25.03.2025

Smile

«Im digitalen Umfeld kann Nähe entstehen»

Mit Marketinghintergrund an der Spitze einer Versicherung: Joséphine Chamoulaud bringt frische Perspektiven mit. Im Interview verrät die Smile-CEO, wieso sie mit Charakterköpfen wirbt und wie ihr Team das Motto «Closer to the Customer» im Versicherungsalltag praktiziert.
Smile: «Im digitalen Umfeld kann Nähe entstehen»
«Es gibt genügend Platz in der Schweiz, um sich den Markt aufzuteilen», so Joséphine Chamoulaud, CEO bei Smile. (Bild: zVg)

Joséphine Chamoulaud, was zaubert Ihnen im Alltag ein Smile aufs Gesicht?
(Lacht.) Das ist mal eine gute Einstiegsfrage. Ich denke, am meisten Freude bereitet es mir, wenn ich morgens ins Büro komme und bereits auf dem Weg zur Kaffeemaschine die gute Stimmung und Energie im Raum spüre. Dass die Leute auch Freude an der Arbeit haben und etwas erreichen wollen. Zusammen im Team Neues zu erreichen, das gibt mir am meisten Energie.

Werben Sie auch bewusst mit dem Namen Smile?
Ja, in der Kommunikation ist es ein Teil unserer DNA. Das Logo sagt natürlich ganz viel aus. Sachen mit Leichtigkeit und einem Augenzwinkern zu sehen, das ist ein grosser Teil unserer Marketingkampagne. Es ist aber nicht so, dass wir aktiv auf das Lachen eingehen, sondern der Fokus bleibt auf der Leichtigkeit und Unkompliziertheit in der Art, wie wir kommunizieren.

Im letzten Jahr sind Sie zur CEO von Smile Versicherungen befördert worden (persoenlich.com berichtete). Sie haben damals gesagt, dass Sie verstärkten Einfluss auf die Weiterentwicklung Ihres digitalen Geschäftsmodells nehmen wollen. Was hat sich seither getan?
Im letzten Jahr haben wir intensiv an der Weiterentwicklung unserer digitalen Fähigkeiten gearbeitet, um unsere Skalierbarkeit optimal zu nutzen. Als Digitalversicherung sind diese Kompetenzen auch künftig eine zentrale Voraussetzung. Dabei geht es beispielsweise um künstliche Intelligenz – aber nicht nur. Wir haben unsere digitalen Möglichkeiten insgesamt deutlich ausgebaut, etwa durch Automatisierung, verbesserte Plattformlösungen und personalisierte Services.

«Ich bin überzeugt, dass es immer gute Gründe gibt, weshalb jemand in eine solche Position berufen wird»

Wie muss man sich das vorstellen?
Es gibt zwei Bereiche: Einerseits die Digital Experience – damit meinen wir eine nahtlose Kundenerfahrung, die wir mit unserem digitalen Auftritt und Wow-Momenten sicherstellen. Self-Services für den Kunden sind hier ein grosser Fokus, da unsere Zielgruppe ihr Anliegen vor allem schnell, einfach und flexibel selbst erledigen möchte – unabhängig von Ort und Zeit. Und auf der anderen Seite Digital Excellence. Hinter unserer Digital Excellence steht der gezielte Einsatz von Automatisierung, skalierbare Technologie und auch Datenintelligenz.

Viele CEOs kommen aus dem Finanzbereich. Sie allerdings haben einen Marketinghintergrund. Wie profitieren Sie davon?
Grundsätzlich bin ich überzeugt, dass es immer gute Gründe gibt, weshalb jemand in eine solche Position berufen wird. In der Versicherungsbranche sehen wir nach wie vor viele klassische, fachlich geprägte Karrieren – was in der Vergangenheit sicher auch richtig war. Gleichzeitig ist die Branche heute an einem Punkt, an dem sie reif ist, neue Perspektiven einzunehmen. Mein Hintergrund im Marketing hilft mir dabei besonders, Kundenzentrierung nicht nur als Schlagwort zu verstehen, sondern als zentralen Hebel für Innovation, Differenzierung und nachhaltiges Wachstum zu nutzen. Die zentrale Frage, die mich immer beschäftigt hat, ist: Wie erreichst du die Menschen da draussen? Das ist das Hauptziel jedes Marketeers. Wenn du dich mit dieser Frage als CEO beschäftigst, dann verändert das die Wertschöpfungskette. Sei es ein Produkt, eine digitale Experience oder auch einfach die Allgemeinen Versicherungsbedingungen – alles richtet sich dann am Kundenbedürfnis aus. Und ich glaube, das kann helfen, die Kundenzentrierung nicht nur in einem Strategiepapier zu haben, sondern in der DNA zu verankern und auszuleben.

