11.02.2002

"Wenn ein Brand 150 Jahre Bestand hatte, dann muss es doch etwas geben, was die Leute daran lieben."

Bally ist mitten im Turnaround. Nach Jahrzehnten von Markenmisswirtschaft hat Creative Director Scott Fellows (Bild) die Aufgabe, aus Bally einen konsistenten Lifestylebrand aufzubauen. Denn die Investorin, die Texas Pacific Group, will Bally eines Tages mit Gewinn weiterverkaufen. Bevor Bally aber wieder einen attraktiven Wert hat, müssen drastische Veränderungen stattfinden. Dies sagt Fellows in einem Interview mit "persönlich blau", welches diese Woche erscheint. "persoenlich.com" bringt einen Auszug.
"Wenn ein Brand 150 Jahre Bestand hatte, dann muss es doch etwas geben, was die Leute daran lieben."

Sie bauen Bally von einer Schuhfabrik zum Modeunternehmen um. Wie soll das konkret aussehen?

Zu mehr als einem Modeunternehmen. Bally ist ein Lifestyleunternehmen. Dazu genügt es nicht, schöne Produkte zu haben. Zu Bally kam man bisher, um Schuhe von guter Qualität zu einem guten Preis zu kaufen. Das war schon in den letzten Jahren nicht mehr genug. Denn heute kann man wirklich gute, billige und schnelle Mode bekommen, die man für eine Saison trägt und dann wegschmeisst. Von Zara und H&M. Heute will der Konsument sehr modisch, sehr trendy sein, aber zu einem tiefen Preis. Das funktioniert für viele Dinge, T-Shirts, Alltags-kleidung. Wenn man aber von Schuhen, von einer Tasche, von einem Jackett spricht, dann möchte man mehr Qualität, etwas Haltbareres, mit etwas mehr Stil. Luxus ist nicht mehr das, was er einmal war. Früher war es Luxus, 2000 Dollar für eine Tasche zu bezahlen. Heute kostet eine Tasche von Bally, Prada oder Gucci um die 500 Dollar. Die Idee, was Luxus sein soll, hat sich also geändert. Und auf diesem Feld muss Bally mitspielen. Das Produkt muss nicht nur ein bisschen besser, ein bisschen teurer sein, es muss mit einer Art Traum verknüpft werden.

In den Medien stand zu lesen, dass Sie Bally zu einer Marke wie Prada oder Gucci machen wollen. Wie kann man neben solchen Namen die eigene Identität finden?

Wir wollen nicht Gucci oder Prada sein, was die Ästhetik angeht. Alles, was wir über Mode und Luxusprodukte wissen, ist, dass sie sich verändern. Die grossen Marken hatten alle ihre Höhepunkte. Prada war in den Neunzigern auf dem Höhepunkt, denn damals waren sie mit ihrem Styling auf der Höhe der Zeit. In der Mitte der Neunziger hat sich etwas verändert, Berühmtheit war angesagt. Und da war es Gucci, das an der Spitze stand. Ich glaube, dass sich die Mode abermals verändert, besonders nach dem 11. September. Der Umgang mit Berühmtheit, diese gewisse Vulgarität in der Mode, ist jetzt nicht mehr modern. Jetzt wird es weicher, klassischer, realer; es hat mehr Integrität. Und darum ging es bei Bally in den letzten 150 Jahren, da können wir anknüpfen. Das ist unsere Botschaft und unsere Chance. Es geht darum, DER Brand zu sein, der genau dem entspricht, was die Gesellschaft will.

Ist es denn nicht möglich, eine Marke allein mit Schuhen aufzubauen?

Früher kauften die Leute Schuhe, weil sie sie brauchten. Heute sind unsere grossen Wohnungen schon ziemlich voll. Heute brauchen wir nichts mehr, aber wir wünschen uns etwas. Heute gibt es auf dem Markt so viel Konkurrenz, so viele Botschaften, so viele gute Produkte ? da muss man etwas mehr anbieten. Eben Lifestyle. Warum sollte man sich ein Paar Schuhe wünschen? Weil sie schön und bequem sind; aber da muss mehr sein. Die Schuhe müssen Teil eines Traums sein, in dem man vorkommen möchte, mit dem man sich identifizieren kann. Das Schwierige daran: Niemand von uns kauft sich eine bestimmte Lifestylebotschaft, wir kaufen immer mehrere. Es gibt immer Raum für mehrere Lifestyles.

Das Wichtigste an den Produkten ist die Farbe, das Material, die Form. Sie haben im Moment sehr helle Farben, viel rot. Das ist ungewöhnlich.

Das ist eine Sache, die uns sehr wichtig ist. Bally ist Farbe, bei Bally geht es um den einzigartigen Einsatz von Farben. Wir glauben für diesen Frühling an eine Rückkehr zu Uniformen im weitesten Sinne ? von der Pfadfinder- über die Polizisten- bis zur Ballerina-Uniform. Was wir tun, ist ja ziemlich klassisch. Die Formen der Schuhe und Taschen sind nicht radikal. Was es neu macht, sind subtile Details in den Proportionen und eben Farben. Das wenden wir auch auf klassische, seit Jahrzehnten eingeführte Modelle an. Das hat uns neue Kunden zugeführt, die zum Beispiel einen klassischen Schuh in Safrangelb heute zu Jeans tragen.

Ein wichtiges Kommunikationsmittel ist der Laden selber. Was haben Sie damit vor?

Unseren ersten neuen Laden lancierten wir in Berlin. In den Modegeschäften herrscht heute der Minimalismus. Und der wird immer interessanter. Wenn ich einkaufen gehe, will ich das nicht in einem nachgemachten Wohnzimmer tun. Ich liebe die Architektur, und ich wollte, dass die Bally-Läden ein Stück Architektur werden. Der Raum selber muss schön sein. Es muss möglichst wenig fixiert sein. Die Produkte werden an beweglichen Racks präsentiert. So kann man verschiedenartige Konstellationen herstellen. Man kann die ganze Einrichtung bewegen, auch wegnehmen, und der Raum ist immer noch schön. Wir können in einem solchen Raum auch eine Kunstausstellung veranstalten, wir können eine Videoshow zeigen, wir können ein Jazzkonzert geben. Und das ist es: Detailhandel ist mehr als Einkaufen.


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