27.05.2020

Serie zum Coronavirus

«Change or Die ist ja nichts Neues»

Yvan Piccinno, CEO von Thompson Wunderman Switzerland, sieht einen Hoffnungsschimmer am Horizont. In Folge 51 unserer Serie erinnert er sich ausserdem an lustige Erlebnisse.
Serie zum Coronavirus: «Change or Die ist ja nichts Neues»
«Die heutigen Möglichkeiten der Digitalisierung werden durch den Kundenwunsch nach Convenience getrieben; COVID-19 hat diese Tatsachen allen vor Augen geführt», sagt Piccinno im Gespräch. (Bild: zVg.)

Herr Piccinno, hat sich für Sie und Ihre Agentur durch die Beendigung des Lockdowns viel verändert?
Wir agieren hier etwas zurückhaltender. Praktisch alle Mitarbeitenden wünschen sich eine unmittelbare Rückkehr in die Hardturmstrasse 133. Selbstverständlich ist die Sehnsucht nach dem Team und generell «etwas Normalität» bei allen sehr gross, dennoch werden wir das Homeoffice und SecondLife-Feeling nicht sofort auflösen. Im privaten Umfeld kann eher von einer Lockerung gesprochen werden – aber das ist eben Privatleben.

Arbeiten Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bereits wieder in der Agentur?
Seit der Einführung des Homeoffice-Modus am 16. März waren immer wieder einzelne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Agentur – nur ganz wenige, dies auch immer im Turnus und unter Einhaltung der Vorgaben für das Social Distancing. Jetzt wo eine Lockerung in greifbarer Nähe ist, ergeben sich auch Fragenstellungen im Bereich der unternehmerischen Gesellschaftsverantwortung: Gilt es nicht mehr mit jenen Teilen der Bevölkerung solidarisch zu sein, die nicht über das Privileg von Homeoffice verfügen? Wie vertragen sich Hedonismus, Individualismus und Solidarität?

Welche Auswirkungen hatte der Lockdown auf Wunderman Thompson?
Die reine und simple Betrachtung gegenüber Vorjahr beläuft sich auf circa minus 10 bis 15 Prozent, und diese Grösse können wir einigermassen gut abfedern. Relevanter und erfolgskritischer ist die Verlangsamung des vor knapp drei Jahren begonnenen Change-Prozesses – wir sind aber zuversichtlich, dass wir bald wieder an Fahrt aufnehmen werden und den bis dato erfolgreichen Kurs weiterführen können.

Spüren Sie eine Zurückhaltung der Auftraggeber aufgrund der ungewöhnlichen Situation?
Dank unserem diversifizierten Kunden- und Leistungsportfolio sind die Auswirkungen sehr unterschiedlich. Selbstverständlich agiert zur Zeit jedes Unternehmen besonnener, einige Prestige-Projekte werden aufgeschoben oder redimensioniert. Aus diversen persönlichen Gesprächen spüre ich die mehrheitliche Sorge um Schutz des einzelnen Arbeitsplatzes sowie verbundene persönliche Schicksale – es erfüllt mich mit Stolz für solche tolle Kunden tätig sein zu dürfen.

Sie sind in ein internationales Netzwerk eingebunden und stehen mit Ihren Kollegen in den anderen Ländern im Austausch. Wie erleben diese die ganze Krise?
Wir alle kennen die Schreckensmeldungen aus Itailen oder Spanien, das Confinement aus Frankreich bis zum schwedischen Alleingang. Tragische Einzelschicksale gab es zum Glück wenige, aber dafür viele lustige Geschichten. 
Die Prägendste ist sicherlich, die eines Kollegen, der nur auf der Toilette einen ruhigen Platz für eine Telco finden konnte und dabei ständig von der Teenie-Tochter – sehr lautstarkes Fluchen – gestört wurde. 

Welche Auswirkungen hat die Coronakrise auf die ganze Branche?
Change or Die ist ja nichts Neues – zusätzlich ist der Aspekt: «fast & now!» gekommen. Unternehmen, die ihre sinnstiftende Positionierung in den letzten Jahren vernachlässigt oder sich von Growth Hacking haben blenden lassen, werden durch den Convenience-Mindset überrollt und werden es schwerer haben, den Anschluss zu finden.

Nun hört man überall, dass sich wegen Corona die ganze Digitalisierung beschleunigen würde. Machen Sie die gleichen Erfahrungen?
Die heutigen Möglichkeiten der Digitalisierung werden durch den Kundenwunsch nach Convenience getrieben; Covid-19 hat diese Tatsachen allen vor Augen geführt. 

Was war für Sie das prägendste Erlebnis der letzten Tage?
Homeoffice hat auch weitere unerwartete Vorteile. So haben meine Frau und ich eines Morgens Hilferufe gehört. Als wir der Stimme gefolgt sind, fanden wir eine 90-jährige Nachbarin hilflos auf dem Gartensitzplatz liegend. Dank freundlicher und speditiver Unterstützung der Stadtpolizei Zürich geht es ihr mittlerweile wieder blendend.



Was bedeutet die Corona-Pandemie für die verschiedenen Akteure der Schweizer Medien- und Kommunikationsbranche? Bis auf Weiteres wird persoenlich.com jeden Tag eine betroffene Person zu Wort kommen lassen. Die ganze Serie finden Sie hier.


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