19.07.2020

Serie zum Coronavirus

«Ich sehe Chancen für antizyklische Investments»

Ist dieses Jahr noch mit einem Werbeaufschwung zu rechnen? In der Folge 88 unserer Serie: Urs Schneider von Mediaschneider. Er wird wieder selber operativ tätig. Eine Challenge.
Serie zum Coronavirus: «Ich sehe Chancen für antizyklische Investments»
Musste drei drei Kündigungen aussprechen, das erste Mal in der Geschichte des Unternehmens: Urs Schneider. (Bild: Mediaschneider)

Herr Schneider, Sie haben wieder die operative Führung von Mediaschneider übernommen. Was hat Sie dazu bewogen?
Manfred Strobl als CEO kann man nicht von heute auf morgen ersetzen. Als Gründer und VR-Präsident bin ich für eine professionelle Führung der Agentur verantwortlich. Deshalb habe ich mich entschieden, die Leitung für mindestens ein Jahr wieder selbst zu übernehmen.

Was waren die Gründe für den Rücktritt von Manfred Strobl?
Manfred Strobl hat sich aus eigenen Überlegungen entschieden die Agentur nach sechs erfolgreichen Jahren zu verlassen und neue Herausforderungen anzunehmen. Ich bin ihm für seine umsichtige und professionelle Führung sehr dankbar. Er hatte einen entscheidenden Anteil am Wachstum der Mediaschneider.

Hat sich das Mediageschäft während Corona stark verändert?
Ja sicher. Wie überall in der Branche sind wir nicht auf Budget- oder Vorjahreskurs. Aber gottseidank habe einige Kunden während der Krise ihre Aktivitäten insbesondere im TV und Online verstärkt. Und die BAG-Kampagne hat der Mediasachneider Bern AG zusätzliche Erträge eingebracht.

Wie spüren Sie dies in Ihrer Agentur?
Ich spüre ein positives Engagement. Wir haben von einem Tag auf den anderen, dank modernsten Equipment, im Homeoffice gearbeitet. Das galt auch für mich und ich hatte grosse Bedenken, dass das alles wirklich funktioniert. Erstaunt war ich, dass wir trotz grossem Zeitdruck Kampagnen sofort von zuhause aus buchen, verschieben und kontrollieren konnten. Eine wirklich grosse Leistung unserer Mitarbeitenden, auf die wir stolz sein können. Ich glaube die Zusammenarbeit zwischen unseren Kunden und unseren Teams hat sich gerade wegen den speziellen Umständen noch intensiviert und verbessert.

Was für Auswirkungen hat die ganze Krise auf die Werbewirtschaft?
Die Werbestatistik zeigt steil nach unten kumuliert fürs erste Halbjahr – 22 Prozent, wir stehen da mit einem Minus von 14.5 Prozent etwas besser da als der Markt. Immerhin die aktuellen Media-Focus-Zahlen lassen auf eine Erholung hoffen. Im Juni betrug der Rückgang zum Vorjahr nur noch 11.5 Prozent. Aber der Verlust vom ersten Halbjahr wird in den nächsten sechs Monaten kaum kompensiert. Rein technisch können die geplanten und nicht realisierten Werbevolumen bis Ende Jahr nicht umgesetzt werden.

Sie haben ein gutes Gespür für den Markt. Ist dieses Jahr noch mit einem Werbeaufschwung zu rechnen?
Ich denke die Verluste im ersten Halbjahr werden uns weiter begleiten. Was gelaufen ist, ist gelaufen und viele Unternehmen werden Einsparungen im Marketing Budget machen. Aber ich sehe auch Chancen für antizyklische Investments in der Krise oder danach. Ich denke da an professionelle Markenkommunikation. Bei weniger Werbedruck verdoppelt sich die Wahrnehmung automatisch und die Marke gewinnt an Vertrauen was die Loyalität nachhaltig stärkt. Mit Sicherheit wird sich dieser Effekt auf die künftige Marktanteilsentwicklung auswirken.

