24.04.2025

Aussenwerbung

Marketingagentur will von drohenden Werbeverboten profitieren

Hutter Consult empfiehlt in einer Kampagne, Werbebudgets besser in Social Media zu investieren statt in Plakate und digitale Displays. Beim Branchenverband Aussenwerbung Schweiz kommt das nicht gut an.
Aussenwerbung: Marketingagentur will von drohenden Werbeverboten profitieren
Wie Hutter Consult die Zukunft sieht: leere Plakatflächen und die Blicke aufs Smartphone gerichtet. (Bild: KI-generiert/ChatGPT)

Die ganze Werbebranche kämpft derzeit gegen das drohende Verbot von Aussenwerbung in Schweizer Städten. Die ganze Branche? Einer Agentur aus Aadorf bereitet die Aussicht auf plakat- und displayfreie Innenstädte keine Sorgen – im Gegenteil. Hutter Consult, spezialisiert auf digitales Marketing, wirbt seit Anfang April auf verschiedenen Kanälen für eine Budgetverlagerung weg von Aussenwerbung hin zu Social Media. Und bietet gleichzeitig die eigene Expertise an.

«Halb so wild», sagt Thomas Besmer

Anlass für die Kampagne gaben die Entscheide der Stadtparlamente von Bern und Zürich, kommerzielle Werbung im öffentlichen Raum einzuschränken, respektive zu verbieten. «Halb so wild», sagt Thomas Besmer, Managing Partner der Agentur, in einem Instagram-Video. Im öffentlichen Raum richte sich die Aufmerksamkeit sowieso aufs Smartphone. Deshalb empfiehlt die Agentur, Werbegelder künftig vermehrt dort einzusetzen, wo die Leute hingucken. «Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, Dein Budget umzudenken», empfiehlt die Agentur.

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Das Plädoyer für einen Budget-Shift unterfüttert Hutter Consult mit einem eigens dafür erstellten «Whitepaper». Auf 18 A4-Seiten werden die Vor- und Nachteile von Aussenwerbung und Social Media gegeneinander abgewogen; wer besser abschneidet, liegt angesichts des Absenders auf der Hand.

Aussenwerbung lasse sich weniger präzise auf die Zielgruppen ausspielen und der Erfolg könne nicht so genau gemessen werden, steht im Hutter-Papier. Ausserdem verursachten Plakat- und Displaywerbung im öffentlichen Raum oft hohe Initialkosten. Wenn nun noch Verbote drohten, dann sollten Werbetreibende «ihre Medienstrategien überdenken. Klassische OOH-Kampagnen stossen vermehrt an ihre Grenzen – sowohl politisch als auch in der Wirkung», steht im «Whitepaper». Social-Media-Werbung biete sich dagegen als «passgenaue Lösung» an mit präzisem Targeting, flexibler Budgetsteuerung und Echtzeit-Messbarkeit.

«Polemische und leicht verständliche Sprache»

Beim Branchenverband Aussenwerbung Schweizer (AWS) reagiert man mit einer Mischung aus Irritation und Belustigung über die Hutter-Kampagne. «Wir erkennen an, dass die polemische und leicht verständliche Sprache im Whitepaper durchaus ihren Charme hat und dazu beiträgt, eine breitere und weniger spezialisierte Zielgruppe anzusprechen, die sich gern von einfachen Lösungen überzeugen lässt», schreibt Nadja Mühlemann, Geschäftsführerin AWS auf Anfrage von persoenlich.com.

Den zentralen Punkten, die Hutter als Vorteil von Social Media gegenüber der Aussenwerbung nennt, widerspricht der AWS. Insgesamt seien viele Aussagen der Agentur Hutter Consult zu «pauschal oder verzerrt» und deshalb für den AWS wenig aussagekräftig.

Zur Kritik der fehlenden Targetierbarkeit verweist der Verband auf verschiedene Möglichkeiten, die Aussenwerbung entlang unterschiedlicher Parameter zielgenau auszuspielen, «sei dies mittels geografischen Targetings, zum Beispiel nur in bestimmten Stadtteilen oder entlang von Pendlerstrecken oder Tageszeit- und Wochentag-Targeting, wetterabhängige Ausspielungen oder Zielgruppenansprache über Mobilitätsdaten».

