Nach dem Ausscheiden der Schweizer Nationalmannschaft tritt die Fussball-EM in Deutschland in die Endphase ein. Am Dienstag und am Mittwoch finden die Halbfinals in München und Dortmund statt, am Sonntag steht das Endspiel in Berlin auf dem Programm. Für den Werbemarkt sind die Endrunden aufgrund der hohen Aufmerksamkeit besonders attraktiv. Ein 30-Sekunden-Spot am TV während des Euro-Finalspiels bietet der SRG-Vermarkter Admeira für 90’000 Franken an (persoenlich.com berichtete). Nicht umsonst werden solche Matches, was die Werbung anbelangt, mit dem Superbowl in den USA verglichen.
Aber auch abseits vom Fernsehen bietet der Fussball-Grossanlass lukrative Möglichkeiten für Marken, sich in Szene zu setzen. Besonders auffällige Marketingaktionen waren in Deutschland schon vor dem ersten Anpfiff zu beobachten. So hat zum Beispiel der Deutsche Fussball-Bund (DFB) das Kader für die EM mit einer überraschenden PR-Strategie publik gemacht. Nicht der Trainer, sondern Fernsehmoderatoren, Influencer, eine Sängerin, eine Bäckerei oder eine Dachdeckerin verkündeten über Tage hinweg, wer für die Teilnahme am Turnier nominiert ist. Nach der ersten Nomination von Verteidiger Nico Schlotterbeck in der Tagesschau vom 12. Mai war die Kader-Besetzung an der EM das dominante Thema in den sozialen Netzwerken.
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Lorenz Clormann, Executive Creative Director und Senior Partner der Kommunikationsagentur Wirz findet für die Aktion nur lobende Worte. «So wurde ganz Deutschland mit in den Prozess einbezogen und es entstand ein regelrechter Hype um die einzelnen Nominierungen. Sehr sympathisch, bodenständig und ungesehen», sagt er auf Anfrage von persoenlich.com. Er fügt an: «Ich ziehe den Hut vor der Marketingabteilung des DFB.»
Auch David Cappellini, Monami-Gründer und Partner der Myty Group, hebt den Case positiv hervor. In Sachen Kaderankündigung hat Deutschland mit den teils skurrilen Influencer-Ankündigungen Grosses geschaffen», sagt er auf Anfrage. Es sei eine super Strategie, um haufenweise Earned Media zu generieren, wenn Dritte darüber berichten, und die Vorfreude zu steigern.
Fünf Millionen Check24-Trikots im Umlauf
Eine weitere erwähnenswerte Aktion – ebenfalls aus Deutschland – kommt von Check24. Der Vergleichsdienst hat vor dem EM-Start Fussball-Trikots «verschenkt». Zumindest fühlte es sich für viele so an. Bezahlt wurde mit dem Download der App und der Angabe von Adresse, Telefon und E-Mail. Kurz darauf wurde das Leibchen in der gewünschten Grösse zugestellt. Zu sehen war darauf nicht das DFB-Logo, sondern der Bundesadler und das Logo des Herstellers Puma. Insgesamt fünf Millionen Trikots sind so im Umlauf und auf Deutschlands Strassen sowie bei Public Viewings zu sehen.
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«Klammert man die Kosten-Ertrags-Frage einmal aus, ist es ziemlich eindrücklich, wie viele Leute in Deutschland gerade eines der Gratis-Trikots von Check24 tragen. Gefühlt jeder Zweite in den Grossstädten läuft im Shirt rum – und wird somit zur wandelnden Werbesäule», kommentiert Cappellini die Arbeit.
Mit der Aktion hat es Check24 geschafft, am Fussball-Geschäft teilzuhaben – und dies, ganz ohne Geld an den DFB zu bezahlen. Die Check24-Shirts kommen von Puma, während der offizielle EM-Partner Adidas heisst. Daniel Zuberbühler, Gründer und Managing Partner von Sir Mary, bezeichnet diese inoffizielle Werbeaktion im Rahmen der EM als «heikel», findet aber dennoch lobende Worte. «Check24 zeigt, dass man mit Mut und Nähe sogar für mehr Aufmerksamkeit und Gesprächsstoff sorgt als die offiziellen Partner», sagt er auf Anfrage von persoenlich.com.
