09.07.2003

"Frau Hodel, wann wird das Geheimnis gelüftet?"

Yvonne Hodel (Bild) wollte sich mit sechzig aus der Werbung zurückziehen -- eigentlich. Doch nach ihrem Ausstieg bei Weber, Hodel, Schmid, hat die einstige Werberin des Jahres einen VR-Sitz bei Scholz & Friends Zürich angenommen. Warum es dazu kam, wie es S & F in der Schweiz geht und was die W,H,S,-Gründerin von der kolportierten Netzwerksuche ihrer früheren Agentur hält, erzählte Hodel "persoenlich.com". Das Interview:
"Frau Hodel, wann wird das Geheimnis gelüftet?"

Ihr Name ist nach dem Weggang von W,H,S, weiterhin Teil des Agentur-Brands. Warum ziehen Sie ihn nicht zurück?

Das wurde bereits 1994 diskutiert, als John Schmid aus der Agentur austrat. Die Bezeichnung W,H,S, ist eine Marke geworden. Nimmt man einen Namen weg, macht man die Marke kaputt. Deshalb haben wir unsere Namen belassen.

Was verbindet Sie sonst noch mit Ihrer früheren Agentur?

Jetzt, nach einem langen Ablösungsprozess, eigentlich nichts mehr. Mein Rückzug, das heisst der Verkauf meiner Aktien, wurde bereits 1994 beschlossen. Ich glaubte damals, ich würde in der Werbung nicht sechzig Jahre alt -- nun ist es eben doch anders herausgekommen (lacht). Nach der planmässigen Übergabe meiner Aktien 1999 war Reini Weber Alleinaktionär -- ich halte also seit längerem keine einzige Aktie mehr. Die Nachfolgeregelung erwies sich dann bekanntlich als über Erwarten schwierig. Als Yvonne Boller im April 2002 offiziell meine Stelle einnahm, blieb ich noch bis Ende Jahr im Verwaltungsrat. Rückblickend hätte mein Ausscheiden sogar ein bisschen früher stattfinden können. Heute bestehen noch lockere Kontakte, durch meine neue Tätigkeit bei Scholz & Friends sind wir uns aber nicht mehr so nahe – allerdings ohne zerstritten zu sein.

Es wird kolportiert, W,H,S, sei auf der Suche nach Netzwerkanschluss. Was halten Sie davon?

Vom Gerücht habe ich zum ersten Mal gehört, als mich vor ein paar Wochen ein deutscher Journalist kontaktierte. Wissen tue ich nichts, aber ich kann mir das nicht vorstellen -- welchen Sinn würde es denn machen? Abgesehen davon hat Reini Weber ja inzwischen dementiert.

Beim Zürcher Ableger von Scholz & Friends sitzen Sie im VR. Wie vermeiden Sie Interessenkonflikte mit W,H,S,, zu der doch zumindest noch eine emotionale Bindung bestehen dürfte?

Ich habe Reini Weber beim Abschied gesagt, dass es für mich zwei Tabus gibt: Kunden und Mitarbeiter von W,H,S, -- da gibt es keine Diskussion! Nun, der Markt bietet ja noch andere Kunden, und bezüglich Mitarbeiter besteht bei der herrschenden Wirtschaftslage auch kein Problem. Wir kommen uns also nicht in die Quere. Ich will Weber, Hodel, Schmid, nicht schaden, schliesslich ist die Agentur mein Lebenswerk!

Der Schweizer Markteintritt von Scholz & Friends Ende Februar kam überraschend. Bis dato sind zwei Budgets vermeldet worden. Lässt sich die Agentur damit finanzieren?

Die beiden Budgets reichen zum Überleben, das kann aber keine Zukunftsoptik sein. Es sind derzeit einige substantielle Kontakte am Laufen. Wir melden uns, sobald etwas Konkretes vorliegt. Der Markteintritt kam ja auch für mich überraschend.

Wie ging denn Ihr Einstieg vor sich, und was bewog Sie dazu mitzumachen?