Zur Messbarkeit von Aussenwerbung nennt der Branchenverband verschiedene Möglichkeiten, wie etwa Reichweitenermittlung mittels Mobilitätsdaten oder Wirkungsmessungen über Studien, QR-Codes oder Shortlinks. Wobei der Effizienzgrad stark vom Ziel, dem gewählten Format und dem Mediamix abhänge, so Nadja Mühlemann vom Verband AWS.

Zu den – vermeintlich – hohen Investitionskosten für Aussenwerbung verweist der Branchenverband auf den Media-Preis-Leistungsindex (MPLI) des Schweizer Werbe-Auftraggeberverbands (SWA) und der Leading Swiss Agencies (LSA). Der MPLI «liefert hierzu andere Fakten», teilt der Verband mit.

«Gewichtige Unterschiede» zwischen den Gattungen

Thomas Besmer von Hutter Consult hält die Argumente, mit denen der Verband AWS die Qualitäten der Aussenwerbung verteidigt, für «nachvollziehbar» und würdigt die Weiterentwicklung von Targeting- und Messmethoden. «Unbestritten ist, dass Out-of-Home durch digitale Screens, datenbasierte Planung und Formate wie Programmatic DOOH heute deutlich moderner aufgestellt ist als noch vor wenigen Jahren», teilt Besmer auf Anfrage mit. Er sieht aber auch «gewichtige Unterschiede» zwischen den Gattungen, was Targeting und Messbarkeit angeht. So biete Social Media eine stärkere Individualisierung bei der Zielgruppenansprache und kostenlose Analysemöglichkeiten dank entsprechender Funktionen und Angebote der Plattformen. 

Insgesamt hält Besmer Aussenwerbung für eine «gute Ergänzung zu Social Ads», wie er auf Anfrage mitteilt. Damit relativiert er die Stossrichtung von Kampagne und Whitepaper seiner Agentur, die klar einen Budget-Shift weg von Plakaten, Display & Co. hin zu Social Media empfehlen. «Aber», so Besmer weiter, «wir sehen es als unsere Verantwortung, Kunden und potenzielle Kunden auf alternative Werbeformate aufmerksam zu machen, um allfällige Ausfälle bestmöglich abzufedern.» Sprich: Bereit sein für den Fall, dass die Werbeverbote tatsächlich durchkommen. In diesem Sinne stellt Hutter Consult das Geschäftsinteresse über die Branchensolidarität im Kampf gegen Werbeverbote.