Apropos Nähe zum Kunden: Sie treten am Mittwoch an der gfm Trend-Tagung auf und werden interviewt. Das Hauptthema des Events lautet «Closer to the Customer». Wie kommt man denn nun näher an den Kunden?
Eine der einfachsten Techniken, wie ich finde, ist, dass man schauen muss, wer es da draussen gut macht. Darauf haben wir stark geachtet und uns auf Firmen konzentriert, die den Fokus stark auf die Kundenzentrierung legen. Netflix, Spotify – das sind Players, die ihre Branche wirklich disruptiert haben, weil sie sich radikal auf das Kundenbedürfnis ausgerichtet haben. Wir haben sie analysiert und uns gefragt, wie wir dies auf die Versicherungsbranche übertragen können. Ein anderer Hebel ist die Integration der Kundenstimme in unsere Alltagsprozesse, um am Puls ihrer Bedürfnisse zu bleiben. Bei uns erhalten alle Mitarbeitenden – inklusive mir selbst – Kundenfeedback täglich automatisiert in ihre Inbox. So sehen wir unmittelbar, was gut funktioniert, wo es Optimierungspotenzial gibt, und können gezielt darauf reagieren. Zusätzlich sind Kundenbewertungen fest in unseren Jahreszielen verankert – als klare Messgrösse für Kundenzentrierung und kontinuierliche Verbesserung.

«Schaden hat mit sehr vielen Emotionen und Unsicherheiten zu tun»

Können Sie ein Beispiel geben, wo das Kundenfeedback etwas am Versicherungsangebot verändert hat?
Ja, es gibt viele konkrete Beispiele, bei denen Kundenfeedback unser Angebot oder den Zugang dazu direkt beeinflusst hat. So haben wir unsere Versicherungsangebote laufend vereinfacht – etwa durch einen schnelleren Login-Prozess in der App oder besserer Navigation im Verkaufsprozess. Wir erfahren sehr schnell, wenn etwas nicht funktioniert, sei es ein technisches Problem, eine unpassende Ansprache oder lange Wartezeiten. Genauso erhalten wir viele Feedbacks zu Mitarbeitenden, die wir gezielt wertschätzen – oder eben auch Kritik, die wir direkt aufnehmen und intern besprechen. Dieses laufende Feedback fliesst direkt in unsere Weiterentwicklung ein. Das Produkt und dessen Zugang hat sich in den letzten Jahren stark vereinfacht dank unserer Kundenfeedbacks.

Sie haben ein digitales Geschäftsmodell. Wie kann so in einem Schadenfall spezifisch Nähe zum Kunden hergestellt werden?
Schaden hat mit sehr vielen Emotionen und Unsicherheiten zu tun. Der Kunde will, dass der Fall erledigt wird, und genau hier – das ist Proof of Concept – liefert die Versicherung das, was sie verspricht. Die Vertrauensbasis zu halten, ist sehr wichtig. Wir arbeiten, gerade im Schadenfall, eng mit unserer Muttergesellschaft Helvetia zusammen, die ein grosses Team an Experten hat. Ein Beispiel: In der Hagelsaison, bieten Helvetia und Smile lokal sogenannte Hagel-Drive-ins an. Hier können Leute vorbeifahren und unkompliziert Hilfe durch Experten vor Ort erhalten. Gerade in solchen Momenten ist es wichtig, die persönliche Nähe zu haben.

Und wie sieht es mit der Kommunikation aus?
Je nach Art des Schadens wird vieles persönlich kommuniziert. Ja, wir sind ein Direktversicherungsgeschäft, aber trotzdem haben wir noch immer ein Team aus geschulten Leuten am Telefon, die viele Sorgen bereits abnehmen. Wichtig zu wissen: Digital bedeutet nicht unpersönlich – im Gegenteil: Auch im digitalen Umfeld kann Nähe entstehen. Ich denke, viele Leute haben noch etwas Angst davor. Unser Ziel ist es nicht, alles durch Computer zu ersetzen, sondern ein Kundenerlebnis zu schaffen, welches die Kundenbedürfnisse bestmöglich abdeckt.

