26.03.2025

gfm Trend-Tagung

Kundennähe im digitalen Zeitalter

In Zürich haben Experten diskutiert, wie KI, menschliche Interaktion und digitale Strategien das Marketing verändern. Neben gfm-Präsident Dominique von Matt sprachen weitere Referenten über die Zukunft der Branche, den Einfluss von Influencern und neue Geschäftsmodelle. 250 Fachleute verfolgten die ausverkaufte Tagung bei Google Schweiz.
gfm Trend-Tagung: Kundennähe im digitalen Zeitalter
«Der direkte menschliche Kontakt wird zum begehrten Luxusgut, das sich auch monetarisieren lässt», so gfm-Präsident Dominique von Matt. (Bild: gfm)

«Die gleichen Technologien, die in den letzten Jahren die Distanz vergrössert haben, können wir nutzen, um diese zu verringern.» Mit dieser These erläuterte gfm-Präsident Dominique von Matt am Dienstag den ersten von drei Aspekten zur Kundennähe bei der Marketingtagung in Zürich.

In seiner Rede vor 250 Marketingfachleuten führte von Matt aus, wie künstliche Intelligenz für eine individuellere Kundenansprache eingesetzt werden kann. Er illustrierte dies am Beispiel der Hotellerie, wo durch Gesichtserkennung die Stimmung des Gastes erkannt und entsprechende Getränke im Zimmer platziert werden könnten. «Wir bewegen uns dank AI zu einer Hyperpersonalisierung, bei der jedes Individuum auch individuell angesprochen werden kann», so der gfm-Präsident.

Als zweiten wichtigen Aspekt betonte von Matt den Wert menschlicher Interaktion: «Der direkte menschliche Kontakt wird zum begehrten Luxusgut, das sich auch monetarisieren lässt.» Eine Studie der Londoner Universität belege, dass Menschen bereit seien, für die Interaktion mit Menschen statt mit Robotern zu bezahlen. Er verwies auf die Renaissance stationärer Ladengeschäfte, die wieder mehr Bedeutung erlangen, weil sie intensive Erlebnisse mit allen Sinnen und echte Interaktion bieten könnten. «Die Kundinnen und Kunden fühlen sich sicherer, wenn sie eine persönliche Anlaufstelle für Services haben», so von Matt. Menschen würden ihr Vertrauen immer noch primär Menschen und nicht Maschinen schenken.

«Antwort auf Frage, die niemand gestellt hat»

Schliesslich wandte sich von Matt gegen überkomplexe Plattformstrategien: «Ecosystems schaffen keine Kundenähe und sind als plumpes Cross-Selling enttarnt worden.» Als Beispiel nannte er Immobilienplattformen, die neben Wohnungsangeboten auch gleich Hypotheken oder Umzugsservices vermitteln wollen. Solche Angebote seien «eine Antwort auf eine Frage, die niemand gestellt hat» und würden von Kundinnen und Kunden zunehmend ignoriert. Laut dem gfm-Präsidenten hätten Konsumenten längst gelernt, gezielt nach den besten Angeboten zu suchen. «Statt Mehrwert schaffen Ecosystems höchstens Komplexität», betonte er.

Als konkretes Beispiel für die Bedeutung digitaler Kanäle nannte von Matt zu Beginn seiner Rede den asiatischen Kosmetikkonzern Amore Pacific: «Nicht Kaufkraft oder Beauty-Affinität sind zentrale Kriterien für den Markteinstieg, sondern die Stärke eines Social-Media-Kanals.» Der Konzern würde nämlich Europa überspringen und direkt in die USA expandieren – weil dort TikTok stärker sei. «Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen.»

Zur Rolle von Influencern merkte von Matt an, dass bereits fast die Hälfte der Schweizer Bevölkerung diesen folge und die Bereitschaft, eine von ihnen empfohlene Marke zu kaufen, in Deutschland bereits bei 61 Prozent liege. Gleichzeitig beeinträchtigten «fehlende Produktkenntnisse, mangelnde Authentizität und zu viele Engagements» häufig die Glaubwürdigkeit. Der gfm-Präsident sprach von einer «Inflation der Influencerinnen und Influencer», während gleichzeitig die stärksten unter ihnen die Märkte bewegten.

