02.09.2002

Walter Schmid

Ein Leben für das Direktmarketing

Der Deutsche Direktmarketing Verband DDV hat am Montag den Schweizer Walter Schmid (Bild) mit der Aufnahme in die Hall of Fame des Direktmarketings geehrt. Das Laudatio auf den 75-jährigen Pionier wurde vom DDV-Ehrenpräsidenten Friedhelm Lammoth im Rahmen der Düsseldorfer DIMA KongressMesse gehalten. "persoenlich.com" bringt den gesamten Wortlaut:
Walter Schmid: Ein Leben für das
Direktmarketing

Laudatio. Laudator. Laudaturus.

Der deutsche Direktmarketing Verband sieht heute über den Tellerrand nationaler Grenzen, meine Damen und Herren: Er ehrt einen Mann mit der Aufnahme in die Hall of Fame des Direktmarketing, der keinen deutschen, sondern einen Schweizer Pass hat. Der zwar in der Welt zu Hause, aber in St. Gallen verwurzelt ist. Vielleicht wird diese Geste die siebeneinhalb Millionen Schweizer ein wenig damit versöhnen, dass es ihnen mit den 80 Millionen Deutschen oft so geht, wie dem Hasen mit dem Igel: Überall, wo man als Schweizer hinkommt, sitzt schon ein Nachbar aus Deutschland und ruft: "Bin schon da!" Am Strand von Mallorca und auf der Piazza in Ascona, an der Fussball-WM und beim Grand Prix d'Eurovision.

Der Mann aus der Schweiz, dem diese Ehre gilt, hat mir kürzlich ein Buch von Ray Considine geschickt, das die Beziehung zwischen Kunde und Unternehmen aufs Korn nimmt und den Titel trägt: "Why are you making it so hard for me, to give you my money?" Auf der zweiten Seite steht eine handschriftliche Widmung des Autors, sie lautet: "For my Swiss Godfather, whose Symposium made me a favorite European speaker."

For my Swiss Godfather... Meine Damen und Herren, wir feiern heute keinen normalen Sterblichen unserer Branche, sondern wir ehren einen Überirdischen. Und wir erweisen ihm diese Ehre in einem Augenblick, in dem wir in einer tiefen Krise stecken. In dem sich in den Kanon der Werte und in die Lebenspartituren der Leadership falsche Töne eingeschlichen haben. In dem vieles fragwürdig geworden ist und nichts so zu faszinieren scheint, wie die Erwartung des Schlimmen. Denn die berühmte Glaubwürdigkeitslücke, die credibility gap, hat sich in einen Abgrund verwandelt. Das Wort von der Vertrauenskrise hat sich breit gemacht, der Flugsand negativer Schlagzeilen, ein Nebel von Täuschungen und unwahren Behauptungen legt sich über alles und hält alle in Atem.

In solchen Momenten ist es besonders wichtig, Vorbilder zu haben. Menschen, die eine Lebensleistung vorweisen können und keine Funktionärs- oder Vertreterkarriere. Eliten, die sich nicht dadurch auszeichnen, dass sie elitär sind, sondern dass sie übergeordnete Ziele haben. Ich spreche von Walter Schmid, einem der ganz grossen Männer des Direktmarketing, der in einer Reihe mit Alfred Gerardi und Siegfried Vögele steht und der wie jene als Quereinsteiger zum Direktmarketing kam. Den es nach der Verkehrsschule in St. Gallen und einer kaufmännischen Lehre im Stickereifach erst einmal für fünf Jahre nach Nigeria zog, um dort für die Basler Union Trading das zu organisieren, was man heute Logistik nennen würde. Der dann von 1954 bis 1968 Marketingleiter bei Jelmoli war und beim Schweizer Versandhaus aus nächster Nähe erlebte, wie der erste Computer und die Lasertechnologie Einzug im Direktmarketing hielten. Und der sich 1968 mit seiner Walter Schmid AG selbstständig machte und ein Unternehmen gründete, das heute noch im Listbroking in der Schweiz den Ton angibt.

Bilanziert man seine Lebensleistung buchhalterisch, müsste er eigentlich nicht nur 75, sondern schon weit über 100 Jahre alt sein. Denn Walter Schmid hat nicht nur als Unternehmer Beispielhaftes auf die Beine gestellt, nicht nur als Branchenkollege Pionierarbeit geleistet, sondern er hat vor allem 1968 durch die Gründung des Internationalen Direkt Marketing Symposium Montreux die Basis für alle und alles geschaffen, was wir heute mit dem Begriff Direktmarketing in Beziehung bringen. Vor 34 Jahren, als Persil noch Persil war und der unverwüstliche Käfer lief und lief und lief, als ausser dem Briefträger noch kaum jemand unsere Branche überhaupt wahrnahm, hatte er schon die Blaupause von unserer Zukunft in der Tasche und die Vision von einer Weltbühne für das Direktmarketing im Kopf. Und er liess sich auch nicht davon entmutigen, dass im ersten Jahr nur 37 Teilnehmer kamen. Er verfolgte mit Leidenschaft das Ziel, dem Direktmarketing eine internationale Plattform zu schaffen. Ein Symposium, wo sich Menschen aus aller Herren Länder für Wissenstransfer, Erfahrungsaustausch und Unternehmenskontakte treffen konnten.