«Wir setzen stark auf Test-and-Learn»

Zu Ihrer Werbung: Sie haben bereits mit verschiedenen berühmten Persönlichkeiten zusammengearbeitet, wie etwa Influencer Zeki, Stress oder Naomi Lareine. Wie passt diese eher breite Strategie ins Gesamtkonzept Ihrer Markenpositionierung?
Vor fünf Jahren haben wir uns die Ziele gesetzt, eine Marke aufzubauen, die sich gegenüber der Branche differenziert, neue Wege geht und auch Junge erreicht. Die Strategie und Hypothese dahinter waren einfach. Wir sahen, was auf Social Media funktioniert – und es gab für uns keinen Grund, wieso das nicht auch auf klassischen Kanälen funktionieren soll. Schliesslich war man auf den Social-Media-Kanälen sehr nahe an den Emotionen und Themen der Zielgruppe. Wir haben damals mit Zeki begonnen. Die Zusammenarbeit erwies sich als sehr erfolgreich. Gleichzeitig besteht natürlich immer die Gefahr, dass, wenn du dich nur an eine Person hältst, du in der Öffentlichkeit rasch zur «Zeki-Versicherung» wirst.

Was haben Sie also gemacht?
Nach den ersten Erfolgen mit Zeki haben wir ziemlich schnell auf weitere Persönlichkeiten ausgebaut. So erreichen wir verschiedene Zielgruppen auf verschiedenen Kanälen.
Wir setzen stark auf Test-and-Learn: Wir arbeiten immer mit verschiedenen Persönlichkeiten zusammen – von Alisha Lehmann über Ramona Bachmann bis hin zu Baschi, Stress und Naomi Lareine. Dabei testen wir laufend, wer gut zur Marke passt und bei der Zielgruppe ankommt. Was funktioniert, führen wir weiter – was nicht, justieren wir. Eine fixe Formel dafür gibt es nicht.

«Wir wollen Personen, die sicher nicht 08/15 sind»

Nach was suchen Sie denn in einer Person, die Ihre Versicherung gut vertritt?
Leute, die selbst ihre Branche «challengen» und mutige Vorreiter sind, für etwas einstehen und ihren eigenen Weg gehen.
Wir wollen Personen, die sicher nicht 08/15 sind. Smile hat sich immer als eine Marke gesehen, die den Markt aufmischt, die aber auch Taktgeber und ein bisschen mutiger ist. Und darum sind es auch solche Personen, die anecken können. Es muss nicht jeder unsere Spots lustig finden. Aber wenn wir es erreichen, aufzufallen und verschiedene Zielgruppen zu erreichen, dann ist das extrem viel wert. Deswegen haben wir immer darauf geachtet, dass wir mit Leuten zusammenarbeiten, die etwas mitbringen, einen speziellen Charakter haben und für etwas einstehen.

Apropos Zeki, Sie haben letzten Freitag nach seinem kürzlichen Strafbefehl wegen Alkohol am Steuer bekannt gegeben, dass sie gemeinsam entschieden haben, die Zusammenarbeit per sofort zu beenden. Gibt das zu denken, was die Vorbilderauswahl für Ihr Marketingkonzept anbelangt?
Garantien können im Bereich menschlicher Beziehungen kaum gegeben werden. Wir sind aber der Überzeugung, dass der aktuelle Vorfall eine Ausnahmesituation darstellt. Wir blicken immer noch positiv auf die Zusammenarbeit mit Zeki zurück. Die persönliche Beziehung war sehr wertvoll und durch ihn sind viele positive Impulse entstanden. Nur widerspricht der Vorfall unseren Wertvorstellungen und unserem Engagement für Verkehrssicherheit, sodass wir zukünftig auf andere Influencer setzen werden.