Den Konsumenten auf der Spur

Die 34. gfm Trend-Tagung fand unter dem Motto «Closer to the Customer» im Forum Escher bei Google Schweiz in Zürich statt. «Kundenorientierung ist eine Geschäftslogik», brachte es Marcus Schögel, Direktor des Instituts für Marketing an der Universität St. Gallen, in der ersten Keynote auf den Punkt. Es gehe darum aufzuzeigen, woher das Geld komme. «Wir können nachweisen, dass Kundenorientierung wirklich etwas bringt.»

Einen Blick in die Zukunft wagte Kevin Baxpehler, Managing Director & Co-Founder bei Remagine Ventures: «In zehn Jahren wird jeder Konsument einen digitalen Klon haben.» Auch glaube er, dass in zehn Jahren viele Haushalte humanoide Roboter haben werden. «Wir gehen davon aus, dass viele alltägliche Abläufe – sowohl online als auch offline – zunehmend automatisiert werden», sagte Baxpehler in einem persoenlich.com-Interview.

«Alles, was du digital schneller abwickeln kannst, hilft dir, deine Anliegen schneller abzuschliessen», sagte Joséphine Chamoulaud, CEO bei der Onlineversicherung Smile, im Vorfeld der gfm Trend-Tagung gegenüber persoenlich.com. Am Event wurde sie interviewt durch Tagungsmoderatorin und SRF-Journalistin Andrea Vetsch. Dabei kamen sie auf die Werbekampagne von Smile zu sprechen. «Streitbare Personen würde ich immer wieder einsetzen», so Chamoulaud. Bei Influencer Zeki habe man sich allerdings immer wieder gefragt, ob er überhaupt lustig sei. Am Freitag wurde bekannt, dass sich Smile von Zeki trennt – dies, nachdem er wegen Alkohol am Steuer verurteilt wurde. Spots mit Zeki würden ab sofort keine mehr ausgestrahlt.

Personal glücklich – Gäste glücklich

Nach weiteren Speakern war die Bühne frei für Nina Ruge, deutsche Fernsehmoderatorin und Bestsellerautorin. Sie sprach über den «Megatrend Healthy Longevity – Hope and Hype». Die studierte Biologin befasst sich seit Jahren damit, wie man gesund älter wird. «Da ist ganz viel Scharlatanerie im Spiel. Der Markt ist voller Betrug», so Ruge. Das mache es anspruchsvoll, die potenzielle Kundschaft zu erreichen. Kurz vor der Mittagspause empfahl sie den Anwesenden, vom Buffet «rein gar nichts zu essen», das seien «alles leere Kohlenhydrate».

«Man isst heute nicht mehr so fett», stellte Gastronom Michel Péclard direkt nach der Mittagspause fest, deshalb müsse das Angebot laufend verändert werden. Mit seinen launigen Erzählungen sorgte er für einige Lacher im vollen Saal. Moderatorin Andrea Vetsch sprach Péclard darauf an, dass er mit seinen Kaderleuten längere Auslandreisen unternehme und ihnen Umsatzprovisionen gebe – das sei ja quasi Bestechung. «Ja», so Péclard mit einem breiten Grinsen, «aber sie sind glücklich.» Auch seine Kundschaft soll glücklich sein. «Wir versuchen immer, unseren Gästen eine kleine Auszeit zu bieten», sagte Péclard zu persoenlich.com.

Nach zahlreichen Fachvorträgen rundete der Genfer Karikaturist Patrick Chappatte den Tag mit einer Reihe seiner gezeichneten Werke ab. Ganz im Sinne authentischer Kundennähe sprach er lieber Englisch mit französischem Akzent als ein Deutsch, das «nicht gut für die Ohren der Anwesenden gewesen wäre.»


Newsletter wird abonniert...

Newsletter abonnieren

Wollen Sie Artikel wie diesen in Ihrer Mailbox? Erhalten Sie frühmorgens die relevantesten Branchennews in kompakter Form.

Kommentar wird gesendet...

KOMMENTARE

Kommentarfunktion wurde geschlossen

Die Branchennews täglich erhalten!

Jetzt Newsletter abonnieren.