16.04.2004

"Wir verkaufen das Gut Flugzeugsitz so teuer wie möglich"

Am Montagabend wurde bekannt, dass Christoph Franz neuer Konzernchef der Swiss wird. Walter Bosch (Bild), nicht mehr ganz so neu ernannter Vizepräsident des Verwaltungsrats, ist überzeugt, dass die Schweizer Airline den Turnaround schafft. Doch auch dann stehen Herkulesaufgaben an, besonders im Marketing: Ist die Swiss nun Premium Airline oder Billigflieger? Bleibt sie Netzwerk Carrier oder wird sie Nischenanbieter? Rechtfertigt das Schweizerkreuz noch einen Aufpreis? Im neusten "persönlich blau" nimmt Bosch Stellung. "persoenlich.com" bringt Ausschnitte aus dem Interview:
"Wir verkaufen das Gut Flugzeugsitz so teuer wie möglich"

Herr Bosch, wie fühlt sich das an, wenn man jeden Tag die knallvollen Flieger der Air Berlin starten sieht?

Sind die wirklich immer knallvoll? Es gibt doch keinen Grund, Air Berlin zu fliegen. Es haben einfach noch nicht alle Leute begriffen, dass sie mit Swiss genauso billig fliegen können, dafür aber die Vorteile einer Airline mit komplettem Netzwerk haben und erst noch Meilen sammeln können. Bei Air Berlin kostet ein Weg 98 Euro, bei der Swiss kann man das gleiche für 100 haben.

Da kann ich also für 100 Euro nach Berlin fliegen, der Flug nach Hamburg kostet mich aber 1200 Franken. Ein ziemlich grosser Unterschied für die gleiche Distanz.

Der günstigste Flug nach Hamburg ist wesentlich billiger. Generell gilt: Wir verkaufen das Gut Flugzeugsitz so teuer wie möglich. Wir müssen einen profitablen Flugbetrieb erreichen. Strecken, bei denen es Alternativen gibt, sind günstiger als solche, bei denen es keine Konkurrenz gibt. Der Buchungszeitpunkt ist ein weiterer Faktor, der den Preis bestimmt. Wir müssen den Kunden dazu bringen, vor dem Entscheid immer zuerst das Swiss-Angebot zu prüfen. Damit sind wir schon ziemlich erfolgreich. Wir hatten geplant, bis zum Jahr 2005 15 Prozent der Buchungen über das Internet abzuwickeln. Dieses Ziel haben wir bereits erreicht.

Ein gesetzter Wert für die Swiss ist die Schweiz, das Schweizerkreuz. Ist das den Kunden immer noch einen Aufpreis wert?

Wir haben eine repräsentative Umfrage zum Thema Swissness gemacht. Die Schweizer sind bereit, für ein Schweizer Produkt 14 Prozent mehr zu bezahlen als für ein ausländisches. Diesen Wert sollten wir nicht vernachlässigen. Zugegeben: Vor fünf Jahren wäre der Wert wohl noch höher gewesen.

Das Gesicht eines Unternehmens wird ganz wesentlich von den Personen geprägt, die es führen. Wie wirkt sich da der Abgang von André Dosé aus?

Dieser Abgang ist natürlich ein Verlust. Daran zweifelt niemand, und wir haben das auch so kommuniziert. Gleichzeitig ist auch keine dramatische Lücke entstanden. Pieter Bouw macht seinen Job dank seiner Erfahrung als operativer Chef bei KLM sehr gut. Er hat einen anderen Führungsstil als André Dosé, und das macht durchaus auch Reserven frei.

Sie haben es am Anfang des Gesprächs kategorisch abgelehnt, selber in die Rolle des Swiss-CEO zu schlüpfen. Und jetzt treten Sie quasi als Verkörperung der Swiss auf.

Das ist eine Notlösung. Ich möchte ja nicht immer für die Swiss reden. Aber wenn der Verwaltungsrat angegriffen wird, muss einer auch hinstehen. Es kann nicht die Aufgabe des Pressesprechers sein, dauernd mit Tomaten beworfen zu werden. Sie können mir glauben, es ist nicht mein Ziel, Sprecher der Swiss zu sein. Ich habe mich schon wieder weit gehend aus dem Rampenlicht zurückgezogen.


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