15.02.2022

Tabakwerbeverbot

«Die Nein-Kampagne war zu holzschnittartig»

LSA-Geschäftsführerin Catherine Purgly sagt, weshalb Leading Swiss Agencies nicht unter den Branchenverbänden vertreten war, die sich für ein Nein zur Initiative stark gemacht haben. Und sie gibt einen Einblick, was den Agenturen nach dem Volksentscheid Sorgen bereitet.
Tabakwerbeverbot: «Die Nein-Kampagne war zu holzschnittartig»
«Die Grundrechte, zu denen auch die Wirtschaftsfreiheit gehört, wurden hier unter dem Deckmantel des Jugendschutzes ausgehebelt», sagt LSA-Geschäftsführerin Catherine Purgly zur Tabakwerbeverbotsinitiative. (Bild: zVg)

Frau Purgly, mit zwei Tagen Abstand, wie bewertet der Verband Leading Swiss Agencies (LSA) die Annahme zur Tabakwerbeverbotsinitiative?
Kinder und Jugendliche vor Tabak zu schützen, ist ein richtiges und wichtiges Anliegen. Trotzdem bedauern wir die Annahme der Initiative, da faktisch ein Werbeverbot für ein legales Produkt ausgesprochen wird. Zudem lösen Werbeverbote keine gesellschaftlichen Probleme. Die Grundrechte, zu denen auch die Wirtschaftsfreiheit gehört, wurden hier unter dem Deckmantel des Jugendschutzes ausgehebelt.

Der LSA war nicht unter den sieben Marketing- und Kommunikationsverbänden vertreten, die sich für ein Nein stark gemacht haben. Weshalb eigentlich?
Wir setzen uns für die Wirtschaftsfreiheit in der Schweiz ein und lehnen Werbeverbote generell ab. Eine Verbotskultur ist nicht erstrebenswert in einer freiheitlichen demokratischen Gesellschaft. Die Kampagne aus dem Nein-Lager griff unserer Meinung nach aber zu kurz, war zu holzschnittartig und verpasste es, das Grundproblem der Initiative verständlich zu adressieren.

Gemäss einer Studie wurde das Cervelat-Plakatsujet des Nein-Lagers als «weniger überzeugend und glaubwürdig» bewertet als die Kampagne der Befürworter (persoenlich.com berichtete). Sie sagen «holzschnittartig». Was war an der Nein-Kampagne schlecht?
Die Kampagne hat es offensichtlich nicht geschafft, einen Diskurs über Werbeverbote hinaus zu lancieren und polarisierte so stark, dass die zentralen Botschaften nicht mehr transportiert werden konnten: Nämlich, dass man Werbung für gesellschaftliche Probleme verantwortlich gemacht hat, die durch Politik und Gesellschaft nicht gelöst wurden. In Zukunft braucht es einen anderen Zugang zu diesen Themen, um die Bevölkerung für ein selbstbestimmtes, verantwortungsvolles Handeln zu sensibilisieren.

«Ich denke, dass sich dieses Verbot kaum auf die Werbebranche auswirken wird»

Der Anteil der Tabakwerbung am Gesamtbruttowerbedruck 2021 ist mit 10,6 Millionen Franken marginal. Inwiefern sind die Agenturen dennoch betroffen?
Ich denke, dass sich dieses Verbot kaum auf die Werbebranche auswirken wird, da Tabakwerbung seit 2020 stark rückgängig ist und nur noch 0,2 Prozent des Werbemarktes ausmacht. Viel stärker könnte sich das Verbot auf den Sponsoringbereich auswirken, da die Tabakmarken in den letzten Jahren vor allem an den Open Airs präsent waren.  

Mit welchen Einbussen rechnen die Agenturen? 
Eine Prognose kann zum heutigen Zeitpunkt noch nicht gemacht werden.   

Denken Sie, dass das Ja zur Initiative die Arbeit in den Agenturen verändern wird?
Nein. Die Tabakwerbung hat sich der politischen Regulierung schon lange angepasst.

«Werbeverbote widerspiegeln die Ideen- und Mutlosigkeit der Politik»

Generell: Wie haben die Agenturen den Abstimmungsausgang aufgenommen? Was ist der Grundtenor?
Das Abstimmungsresultat war zu erwarten. Mehr Sorgen macht uns aus Sicht der Wirtschaftsfreiheit die nun beobachtbare Tendenz nach weiteren Werbeverboten, zum Beispiel für Nahrungsmittel, Getränke sowie Produkte mit hohem CO2-Verbrauch.

Jürg Bachmann, Präsident KS/CS Kommunikation Schweiz, sah in einem persoenlich.com-Interview nebst den negativen Auswirkungen für die Werbewirtschaft auch einen positiven Punkt, indem die Kampagne zu einem wichtigen Diskurs geführt habe. Inwiefern könnte es wertvoll für die Zukunft der Werbebranche sein, dass sie dermassen im Zentrum einer nationalen Abstimmungsdebatte stand?
Wichtig ist, dass die Rolle der Werbung nicht für gesellschaftliche Probleme missbraucht wird. Und das ist in dieser Initiative bedauerlicherweise passiert. Werbeverbote widerspiegeln die Ideen- und Mutlosigkeit der Politik, die eigentlichen Ursachen des Problems anzugehen.


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KOMMENTARE

Victor Brunner
16.02.2022 09:19 Uhr
Catherine Purgly fordert Wirtschaftsfreiheit. Die Tabakindustrie hatte jahrzehntelang Wirtschaftsfreiheit ohne Verantwortung. Jahrzehntelang wurde betrogen, gelogen, geschmiert, gekauft und die Werbebranche verdiente kräftig mit. Ich kann das Gejammer der Branche nicht mehr ernst nehmen. Viel wird sich nicht ändern, solange es Produkte gibt wird es Werbung geben. Wenn Werbung für schädliche Produkte eingeschränkt wird ist das gut und wichtig. Die Tabakkonzerne haben immer grosse Gewinne gemacht, die Kosten die durch das rauchen entstanden wurden und werden immer noch auf die Gesellschaft abgewälzt!
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