man die Wirtschaftszahlen der Länder heute anschaut, dann kann einem schon Angst und Bange werden. In der einmal mehr sehr gut funktionierenden Schweiz bekommen wir momentan nicht die volle Härte der Krise zu spüren. In der Werbung haben wir bisher vor allem die Merci-Welle und die Home-Delivery-Welle gesehen. Wenn nun ein Impfstoff länger als angenommen auf sich warten lässt und der heutige Zustand wirklich das viel beschriebene «New Normal» wird, dann werden wir einen weiteren Digitalisierung-Schub beim Shopping-Verhalten und Angebot sehen und Themen wie Nachhaltigkeit und Regionalität werden noch stärker. All das wird sich natürlich in der Werbung spiegeln.

Was war für Sie das prägendste Erlebnis dieser Wochen?
Das Gefühl, so vieles zum ersten Mal zu tun. So viele Gewohnheiten auf einen Schlag zu verlieren. Surreal.

Wohin gehen Sie in die Ferien? Für einen Bündner wohl klar. 
Ich bin seit einer Woche in Sent im schönen Unterengadin. 


Was bedeutet die Corona-Pandemie für die verschiedenen Akteure der Schweizer Medien- und Kommunikationsbranche? Bis auf Weiteres wird persoenlich.com jeden Tag eine betroffene Person zu Wort kommen lassen. Die ganze Serie finden Sie hier. 

  

 



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