01.12.2016

SevenOne Media Schweiz

«Überspulen der Werbung bedroht TV-Geschäft»

Youtube-Videos, Live-Streaming, zeitversetztes Fernsehen: Das veränderte Konsumverhalten macht der Werbeindustrie das Leben schwer. Andrea Haemmerli, Managing Director der SevenOne Media Schweiz, über zukunftsträchtige TV-Werbeformen.
SevenOne Media Schweiz: «Überspulen der Werbung bedroht TV-Geschäft»
Andrea Haemmerli: «Branded-Content-Inhalte müssen einerseits in die Strategie des jeweiligen Werbekunden passen und zur Erfüllung der Kampagnenziele beitragen, andererseits für unsere Zuschauer informativ, unterhaltsam und glaubwürdig sein.» (Bild: zVg.)
von Christian Beck

Frau Haemmerli*, seit es zeitversetztes Fernsehen gibt, schaut doch kein Mensch mehr TV-Werbung. Das muss ein grosses Problem sein.
80 Prozent der TV-Nutzung findet immer noch linear statt. Aber es ist effektiv so, dass das zeitversetzte Fernsehen – das sogenannte Catch-up TV – zunimmt und mittlerweile gemäss dem Mediapulse-Panel rund 20 Prozent der TV-Nutzung ausmacht (gemäss dem aktuellen IGEM-digiMonitor konsumieren 46 Prozent der Bevölkerung Fernsehen zeitversetzt – dies das Resultat einer Befragung, Anm. der Red.). Die TV-Verbreiter wie Swisscom und UPC lassen beim zeitversetzten Fernsehen das Überspulen der Werbung zu und bedrohen damit das Geschäft der TV-Sender. Uns fallen damit wichtige Einnahmen weg, die wir für die Herstellung der Programme brauchen. Eine Situation übrigens, die so nur in der Schweiz möglich ist.

Was unternehmen Sie dagegen?
Gegen diese Situation kämpfen alle TV-Sender der Schweiz gemeinsam mit der Interessensgemeinschaft Radio und Fernsehen an und fordern, dass die TV-Sender die Konditionen von zeitversetztem Fernsehen mitbestimmen können und ein besserer Signalschutz gewährleistet wird. Wie dies in allen übrigen Ländern in Europa auch der Fall ist.

Was sagen Sie Werbekunden, die Zweifel an der Wirkung von TV-Werbung haben?
Die TV-Nutzung in der Schweiz ist weiterhin hoch und die Attraktivität aufgrund neuer Verbreitungswege und dem immer grösser werdenden Angebot mit vielen neuen Sendern ungebrochen gross. Dies belegen die neusten Semesterzahlen von Mediapulse. Deutschschweizer sitzen im Durchschnitt täglich 131 Minuten vor dem TV. Und Fernsehen ist die Bewegtbild-Quelle Nummer eins: Die TV-Nutzung macht zum Beispiel in Deutschland 92 Prozent der Bewegtbild-Nutzung aus. Deshalb hat TV für unsere Werbekunden weiterhin als Basismedium eine grosse Relevanz. Es gibt kein anderes Medium, welches diesen schnellen Reichweitenaufbau bieten kann.

Hält Werbung auch vermehrt Einzug in TV-Inhalte?
Gemeinsam mit unseren Kunden entwickeln wir ständig neue, kreative Möglichkeiten, wie wir die Werbebotschaften über den klassischen Werbeblock hinaus transportieren können. Dazu gehören Product-Placements in unseren Eigenproduktionen, Sponsorings unserer Erfolgsformate oder exklusive Sonderwerbeformen. Die Integration von Product-Placements innerhalb der Programme erfolgt natürlich immer im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten, da gibt es strenge Bakom-Richtlinien, die eingehalten werden müssen.

Exklusive Sonderwerbeformen?
Da gibt es ein paar schöne aktuelle Beispiele, die wir gemeinsam mit unseren Kunden entwickelt haben: Bei der aktuellen Swisscom-Kampagne «Endlich Fernsehwetter» übernimmt Swisscom an sechs Wochentagen die Wettervorhersage auf Kabel eins und inszeniert TV-Unterhaltung auf eine neue Art und Weise. In Kooperation mit SevenOne Media Schweiz und wetter.com werden sechs einzigartige Wettervorhersagen produziert, welche nicht nur das Fernsehwetter zelebrieren, sondern auch auf das umfangreiche Film-Angebot von Swisscom TV aufmerksam machen. Die Fernsehzuschauer dürfen gespannt sein auf diese Branded-Content-Kampagne.

Der Zuschauer durchschaut doch ein solches Marketing und zappt weg…
Nein. Es kommt hier sehr auf die Umsetzung an. Voraussetzung ist, dass die Inhalte glaubwürdig und unterhaltsam sind und gegenüber den Zuschauern transparent gemacht wird, dass es sich um Werbung handelt. Dann stört es auch den Zuschauer nicht, wie im Beispiel Swisscom.