Wie meinen Sie das?
Ein gutes Beispiel dafür ist die Swisscom-Kampagne, welche in der Corona Zeit sehr hohe Aufmerksamkeit und positive Resonanz erlangte. So denke ich, dass noch weitere Unternehmen ihre Chancen nutzen und zusätzliche Werbeausgaben tätigen. Per Ende Jahr rechne ich mit einem Minus von unter 15 Prozent zum Vorjahr.

Machen Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter momentan noch Homeoffice?
Ja das ist so, rund zwei Drittel der Mitarbeitenden sind im Homeoffice. Wir arbeiten bis auf Weiteres in einem wöchentlichen Rotationsplan.

Werden Sie Mediaschneider anschliessend neu positionieren?
Ich werde mit dem Kader und allen Mitarbeitenden die eingeschlagene Richtung konsequent weiterverfolgen. Wir sind eine Full-Service-Agentur mit hoher strategischer Beratungskompetenz für alle On- und Offline Medien. In Zukunft werden wir uns noch stärker auf Data und Analytics fokussieren und in diesem wichtigen Bereich unseren Kunden neue Dienstleistungen anbieten. Das wird unsere Position im Markt stärken. Die Mediaschneider Gruppe (Mediaschneider Zürich / Bern / Hoy und TWmedia) hat gemäss RECMA Statistik aktuell einen Marktanteil von 16.1 Prozent was einem Jahresvolumen von 420 Millionen Franken entspricht. Damit haben wir eine starke Stellung im Markt, wovon primär unsere Kunden profitieren. Zum 18. Mal in Folge liegt die Mediaschneider an der Spitze des jährlichen Rankings der Media-Research-Group, welches die Meinung der 500 grössten Werbeauftraggeber spiegelt. Für eine unabhängige, inhabergeführte Agentur eine stolze Leistung.

Kommt es bei Ihnen zu Entlassungen?
Leider mussten wir aus wirtschaftlichen Gründen drei Kündigungen aussprechen, das erste Mal in der Geschichte der Mediaschneider AG. Das tut mir persönlich sehr leid und wir versuchen alles, dass es nicht zu weiteren Entlassungen kommt. Wir werden die Agentur kostenbewusst führen und uns gemeinsam für mehr Effizienz einsetzen müssen.

Welche Werbetrends werden in den nächsten Monaten dominieren?
Ich bin kein Prophet, aber ich würde mich über mehr spannende Markenkommunikation freuen. Wie gesagt ist Vertrauen in Unternehmen und Marken wichtiger den je. Da kommen auch die klassischen Medien wie Print, Out of Home, TV und Cinema zum Zuge. Bin gespannt, ob noch mehr Unternehmen in diese Richtung denken und in einem schwierigen Jahr investieren.

Wie haben Sie selbst die ganze Coronakrise erlebt?
Ich war acht Wochen im Homeoffice und habe viel über Video- Konferenzen kommuniziert. Das war anfänglich gewöhnungsbedürftig, aber sehr effizient. Da ich in der Freizeit auch zuhause war, habe ich zusammen mit meiner Frau ein ruhigeres Leben geführt, was sehr positiv war.

Wohin verreisen Sie in die Ferien oder haben Sie gar keine Zeit?
Momentan habe ich keine Zeit für längere Ferien. Aber für ein paar Tage Auszeit im August wird es reichen.

Was war für Sie das prägendste Erlebnis der letzten Wochen?
Oh, da gibt es vieles, das ich erwähnen könnte. Aber ein ganz schönes Erlebnis war das Theater Rigiblick mit der Aufführung «Respect! Tribute to the Greatest Soul Divas» ein wirklich bewegender Abend. Habe das Stück schon zum zweiten Mal gesehen, es ist eine aussergewöhnliches Erlebnis, das ich nur empfehlen kann.


Was bedeutet die Corona-Pandemie für die verschiedenen Akteure der Schweizer Medien- und Kommunikationsbranche? Bis auf Weiteres wird persoenlich.com jeden Tag eine betroffene Person zu Wort kommen lassen. Die ganze Serie finden Sie hier. 



 

 

17.07.20-us


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