27.01.2022

Tabakwerbeverbot

«Ein Werbeverbot ist ein illiberaler Wirtschaftstod»

Das Newsportal Watson finanziert sich ausschliesslich durch Werbung. Aus diesem Grund macht sich die Geschäftsführung stark gegen die Initiative «Kinder ohne Tabak». Ein Gespräch mit Vermarktungschef Tarkan Özküp über Verführung und Verbote.
Tabakwerbeverbot: «Ein Werbeverbot ist ein illiberaler Wirtschaftstod»
«Ein faktisches Werbeverbot für Tabak- und Alternativprodukte führt dazu, dass den Medien wichtige Einnahmen abhandenkommen», so Tarkan Özküp, Chief Commercial Officer von Watson und Geschäftsleitungsmitglied AZ Medien. (Bilder: persoenlich.com/cbe)
von Christian Beck

Herr Özküp, will Watson Kinder und Jugendliche zum Rauchen verführen?
Nein, weil sich Werbung schon gar nicht erst an Minderjährige richtet.

Sie sprechen das brancheninterne Selbstregulierungsdokument an, welches Werbung regelt. Warum wäre ein Ja zur Tabakinitiative fatal für Medien?
Weil wir Geld verlieren. Letztlich geht es in unserem spezifischen Fall um Snus- und E-Zigaretten-Werbung. Hier würden Ausfälle entstehen. Wir rechnen mit diesen Werbeeinnahmen. Sie leisten einen fundamentalen Beitrag zur Finanzierung der Schweizer Medienlandschaft und tragen zur Medienvielfalt bei. Ein faktisches Werbeverbot für Tabak- und Alternativprodukte führt dazu, dass den Medien wichtige Einnahmen abhandenkommen.

Wie konkret wird auf Watson für Snus und E-Zigaretten geworben?
Tabakkonzerne werben mit ihren nach den Branchenstandards geprüften Werbemitteln bei uns. Wichtig sind hierbei Reichweiten- und Sichtbarkeitswerte. Unsere User werden bei einem Klick auf die Displaywerbung auf die Websites der Anbieter geleitet. Dort ist der Konsument mit seinen persönlichen Angaben – sprich: nicht unter 18 Jahre alt – selbst dafür verantwortlich, um mit dem beworbenen Produkt in Kontakt zu kommen.

Wäre es existenziell, wenn diese Art von Displaywerbung wegfallen würde? Oder würde es einfach schmerzen?
Es würde schmerzen, existenziell wäre es nicht.

Wie viel macht die Werbung der Tabakindustrie prozentual am Gesamtumsatz aus?
Der Anteil liegt im einstelligen Prozentbereich.

«Das wäre Schleichwerbung und meiner Einschätzung nach auch nicht im Sinne der Tabakmarken»

Sie könnten doch Werbung auch zielgerichtet ausspielen, also Targeted Advertising nur für Erwachsene. Wo also ist das Problem?
Absolut. Die Industrie kann das beispielsweise programmatisch tun. Wir haben beides – programmatische und IO Display Ads.

Nehmen wir an, die Tabakinitiative wird am 13. Februar angenommen: Nimmt dann die Medienbranche die Hintertür und setzt auf bezahlte Werbung, verpackt als journalistische Texte?
Nein (sehr bestimmt). Sie meinen konkret Paid Posts oder Branded Content. Das darf nicht im Interesse der Medien sein. Das wäre Schleichwerbung und meiner Einschätzung nach auch nicht im Sinne der Tabakmarken. Es gibt ja zwei Seiten: Ein Medium muss ja durchaus kontradiktorisch berichten. Journalisten können ihre Meinung kundtun, das passiert auch bei Watson. So veröffentlichten wir beispielsweise ein Video, in dem die gesamte Initiative ganz neutral beleuchtet wird, damit die Leute wissen, über was am 13. Februar abgestimmt wird.