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KOMMENTARE

Michael Maurantonio
25.04.2025 18:19 Uhr
"Targeting", "Messmethoden"? Flip the coin! Zudem: Ich frage mich, was die Kunden der Agentur von Adfraud und Brandsafety halten. Ich bezweifle, sie wissen, was das für ihre Marke bedeutet. Wir lieben es, solche Kampagnen on-site zu auditen oder für unsere Auftraggeber "Stresstests" durchzuführen. Als Medien- und Media-Forensiker des Atlantic Councils empfehle ich meinen Kunden (und engsten Freunden), Adblocker (besser: individuell einstellbare Scriptblocker) einzusetzen, wie es ihre Konsument:innen (und U.S. Behörden) auch tun. Aussenwerbung kann man ausblenden (wegschauen), sie ist nicht aufdringlich, ist brand-safe, verlangt meine Daten nie (auch nicht bei programmat. ausgespielter DOOH Werbung), ist beliebt (Brand- oder Ad-Annoyance) und wirkt.
Adrian Schaffner
25.04.2025 14:36 Uhr
@Markus Berger: Ja klar, Werbung muss in gewissem Sinne «stören» damit sie wahrgenommen und gesehen wird. Aber gute Werbung unterhaltet und informiert eben auch. Sei es am Plakat oder in anderen Medien. Aber Remy Fabrikant hat natürlich absolut recht, dass digitale Werbung auf Social Media wesentlich subtiler unterwegs ist und als das oftmals schlechter erkennbar. Und künftig wird uns KI von Meta und Co. noch wesentlich besser umschleichen und nicht unbedingt der freien Meinungsbildung besonders dienlich sein.
Agnès Laube
25.04.2025 10:37 Uhr
Es ist spannend, das erstmals aus der Branche selbst die Problematik der Aussenwerbung – nämlich der hohe Streuverlust (mangelndes Targeting) – angesprochen wird. Auch die hohen Kosten im Verhältnis zum Nutzen sind ein Problem, ganz zu schweigen vom Stromverbrauch...
Andy Lehmann
25.04.2025 09:52 Uhr
Dass sich jetzt auch noch „Werber“ dafür einsetzen, dass gute klassische Werbung aus Plakaten verschwinden soll, verstehe ich beim besten Willen nicht. Das Geld wandert dann halt schön brav ins Ausland…
Yves Seiler
24.04.2025 15:31 Uhr
Wenn ich das Ad der geschätzten Hutter Agentur betrachte, wird mir wieder einmal deutlich, dass ein tolles Plakat eine weitaus stärkere Wirkung entfaltet als die zahlreichen Online-Ads, in denen ein Online-Guru mir sein Können preist.
Sandro Prezzi
24.04.2025 15:09 Uhr
PS: vielleicht fangen wir auch mal damit an, für gleich lange Spiesse zu sorgen. Es wird Zeit, dass Google und Meta, wie alle anderen Werbeanbieter im Schweizer Markt, Steuern bezahlen (fangen wir mal mit der Mehrwertsteuer an). Dann wären da noch Regeln der Werbeeinschränkungen (Alkohol, Wahl-/Abstimmung, Minderhährige, etc.) und für Transparenz bezüglich Umsätzen. Wer doch vermeintlich so gut mit Daten umgehen kann, für den sollte es doch ein Leichtes sein, diese dem Markt zur Vefügung zu stellen.
Sandro Prezzi
24.04.2025 15:02 Uhr
Gerade jener Touchpoint welcher gemäss Medienforschung über die niedrigste Glaubwürdigkeit im Vergleich und auch bei Strassenumfragen zum Thema Werbung am meisten Nennungen erhält, wenn es darum geht, wo Werbung am meisten stört, soll also nun bevorzugt werden. Effizienz sieht anders aus. Wollen wir uns doch kurz daran erinnern, was die Aufgabe von Werbung ist: Werbeerinnerung. Und auch hier schneidet Onlinewerbung und speziell Socialmedia signifikant schlechter als Plakat, Print, TV und Radio ab. Noch Fragen? Wir helfen gern jenen, die wirklich mehr erreichen wollen.
Remy Fabrikant
24.04.2025 13:16 Uhr
Obwohl Plakatwerbung oft als störend empfunden wird und deshalb in vielen Städten zunehmend verboten oder eingeschränkt wird, trifft diese Kritik eigentlich das falsche Medium. Plakate sind öffentlich sichtbar, klar als Werbung erkennbar und lassen sich leicht ignorieren – sie drängen sich niemandem aktiv auf. Im Gegensatz dazu ist Werbung auf Social Media viel tiefgreifender: Sie greift in unseren privaten digitalen Raum ein, analysiert unser Verhalten, unsere Vorlieben und Interessen – oft ohne unser volles Bewusstsein oder Einverständnis. Diese Form der personalisierten Dauerbeschallung ist nicht nur deutlich aufdringlicher, sondern kann auch als Eingriff in die Privatsphäre empfunden werden. Dennoch wird sie gesellschaftlich weit weniger kritisch hinterfragt als ein Plakat an einer Straßenecke. Es ist paradox: Während analoge Werbung verbannt wird, breitet sich die digitale – subtiler, aber weitreichender – immer weiter aus. Dabei liegt die größere Gefahr nicht im Stadtbild, sondern in unseren Feeds.
Joël Gutmann
24.04.2025 12:17 Uhr
Alles klar, dann stecken wir doch zig Millionen mehr an Werbebudget in Meta, Alphabet oder Tiktok und helfen, die Taschen von Zuckerberg, Musk & Co noch weiter zu füllen. ;)
Frank Bodin
24.04.2025 09:14 Uhr
Nur weil etwas vermeintlich messbar ist, heisst das nicht, dass es besser ist als das, was sich nicht messen lässt. Es wird Zeit, dass auch Social-Media-Agenturen endlich lernen, statt nur mit (oftmals falschen) Zahlen auch mit smarten Strategien und frischen Ideen in einem qualitativen Umfeld zu rechnen.
Markus Berger
24.04.2025 08:44 Uhr
Sehe das Problem nicht. Aussenwerbung stört. Und bis jetzt hat es die Werbeindustrie nicht erreicht, dass zu ändern.
Hannelore Hoenig
24.04.2025 08:25 Uhr
Da wollte einer aber ganz «klug» sein. Schade eigentlich. Ich hätte lieber, wenn der Werbefranken in der Schweiz bleiben würde.

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