Haben Sie noch so ein Beispiel?
Ja, ein schönes Beispiel ist auch unser erstes Studio71-Bootcamp in der Schweiz, präsentiert von Huawei. Da haben wir gemeinsam eine Talentsuche nach Webstars veranstaltet, die im Anschluss über vier Monate beim Aufbau ihres eigenen Channels individuell gefördert wurden. Begleitet wurden die Youtube-Talente von namhaften Webstars wie Julia Graf oder Sturmwaffel. Huawei war als Partner beim ersten Schweizer Bootcamp dabei, hat die Talentsuche präsentiert und auf diversen Plattformen unterstützt. Solche Konzepte werden immer kundenindividuell ausgestaltet.

Seit Kurzem vermarktet SevenOne Media Interactive die Entertainment-Fanseite
Fandom powered by Wikia. Weichen Sie notgedrungen auf Websites aus?
Die SevenOne Media Interactive vermarktet seit jeher externe Websites, welche gut zum bestehenden Portfolio passen oder dieses ergänzen, um ein breites Spektrum an qualitativ hochwertigen Umfeldern für Werbekunden bieten zu können. Ein ebenfalls wichtiger Bestandteil dieser Strategie ist das Multichannel Netzwerk Studio71, welches ProsiebenSat.1 2013 gegründet hat. Dieses fasst sowohl die Webstars von heute und morgen als auch diverse Eigenproduktionen der Gruppe zusammen. Studio71 zählt aktuell 22 Millionen Videoabrufe pro Monat aus der Schweiz und steht für eine junge dynamische Zielgruppe. Die Vermarktung dieser Webstars und Inhalte, sowie diversen Konzeptmöglichkeiten wird für die SevenOne Interactive zukünftig von grosser Bedeutung sein.

Und was haben Sie noch in der Pipeline?
Vorletzte Woche ging unser neuster Sender Kabel eins Doku auch in der Schweiz auf Sendung. Zu sehen gibts den neuen Doku-Sender jetzt schon bei Swisscom und UPC. Da bieten wir für unsere Schweizer Werbekunden im Frühjahr 2017 dann auch ein Schweizer Werbefenster an. Mit Kabel eins Doku erweitern wir unser Senderportfolio nun schon um den achten Sender. Wir freuen uns, dass ab Februar in der Schweiz die neu entwickelten Apps unserer TV-Sender mit Livestreaming verfügbar sein werden. Auch die komplette Mediathek wird auf allen Android- sowie iOS-Geräten überall abrufbar sein. Zudem prüfen wir aktuell Umsetzungsmöglichkeiten für die Verbreitung unserer Inhalte,  sowie neuen Werbemöglichkeiten auf Smart-TV sowie IPTV-Boxen.


*Andrea Haemmerli ist seit 2012 verantwortlich für alle Aktivitäten der ProSiebenSat.1-Gruppe im TV- und Online-Bereich in der Schweiz.
 Zuvor war sie als Geschäftsführerin der Belcom AG sowie in verschiedenen leitenden Positionen bei Eurosport/Eurosales tätig.



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Kommentare

  • Armin Keusch-Walter, 04.12.2016 04:10 Uhr
    Die armen Werbefritzen! "Kreativ", wie sie sind, werden sie rasch neue Wege finden, wie sie uns ihre "Botschaften" doch noch aufs Auge drücken können!
  • Sandro Prezzi, 03.12.2016 07:21 Uhr
    Liebe Persönlich Redaktion. Wenn wir zeitversetztes Fernsehen mit "AdBlocking" gleichsetzen, dann hat das Fernsehen die kleineren Probleme wie z.B. die Onlinemedien oder die Direktwerbung. Aber mal Klartext: nur in der Bezahlversionen von Wilmaa, Zattoo und Teleboy können User Werbung überspringen, das sind gerademal 1% der Schweizer Bevölkerung (DigiMonitor 2016). Wie diverse Studien zeigen ist der Anteil derer, die zeitversetzt Fernehen (Swisscom TV, upc, Cable, etc.) je nach Altersgruppe bei maximal 20%. Auch nicht verwunderlich - zeitversetzt fernsehen kann nur wer "in der Vergangenheit" fernsieht. Machen die wenigsten. Ein existenzielles Problem für die Fernsehwerbung? Sieht nicht so aus. Es zeigt nur die Realität. Nicht jeder mag Werbung. Mit einer Reichweite von 80% der Fernsehzuschauer ist TV-Werbung aber immernoch ein gutes Geschäft.
  • Ueli Custer, 02.12.2016 12:13 Uhr
    Unterschiedliche Werte sind erklärbar Die in der ersten Antwort von Andrea Haemmerli erwähnten 20% beziehen sich auf die Nutzungszeit, die 46% im IGEM-digiMONITOR stellen den Anteil der Bevölkerung dar, die mindestens gelegentlich zeitversetzt TV sieht. Es handelt sich also um zwei grundsätzlich unterschiedliche Informationen.
  • Christoph Dürig, 02.12.2016 10:11 Uhr
    Das überspulen der Werbung, was ich regelmässig mache, bedroht die Werbung nicht im geringsten... es gibt ja auch noch sehr viele andere Werbeformen, als TV!
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