Mehr als nur ein «Fashion Piece»: pink-lila Auswärtstrikots
Mit Adidas steuert aber auch ein offizieller EM-Partner einen besonders lobenswerten Case zu diesem Turnier bei. Im Spot «A Fashion Piece» präsentiert der Hersteller die pink-lila Auswärtstrikots der deutschen Nationalmannschaft. Im Clip zu sehen sind mögliche Vorurteile wie: «Das ist doch kein Deutschland-Trikot» oder «Das ist kein Trikot für Legenden» – gefolgt von einem Konter.
«Der Umstand, dass der DFB schon im Vorhinein einen Film produziert hat, um gegen den erwarteten Shitstorm vorzugehen, ist schlichtweg genial. Mit diesem smarten Schachzug hat man allen Rosa-Gegnern den Wind aus den Segeln genommen und das pinke Auswärtstrikot der deutschen Nationalmannschaft zum Kultprodukt gemacht», sagt Lorenz Clormann von Wirz. Die Zahlen sprechen für sich: Das Shirt ist das am besten verkaufte Auswärtstrikot in der Geschichte aller DFB-Trikots.
Aufgefallen ist zudem eine Marketingaktion vom US-Fitnesstracker Whoop. Während des Achtelfinalspiels zwischen Portugal und Slowenien trug Cristiano Ronaldo – selbst Investor und Botschafter von Whoop – einen solchen Tracker. Nach dem Spiel veröffentlichte Whoop die Herzfrequenzdaten des Fussballstars während des Penaltyschiessens und schaffte es sogar in die New York Times.
When you’re @Cristiano, there’s no fear in football. See how CR7 entered a flow state and dropped his heart rate moments before changing momentum of the match against Slovenia. See you in the quarterfinals, Portugal! pic.twitter.com/E9kLLTdFjt
— WHOOP (@WHOOP) July 2, 2024
Interessant ist auch ein Blick auf klassische Werbespots. Hier hat der irische Wettanbieter Paddy Power zusammen mit BBH London eine Kampagne mit dem Titel «Europe’s Favourites» lanciert. In der Hauptrolle zu sehen ist der Schauspieler Danny Dyner. Im Spot erfahren die Zuschauerinnen und Zuschauer, weshalb England der Favorit an der EM ist. Ein Deutscher sagt, sie seien bescheiden wegen vergangener Erfolge. Ein französischer Diplomat macht sich über Englands Austritt aus der EU lustig.
Genauso auf Humor setzten die Marketingverantwortlichen von Irn-Bru, einem koffeinhaltigen Softdrink aus Schottland. Die EM-Kampagne beinhaltet drei Spots mit den Titeln «Doctor’s», «Cafe» und «Mannschaft», die hauptsächlich auf Humor setzen.
Betano, der Sportwettenanbieter und offizielle Sponsor der Euro 2024, rückt in der EM-Kampagne das Leben in den Hintergrund. «Es ist Euro. Jetzt muss alles andere warten», lautet das Motto. Dies gilt für Bigfoot genauso wie für Ausserirdische oder beim Wrestling.
Die Cases von Irn-Bru oder Betano zeigen: Viele Marken setzen in der Kommunikation während der Euro 2024 auf Humor. Wolfgang Bark, Managing Creative Director von Jung von Matt Limmat, findet das gut. «Auch die ausgezeichneten Arbeiten in Cannes zeigen, dass Humor nach wie vor im Zentrum brillanter Kreativität steht. Generell sieht er folgende Erfolgszutaten für brillante kreative Markenkommunikation: «Einen authentischen Bezug zur Volksseele, gepaart mit modernen Interaktionsmöglichkeiten sowie natürlich Stars in Haupt- oder Nebenrollen – egal ob Fussballer:innen oder auch bewusst Persönlichkeiten aus anderen Bereichen.»