Und die zweite Seite?
Ein Werbeverbot ist ein illiberaler Wirtschaftstod. Und für das kann ich mich nicht stark machen. Das ist völlig extrem. Die Kommunikations-, Werbe- und Medienverbände sagen ja auch, die Tabakinitiative sei der Türöffner für weitere Werbeverbote. Und Werbeverbote tangieren unser Geschäftsmodell, es würde faktisch die Blutzufuhr abgetrennt. Denn: Watson lebt ausschliesslich von Werbeeinnahmen. Wir haben keine anderen Quellen wie beispielsweise Abos …

… es gibt unter jedem Artikel eine Spendenmöglichkeit …
Von Spenden allein könnten wir nicht leben. Das heisst, unsere rund 90 Mitarbeitenden werden rein aus der Werbung finanziert. Watson ist ein Medium mit einem vitalen Interesse an lauterer, legaler Werbung.

Was macht das neue Tabakproduktegesetz besser als die Initiative?
Der Schutz und die Regulation werden verstärkt. Aber das Gesetz würde nicht zu einem totalen Werbeverbot von Tabakwaren führen.

«Watson ist gegen diese Initiative, weil sie zu extrem ist»

Zusammengefasst: Watson ist gegen die Initiative «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung» – kurz oft «Kinder ohne Tabak» genannt –, weil man Geld verlieren würde.
Die Watson-Redaktion behandelt das Thema kontradiktorisch. Aber aus Geschäftsführungsperspektive bin ich gegen diese Initiative, weil sie zu extrem ist und völlig am Ziel vorbeischiesst. Heute ist die Regulation durch die Industrie bereits so stark – samt Präventionsmassnahmen. Leute sollen selbstbestimmt entscheiden können – und das ist das politische Modell unseres Landes –, welche Informationen für sie wichtig sind, um etwas zu konsumieren oder eben nicht. Wenn solche Entscheidungen nicht mehr über Werbung getroffen werden können, dann haben wir aber ein ganz anderes Problem.

Nämlich?
Dann hat es nicht mehr einfach damit zu tun, ob wir wegen Tabak einfach ein bisschen Geld verlieren. Es ist eine fundamentale Frage. Weil: Werbung ist Information, wie wir ja alle wissen. Diese Information gilt es zu schützen.

Welche Information transportiert das Plakat der Initianten?
Vom Stilmittel her transportiert das Plakat nichts anderes als das, wogegen wir alle sind: dass Minderjährige paffen. Dieses gewählte Stilmittel geht aber nicht auf den Kern der Initiative ein, nämlich das Verbot von Tabakwerbung insgesamt. Man spielt mit einer Emotion, bei der ich sagen würde: Kann man machen. Ich bin mir aber sicher, dass schlaue Menschen nicht auf diesen Kartenspielertrick hereinfallen werden.

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Laut der jüngsten Umfrage von Tamedia und 20 Minuten hat die Volksinitiative «Kinder ohne Tabak» gute Chancen, angenommen zu werden. Nur 36 Prozent würden Nein stimmen.
Das ist bei Volksinitiativen leider oft der Fall, dass man eigentlich den Sinn gutheissen würde, aber der Zweck die Mittel nicht heiligt.



Für Jugendschutz ohne radikale Werbeverbote


Am Mittwoch haben sich Vertreter der Kommunikations-, Werbe- und Medienbranche in Zürich gegen die Volksinitiative «Kinder ohne Tabak» ausgesprochen. Sieben Verbände setzen sich stattdessen für das neue Tabakproduktegesetz ein und plädieren damit «für einen pragmatischen und zielgerichteten Jugendschutz, ohne ein totales Werbeverbot». Watson-CCO Tarkan Özküp sprach an der Medienkonferenz als Vertreter eines Mediums, das sich durch Werbung finanziert.

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Die sieben Verbände sind bereits vor zwei Wochen an die Öffentlichkeit gelangt (persoenlich.com berichtete). Dies sind KS/CS Kommunikation Schweiz, IAA Swiss Chapter, IAB Switzerland, Promarca, SDV, Verband Schweizer Medien (VSM) und der Schweizer Werbe-Auftraggeberverband (SWA).

 



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