Nichts und niemand konnte ihn von seiner Idee abbringen, die er und seine Mitstreiterin Ursula Spleiss so lange und so hartnäckig verfolgten, bis Montreux zum Mekka des Direktmarketing wurde. Bis in den achtziger Jahren regelmässig 2000 bis 3000 Marketer an den Genfer See pilgerten. Bis es ihm gelang, Referenten wie Reinhard Mohn, Lothar Späth, Hubert Burda, Lester Wunderman, Hank Johnson, Alfred Grosser, Pierre Arnold, Mark Wössner und Nobelpreisträger James Tobin zu verpflichten. Und bis er mit Montreux ein Modell geschaffen hatte, das Pate stand für alle nationalen Veranstaltungen, die sich in den neunziger Jahren mit grossem Erfolg in London, Paris, in Wiesbaden, Düsseldorf und Zürich etablierten.

"In the Future all marketing will be Direct marketing" – das war sein Credo. War stets die Höhe seiner Zielvorstellung, die er nie aus den Augen verloren hat. Und war die Mission, mit der er alle angesteckt und unter Strom gesetzt hat. Als fünfsprachiger Weltbürger mit unverkennbarem St. Galler Akzent hat er seine Botschaft in alle Himmelsrichtungen getragen und die Welt mit einer Urbanität überzeugt, die den Patrioten erkennen lässt. Und obwohl man den Schweizern besondere Heimatverbundenheit nachsagt, meine ich Patriot nicht im politischen Sinne, sondern als Gefühl wie im Lied von Herbert Grönemeyer. Als Gefühl, nachts in Kuala Lumpur vom Geruch einer frisch gegrillten St. Galler Kinderfest-Bratwurst wach zu werden. Als Gefühl, an bestimmten Tagen unter dem Asphalt der Einkaufsmeilen Downtown Manhattan die vertraute Sitter rauschen zu hören, die den Alpstein mit der Thur verbindet.

Wenn wir heute von Vorbildern sprechen, meine Damen und Herren, müssen wir feststellen, dass in den hektischen neunziger Jahren die meisten Vorbilder aus unserer Welt verschwunden sind, ohne sich zu verabschieden. Beim Tanz um das goldene Kalb, beim Schreiben von SMS und beim Lesen von E-Mails, haben wir es nicht einmal gemerkt. Und heute sitzen die Titelblatthelden von gestern längst isoliert auf den Bahamas oder in Untersuchungshaft.

Um so wichtiger ist es, dass die werbungtreibende Wirtschaft im Unsicherheitszeitalter nach dem 11. September, nach Erfurt und Jahrhundertflut, nach Pisa-Studie und Börsendebakel, mit Walter Schmid noch ein Vorbild zum Vorzeigen hat. Einen Hoffnungsträger, der eine ganze Generation mit Visionen geprägt hat, mit Ideen und Idealen. Und dessen Signale heute noch wirken und einen solchen Nachhall haben, dass ihn auch die Jungen noch kennen.

Walter Schmid hat für das Direktmarketing ein Klima geschaffen, wie es ganz und gar aussergewöhnlich und in seinen Folgen nachhaltig ist. Wo immer Sie auch auf der Welt sind: Überall werden Sie heute noch nach Montreux gefragt. Und auf allen fünf Kontinenten spricht man seinen Namen mit Hochachtung aus, denn Walter Schmid ist eine Autorität und verkörpert Aura und Ausstrahlung. Eine Leaderpersönlichkeit mit Charisma, mit Mut und der Tugend echter Bescheidenheit, kultiviert, gebildet und vielseitig interessiert.

Die Lebensleistung seiner Generation besteht unter anderem darin, dass sie sich nicht auf alte Ideen und Systeme stützen konnte, sondern mit Dialog und Kundenorientierung einen neuen Anfang machte, dessen Wirkung geblieben ist. Denn Direktmarketing war die früheste, die radikalste, die revolutionärste, für die klassische Werbung gotteslästerlichste Idee, die an nichts anknüpfte was es vorher gab. Eine Idee mit Sprengstoff und dem Potential, die Marketingwelt aus den Angeln zu heben und alle Sterne vom Werbehimmel zu holen. Mit Walter Schmid ehren wir nicht nur einen Entrepreneur der Branche, sondern wir ehren auch Eigenschaften und Tugenden, die nie aus der Mode kommen dürfen. Und wir ehren den Menschen Walter Schmid.

Als Connaisseur der schönen Künste hatte er immer ein Ohr für klassische Musik und sein Herz schlägt für Oper und Theater. Als Wanderer entdeckt er heute noch jedes Jahr ein neues Land, eine neue Kultur. Als Hobby-Bergsteiger hat er fünf Viertausender erklommen, als passionierter Ballonfahrer oft abgehoben und dabei riskiert, übers Ziel hinaus zu schiessen oder den Aufwind zu verpassen und nicht vom Fleck zu kommen.

