03.03.2010

Was ist Kult und was nur Marke? Kult wird, wer markieren lässt!

Was ist der Unterschied zwischen einer Marke und einer Kultmarke? Ganz einfach: Eine Kultmarke wird ausser von den üblichen Pflegefachfrauen und -männern des Marketings zusätzlich von einem harten Kern in der Zielgruppe – nennen wir ihn «Szene» – verkörpert, gelebt, laufend neu interpretiert und damit belebt. Das kann die Stammkundschaft einer Privatbank sein, das kann die Hardcore-Partyfraktion eines Energydrinks sein oder die verschworene Trägerschaft einer Uhrenmarke. Da Szenen sich jedoch laufend verändern und sich partout nicht an Quarterly Reportings oder an das iPhone-Agenda-Setting von Managern halten, existieren zwar viele starke Marken – aber kaum Kultmarken. Manager vergöttern die Planbarkeit (deshalb sind sie, ja auch Manager und nicht Unternehmer). Nichts braucht aber mehr Lust am Unternehmen und Experimentieren als der Aufbau eines Marken-Fanclubs. Welches sind denn nun Kultmarken? Alprausch ist eine. Absolut Vodka, Apple, Rolex, Fender, Red Bull, M-Budget, Vitra, AC/DC oder Harald Schmidt sind Kultmarken. Nespresso steht einen Kick davor. Die SKA und der FCZ waren Kultmarken. Nike und Levi’s wären gerne wieder. Rivella oder die «NZZ» könnten welche sein. Peugeot und Orangina tun so, als wären sie Kultmarken. Die grosse Frage bleibt, wie man eine wird. An der «Kultmarke» Barrack Obama lässt sich am anschaulichsten umreissen, wie ein Kult-Cocktail gemixt werden kann– es braucht das richtige Produkt zur richtigen Zeit zum richtigen Preis am richtigen Ort. Fehlt davon etwas, gehen die Marketingleute besser nochmals über die Bücher. Oder fischen. Unabdingbar ist die Reibung an einem möglichst starken Gegner. Hat man keinen natürlichen Feind, muss man notfalls einen kreieren. Dies entwickelt Kampfgeist und den rebellischen Charakter, von dem Kultmarken leben– eine glaubwürdige, einfache, aber nicht harmlose Botschaft muss her. Bei Obama war die schon fast primitiv gestrickt: «Wir wollen Optimismus» – daher das «Yes». «Wir wollen den Gemeinsinn ansprechen» – daher das «we». «Wir wollen Leadership und Stärke ausspielen» – daher das «can». Simpel, aber wirksam. Zwingend: Eine starke Marken-Botschaft. Nicht wegzudenken: Glaubwürdige Markenbotschafter, bei Obama die riesige junge Szene an Nichtwählern. Nur: Markenbotschafter wollen nicht beworben werden. Man muss sie umwerben. Und Markenbotschafter mögen nicht an noch irgendeinem Eventli teilnehmen. Seinen Markenbotschaftern lässt man also besser eine lange Leine. Rasant multiplizert wurde die neue Marke Obama dann, als «Randzielgruppen» des Polit- Establishments damit auf ihren eigenen Plattformen kreativ zu spielen anfingen. TV-Commercials, Plakate und PR-Shows, das war die notwendige Basis. Was aber alles von Obamas freiwilligen Szenebotschaftern auf deren Plattformen und in deren Communities inszeniert worden war, wie die Kreativität und der Effekt der Kampagne explodierte, ist bekannt und gilt als beispiellos. Da hat nicht bloss eine riesige Kernzielgruppe einer Tanzveranstaltung im Hallenstadion beiwohnen dürfen. Da haben Abertausende von kleinen Szenen auf ihrer eigenen Party getanzt. Dieser Text erschien am 3. März in der "HandelsZeitung"


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