16.03.2022

Havas Schweiz

«Kinder kennen keine Teilzeitpensen»

Nach vier Jahren als CEO der Havas Villages in Zürich und Genf tritt Nathalie Diethelm zurück. Im Interview spricht sie über diesen persönlichen Entscheid und die Vereinbarkeit von Familie und einer solchen Spitzenposition. Zudem sagt sie, wie es für sie weitergeht.
Havas Schweiz: «Kinder kennen keine Teilzeitpensen»
«Havas ist eine grosse Familie, in der Diversity gelebt wird»: Havas-Schweiz-CEO Nathalie Diethelm. (Bild: zVg)
von Michèle Widmer

Frau Diethelm, Sie treten als Havas-CEO zurück, um mehr Zeit mit der Familie zu haben. Warum haben Sie sich zu diesem Schritt entschieden?
Erfolge im Geschäftlichen können sich wiederholen. Etwas mehr am Familienleben teilnehmen zu können – diese Chance möchte ich nicht verpassen. Bereits in ein paar Jahren möchte mich Thibaud (3) nicht mehr heiraten, und die beiden Girls sind vermutlich froh, wenn ich beim Frühlingssingen nicht in der ersten Reihe sitze.

Co-Leitungen mit Teilzeitpensen werden immer häufiger. Warum gab es bei Havas Village keine solche Lösung?
Gute Frage, die sich so einfach nicht gestellt hat. Nicht jede Firma, jede Struktur ist dafür geeignet. Oder vielleicht ist es aktuell einfach nicht die Zeit für Havas Schweiz.

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist in den letzten Jahren ein grosses Thema bei Unternehmen. Was hätte anders sein müssen, damit Sie bei Havas weitermachen wollen und können?
Es geht nicht um «wollen oder können». Es muss immer für alle Parteien stimmig sein. Ich glaube auch nicht, dass was anders hätte gemacht werden sollen. Wir haben viele Mütter, die Grossartiges leisten, und wir haben viele Mitarbeitende mit einem Teilzeitpensum. Vergessen dürfen wir hier auch nicht die Väter, die immer mehr ihren «Daddy Day» wahrnehmen. Hier ging es um mich, um meine Ansprüche als Mutter und dies muss jeder für sich entscheiden.

«Heute sollte jedes Unternehmen die dazugehörende Flexibilität anbieten»

Es war also ein ganz persönlicher Entscheid.
Als CEO zweier Agenturen mit 80 Mitarbeitenden wird man einfach immer eingespannt und es lässt sich auch immer alles organisieren. Entweder im Büro oder dann halt in Bezug aufs Familienleben. Die Frage ist einfach: Wie viel möchte man organisiert haben und wie viel möchte man selber machen? Kinder kennen keine Teilzeitpensen. Und ja, heute sollte jedes Unternehmen die dazugehörende Flexibilität anbieten – New Work ist das Stichwort dazu und Diversity ist nur ein Teil davon.

Diverse Teams erbringen bessere Leistungen. Was unternimmt die Agentur im Bereich Diversity – speziell in Bezug auf Geschlechter?
Havas ist eine grosse Familie, in der Diversity gelebt wird. Das ist nicht nur eine Floskel, sondern der Beweis dafür bin ich in Person. Ich wurde während meiner dritten Schwangerschaft zur CEO Village befördert und auch entsprechend unterstützt.

Im Interview zu Ihrem Start als CEO sagten Sie, Sie seien eher die «stille Schafferin». Wie haben Sie als solche die letzten vier Jahre in diesem Job, wo doch einige repräsentative Aufgaben anfallen, erlebt?
Die letzten paar Jahre waren superspannend, und als Village sind wir äusserst erfolgreich unterwegs. Somit habe ich, zusammen mit einem starken Leadershipteam, die Prioritäten sicherlich richtig gesetzt. Wichtige repräsentative Aufgaben wurden stets wahrgenommen und haben mir immer Freude bereitet. Heisst jedoch nicht, dass man immer alles kommentieren muss oder immer alles auf Fotos festgehalten werden muss.

Blicken wir zurück: Auf welche Projekte der letzten vier Jahre sind Sie besonders stolz?
Geschäftlich gesehen: Die Integration beider Villages, in Zürich und Genf. Wir haben nicht nur ein für den Markt äusserst spannendes Angebot geschaffen, sondern auch eine neue Firmenkultur. Besonders stolz macht mich auch, dass uns praktisch alle Mitarbeiter und Kunden in diesem Prozess begleitet haben und wir neue Kunden dazugewinnen durften. Mein grösster Stolz sind jedoch meine Kinder und mein Mann, der mich immer unterstützt hat und in den letzten Jahren sogar beruflich kürzergetreten ist, damit ich voller Elan die Villages führen konnte.

Bis wann werden Sie noch für Havas Village tätig sein?
Abgesehen von ein paar Wochen Ferien, noch bis Mitte Jahr.

«Die Kommunikationsreise wird definitiv weitergehen»

Was steht für Sie bis dahin noch an?
Die Agentur ist top aufgestellt, mit einem äusserst versierten und diversen Leadershipteam und hochkarätigen, treuen Mitarbeitenden und Kunden. Das wird sich auch in Zukunft nicht ändern. Somit steht nichts Neues an, sondern wir arbeiten weiter daran, unseren Kunden einen nachhaltigen Mehrwert zu bieten.

Wie geht es danach weiter?
Da ich bereits letzten Sommer gekündigt habe, konnten wir uns privat auf eine Auszeit vorbereiten. Zu Weihnachten haben wir uns fünf Rucksäcke geschenkt und wir werden uns zuerst einmal eine viermonatige Familienzeit ausserhalb der Schweiz gönnen.

Und wo sehen Sie sich beruflich in Zukunft?
Danach bleibe ich der Branche sehr gerne treu. Die Kommunikationsreise wird definitiv weitergehen, doch zum ersten Mal seit 16 Jahren habe ich keinen konkreten Plan … Ausser weiterhin einer Tätigkeit nachzugehen (Teilzeit versteht sich), an der ich viel Freude habe. So wie ich es bei Havas all die Jahre hatte. Denn darin liegt der Erfolg.



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