Walter Schmid ist sehr, sehr weit gekommen und sehr hoch gestiegen. Im Ballon und im wirklichen Leben. Dazu hat seine unbändige innere Kraft, aber auch der Kampfgeist seines St. Galler Dickschädels beigetragen. Denn er hat nie klein beigegeben, sich nie angepasst, war nie ein Opportunist, hat immer quer gedacht und notfalls auch geschossen. Nie aufgehört, das Ausufern der Bürokratie, die Verstaatlichung des Menschen, den Angriff auf die Demokratie anzuprangern und den Verlust individueller Freiheiten zu beklagen. Er hat sich stets dagegen gewehrt, dass sich die Staatsgewalt ins Marktgeschehen einmischt und als Produzent, Subventionsvergeber, Fürsorgeinstitut und Umverteiler auftritt. Und er hat aus seinem Unbehagen gegen regulierende Obrigkeiten nie einen Hehl gemacht.

Vom Prediger im alten Testament wissen wir, dass es Menschen gibt, denen Gott gut gesonnen ist. Mit dir, lieber Walter, hat es der liebe Gott besonders gut gemeint. Er hat seine Hand stets über dich gehalten und dich mit besonders vielen Gaben ausgestattet. Er hat dir den positiven Impetus der Emotionalität geschenkt, dich mit reichlich Mutterwitz ausgestattet und dir die Fähigkeit gegeben über dich selbst und über deine Fehler zu lachen.

Er hat dich in die Welt hinausgeschickt und mit fünf Sprachen und neuen Horizonten heim in die Schweiz kommen lassen. Er hat dir Visionen eingegeben und geholfen, viele davon zu verwirklichen. Er hat deinen Ruhm in vieler Herren Länder verkündet. Dich vor der Versuchung bewahrt, in der Routine einer Partei, eines Verbands, auf die Rädchenfunktion eines Mandatsträgers reduziert zu werden und nach der Pfeife des Mufties zu tanzen.

Er hat die Walter Schmid AG als dein Lebenswerk in würdige Hände gegeben. Er hat dir eine Frau mit starken Nerven zur Seite gestellt. Vor allem aber hat er dich mit prächtigen Söhnen belohnt, die deinen Namen tragen. Der eine als Lehrer, der andere in den Fussstapfen eines stolzen Vaters. Wir werden von diesen Söhnen noch viel Gutes hören. Aber auch vom Vater, der sich noch lange nicht auf seiner Ruhebank ausstrecken wird, um mit der Gelassenheit eines Zen-Mönchs in die Abendröte der Erinnerungen zu blinzeln. Dazu hat er mit seinen 75 Jahren noch zu viel Temperament, noch viel zu viel zu sagen, noch zu viel Weisheiten ohne Verfallsdatum für uns auf Lager. Zum Beispiel zum Thema "Tue Gutes und rede darüber" über die er in seinem Büchlein "Wem nötzt's" folgendes schreibt:

"Man kann uns Schweizern viel nachsagen. Nur eines nicht, dass wir unsere Leistungen ständig wie eine Fahne vor uns hertragen. Wenn es um den Stolz auf die eigene Leistung geht, zeichnen wir uns durch eine fast krankhafte Bescheidenheit aus. Vielleicht ist es das calvinistische Erbe, das Belohnung der Leistung erst im jenseits in Aussicht stellt. Vielleicht ist es aber auch die Kunst, andere zu veranlassen, das Gute über einem zu sagen ohne dass man selbst den Mund aufmachen muss? Oder hat am Ende der bissige Schopenhauer recht, dass Bescheidenheit bei mässigen Fähigkeiten nur Ehrlichkeit ist, bei grossen Talenten dagegen Heuchelei?

Nichts von alledem. Es liegt uns Schweizern nun einmal nicht, alles gleich an die grosse Glocke zu hängen. Vielleicht, weil wir die grossen Glocken den Kühen umhängen. Oder weil unsere Sprache nicht die richtigen Worte dafür hat. Ich schalte in solchen Fällen – und nur in solchen Fällen – auf Hochdeutsch um. Jene, die diese Sprache hauptsächlich benutzen, sind da weniger bescheiden und haben deshalb eine reiche Auswahl von Vokabeln. Aber sei es drum. Wenn ihr mich fragt: Ich bin stolz auf das, was ich geschaffen habe und sage es auch jedem, der es hören oder manchmal auch nicht hören will. Bei aller Bescheidenheit."

Nehmen wir ihn ruhig beim Wort, meine Damen und Herren, bei aller gebotenen Bescheidenheit. Hängen wir es an die grosse Glocke, ehren wir den Schweizer Walter Schmid deutsch und deutlich: Als den Weltbürger des Direktmarketing, als den Missionar unserer Idee und als den Botschafter unserer Branche mit der Aufnahme in die Halle of Fame und mit standing ovation.


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