«Dass Social Media seine Daseinsberechtigung hat, darüber müssen wir nicht diskutieren»

Besteht ein gewisses Risiko, dass durch die eher moderne Werbestrategie mit Influencern ältere Zielgruppen weniger angesprochen oder abgeholt werden?
Das gibt es natürlich. Deshalb haben wir uns aber auch ganz bewusst dazu entschieden, mit verschiedenen Persönlichkeiten zu werben und dies etwas abzufangen. Nichtsdestotrotz ist es mittlerweile ein Irrtum zu denken, dass Social Media und Influencer nur «die Jungen» erreichen können. Ausserdem spielen nicht primär die Influencer eine Rolle, sondern vor allem auch die verschiedenen Kanäle. Guter Content hat beispielsweise sowohl auf Social Media als auch im TV funktioniert, aber aus unterschiedlichen Gründen. Auf Social Media war es vielleicht die Bekanntheit von Zeki, auf TV wiederum die Combo und der Humor zwischen Zeki und den alten Herren Sepp und Pietro.  

Konnten Sie mit Social-Media-Content Ergebnisse erzielen, die mit traditionellem Marketing nicht möglich gewesen wären?
Ja. Dass Social Media seine Daseinsberechtigung hat, darüber müssen wir gar nicht diskutieren. Es gibt heutzutage so viele Shifts von Budgets hin zu Social Media. Denn es bewegen sich nicht nur junge Personen auf solchen Plattformen. Der Altersdurchschnitt steigt schnell. Mit herausragendem Content – und das ist der entscheidende Punkt– eröffnet sich die Chance, Menschen zu erreichen, die für traditionelle Kanäle nicht zugänglich wären.

Ihr Werbeslogan lautet «Versicherung ohne Blabla». Beim Nachrichtenportal Watson ist es «News ohne Bla Bla». Beobachten Sie das Phänomen, dass heutzutage Menschen all ihre Informationen eher komprimiert und ohne Beratung erhalten wollen?
Die Welt entwickelt sich beständig weiter und schlussendlich sucht der Mensch immer Convenience. Mittlerweile ist die digitale Welt der Befähiger für Convenience. Alles, was du digital schneller abwickeln kannst, hilft dir, deine Anliegen schneller abzuschliessen. Du gehst nicht mehr in eine Bank, um Geld abzuheben, sondern du kannst es rasch von Konto zu Konto hin- und herschieben durch eine App. Das schafft Geschwindigkeit. Digital ist nicht der Treiber, sondern der Befähiger, sodass du dein Leben besser managen kannst. «Ohne Blabla» bedeutet für uns damit nicht der Ausschluss der Kundenberatung, sondern Flexibilität, Einfachheit, Convenience.

«Wir gehen klar auf die Zielgruppe zu, die selbstsicherer ist, selbst im Driver-Seat zu sein»

Schliesst dieses Konzept nicht auch gewisse Zielgruppen aus?
Natürlich gibt es Menschen, die online nicht so bewandert sind und ein ganz anderes Bedürfnis haben. So sind Menschen nun mal. Es gibt Leute, die gerne telefonieren, und solche, die nicht gerne telefonieren. Es gibt Menschen, die Entscheidungen lieber abgeben oder lieber selbst entscheiden. Und im Rahmen davon gehen wir einfach ganz klar auf die Zielgruppe zu, die selbstsicherer ist, selbst Sachen anzugehen, selbst im Driver-Seat zu sein. Und ja, damit überlassen wir anderen Versicherungen auch die Leute, die eine vollständig persönliche Beratung vor Ort suchen. Es gibt genügend Platz in der Schweiz, um sich den Markt aufzuteilen.

Abschliessend noch aus persönlichem Interesse: Wenn Sie nochmal zurückgehen könnten, zum Moment Ihrer Studienwahl, würden Sie nochmal das Gleiche wählen? Oder würden Sie sich umentscheiden?
Ich würde nie anders entscheiden, nein. Ich habe nie weit in die Zukunft geplant oder mir vorgenommen, CEO zu werden und einen bestimmten Karriereweg einzuschlagen. Stattdessen bin ich immer den Weg gegangen, bei dem ich den grössten Gestaltungsspielraum für mich habe. Damals habe ich ein Kunststudium angefangen (lacht), aber das war mir dann doch etwas zu breit. Also habe ich Kommunikationswissenschaft und Soziologie im Bachelor studiert und nebenbei ein Praktikum in einer Marketingagentur gemacht. Es war eine intensive Zeit, aber die Wahl war vom Wunsch geprägt, möglichst flexibel das zu tun, was mir Spass macht und mich interessiert. Deshalb: Nein, ich würde mich nicht anders entscheiden. Egal, was man studiert – man kann jederzeit den Weg ändern. Viel wichtiger ist, schnell zu reagieren, wenn man merkt, ob einem etwas liegt oder nicht.


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