Als man mich Ende letztes Jahr anfragte, reizte mich vielerlei: Erstens ist der Vorstandsvorsitzende Sebastian Turner eine Person, die mich schon länger interessiert hatte, weil er eine andere Art Werber verkörpert – er hat eine untypische Vernunftskomponente (lacht). Zweitens fand ich die Phase spannend, in der das Unternehmen mit dem anstehenden Management Buyout von Cordiant stand. Drittens verfügt S & F über das beste Netz in Osteuropa – ich dachte ja, das sei GGK, aber das stimmt nicht. Im Westen ist der Markt mehr oder weniger gesättigt, das Wachstum findet im Osten statt. Und das hat mich interessiert. Viertens halte ich die beiden Kreativen, die jetzt in Zürich die Agentur führen, für hervorragend. Ich glaube zudem, dass die Agentur gute Chancen hat, weil das Konzept so simpel ist: eine kleine Agentur mit minimalen Kosten, das einen grossen Namen und die Services der Mutter zur Verfügung hat. Kürzlich konnten wir für einen Pitch eine Strategie in London abrufen, und das hat hervorragend geklappt.

Worin besteht genau Ihre Funktion?

Ich bringe Kontakte in den Schweizer Markt, bin aber nicht die einzige Schweizerin im Verwaltungsrat. Neben Turner, dessen Einsitz ich bei meinem Einstieg zur Bedingung machte, sitzt ja noch ein Schweizer mit Kontakten zur Szene im VR. Meine Rolle ist, Swissness reinzubringen und bei der Suche nach den richtigen Leuten zu helfen.

Der andere Kunde neben Viva soll Coca-Cola sein, die Details des Budgets sind aber unbekannt. Wann wird das Geheimnis gelüftet?

Gar nicht. Das Projekt ist Powerade, das wurde meines Wissens aber schon publiziert. Coca-Cola verfügt bekanntlich über viele Projekte und wird von verschiedenen Agenturen betreut. Wir erhalten laufend kleine Aufträge, die aber nicht kommuniziert werden. Es handelt sich um Adaptationen und Events im Rahmen von Powerade. Dadurch lernt Coca-Cola uns kennen und sieht, wie wir funktionieren. Daraus kann sich Manches entwickeln. Viva war übrigens eine Konkurrenzpräsentation, die Scholz & Friends gewonnen hat, ein "Dessert"-Kunde für die Kreation, der viel Spass macht.

Gemäss den Zürcher Geschäftsführern wäre die Agentur auch ohne das Coca-Cola-Budget eröffnet worden. Sebastian Turner wiederum behauptet das Gegenteil. Wem soll man glauben?

Als man mich anging, wurden für die Eröffnung zwei Gründe genannt: Erstens hatte man exzellente Kreative, die das unbedingt machen wollten. Das ist ein sehr guter Grund, die Agentur hat das in vielen Teilen Europas erfolgreich so gemacht. Zweitens war man in Verhandlungen mit Cordiant, die Loslösung und der Verzicht auf die internationalen Ressourcen von Bates waren absehbar. Für den Start als unabhängiges Netzwerk war es aber wichtig, dass es auf der Europakarte keine weissen Flecken mehr geben würde – und die Schweiz war so ein weisser Fleck. Bezüglich der Aussage von Sebastian Turner ist es wohl so, dass er die Gruppe nicht durch die Neugründung belastet wissen wollte. Die Agentur in Zürich sollte von Anbeginn an selbsttragend sein.

À propos MBO: Was ändert sich für den Zürcher Ableger?

Nichts. Die Agentur wurde ja bereits bei der Gründung daraufhin angelegt. Zwar kenne ich die neue Struktur noch nicht, aber ich könnte mir eine Beteiligung der Zürcher Geschäftsführer am Unternehmen durchaus vorstellen.

Welches sind die langfristigen Ziele von S & F Zürich?

Eine kreative Agentur mittlerer Grösse mit solider Basis zu werden. Eine gute kreative Qualität müsste in der Schweiz schneller zu erreichen sein -- im Gegensatz zu Ländern im Osten, wo es länger dauert.

Zum Abschluss: Sie haben nun zwei Mal Osteuropa erwähnt. Ist das Ihre neue Leidenschaft? Sind Sie in die dortigen Tätigkeiten von S & F involviert?

Nicht involviert, aber informiert. Ich sitze jetzt dank Sebastian Turner in der Jury der Golden Drums, welche im Oktober in Kroatien verliehen werden. So gesehen bin ich verpflichtet, mich mit diesem Markt auseinanderzusetzen. Das ist faszinierend, weil für mich eine völlig neue Welt. Nach zehn Jahren Paris kenne ich vor allem den Westen, da ist es spannend, mit über 60 Jahren einen neuen Bereich kennenzulernen. Ich hege für die Zukunft aber keine Ambitionen mehr, sondern finde es einfach schön, da mitarbeiten zu können, mit Leuten, die halb so alt sind wie ich.


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