03.05.2020

Serie zum Coronavirus

«Ab Montag kommen die Ersten zurück»

Folge 33: Ladina Heimgartner ist Head of Corporate Center bei Ringier und ist für die Rückkehr in die Normalität mitverantwortlich. Das «Soft Opening» ist minutiös durchgeplant und wird von einer Vielzahl Schutzmassnahmen flankiert.
Serie zum Coronavirus: «Ab Montag kommen die Ersten zurück»
«Krisensituationen wirken ja oft enthüllend auf Menschen», so Ladina Heimgartner, Head of Corporate Center bei Ringier. (Bild: zVg.)
von Matthias Ackeret

Frau Heimgartner, Ihr Start bei Ringier war ein Monat vor dem Lockdown. Wie haben Sie die letzten anderthalb Monate an Ihrem neuen Arbeitsort erlebt?
Ich bin seit anderthalb Monaten im Homeoffice, genau wie über 95 Prozent aller Ringier-Mitarbeitenden rund um den Globus. Ich erlebe die Zeit als intensiv, strukturiert und authentisch. Intensiv, zumal sich Telefon- und Videokonferenzen aneinanderreihen, die Meetings in der Regel kürzer und sehr konzentriert verlaufen. Strukturiert, da die Kommunikation auf Distanz sehr viel Disziplin erfordert: In Video-Konferenzen spricht schön einer nach dem anderen, alle Meetings sind geplant, wenig geschieht spontan. Authentisch mag widersprüchlich klingen – zumal Kommunikation ja nur auf Distanz möglich ist. Doch Krisensituationen wirken ja oft enthüllend auf Menschen: Stärken kommen deutlich Vorschein, ebenso die Schwächen auch eine Art, sich kennenzulernen …

Sie verantworten ja auch die Unternehmenskommunikation. Welche waren hier die grössten Herausforderungen?
Selten war interne Kommunikation so relevant, wie in den letzten Wochen. Einerseits geht es um handfeste Information zur Orientierung der Mitarbeitenden: über Schutzmassnahmen, Verhaltensregeln oder Empfehlungen. Es geht aber auch darum, den Austausch untereinander zu fördern und Einblicke zu gewähren, wie andere Kolleginnen und Kollegen die Situation meistern. Eine Kollegin aus Lagos (Nigeria) erzählte zu Beginn des Lockdowns, dass gewisse Mitarbeitende nur schwerlich im Homeoffice arbeiten können, da der Strom alle paar Stunden wieder auf unbestimmte Zeit ausfällt. Ich musste mir also eingestehen: Andere haben auch ihre Sorgen, einige sind vielleicht auch etwas grösser als meine. Es geht also im Wesentlichen darum, mit Kommunikation Orientierung zu stiften, die Menschen trotz Distanz zusammenzubringen.

Was sind die grössten Unterschiede zwischen Ringier und der SRG?
Vielleicht zunächst ein Wort zu den Gemeinsamkeiten: Beides grossartige Firmen, beide fest in der Schweiz verankert und mit den Menschen im Land verbunden, beide erfolgreich unterwegs. Natürlich muss sich die SRG als das öffentliche Medienhaus der Schweiz innerhalb eines klaren regulatorischen Rahmens bewegen. Ringier ist als Familienunternehmen deutlich freier und ja auch längst kein ausschliessliches Medienhaus mehr, sondern in 19 Ländern mit über 125 Marken in den Bereichen Medien und Markplätze aktiv.

«Es gibt zahlreiche Mitarbeitende, die lieber heute als morgen zurück ins Büro würden»

Ab Montag heben Sie teilweise Homeoffice auf und die ersten Journalistinnen und Journalisten arbeiten wieder in den Redaktionen. Wie soll dies ablaufen?
Wir hatten natürlich auch während des Lockdowns einige Mitarbeitende an den Standorten, zum Beispiel das Team von Blick TV, das nun mal im Studio oder mit den Kameras unterwegs sein muss. Ab dem 4. Mai werden weitere Teams, die zuhause deutlich eingeschränkt sind, schrittweise ins Büro zurückkehren. Für die erste Phase des Soft Openings kehren maximal 20 Prozent der Mitarbeitenden zurück ins Office. Dies flankiert von einer Vielzahl Schutzmassnahmen: vom Abstand zwischen den Arbeitsplätzen und im Personalrestaurant, bis hin zum weiterhin geltenden Verbot von Meetings mit mehr als vier Personen und der regelmässigen desinfizierenden Reinigung.

Ist dies freiwillig?
Das Maximum von 20 Prozent muss bei Ringier und den Tochtergesellschaften eingehalten werden. Natürlich gibt es zahlreiche Mitarbeitende, die lieber heute als morgen zurück ins Büro würden. Andere haben sich im Homeoffice gut arrangiert. Es braucht nun von vielen noch etwas Geduld und Durchhaltevermögen. Es beeindruckt mich aber sehr, wie positiv, engagiert und verantwortungsvoll die Teams in allen Ländern und Gesellschaften mit der Situation umgehen.

Besteht innerhalb des Hauses Maskenpflicht?
Nein, es besteht keine Maskenpflicht. Wohl aber eine nachdrückliche Empfehlung, die Maske als Hilfsmittel überall dort einzusetzen, wo der Mindestabstand von zwei Metern nicht eingehalten werden kann, etwa im Korridor oder im Treppenhaus. Zu diesem Zweck versorgen wir auch alle unsere Mitarbeitenden mit Hygienemasken, die wir ihnen nach Hause schicken. Masken helfen, wenn es darum geht, uns gegenseitig zu schützen. In Sinn der Kollegialität sollten wir dies also tun.

Kann man den wirtschaftlichen Schaden, den Ringier durch das Lockout erlitten hat, bereits abschätzen?
Er ist – wie bei vielen anderen Firmen auch – massiv, kann aber nach wie vor nicht abschliessen beziffert werden, zumal viel davon abhängt, wann sich die Wirtschaft wieder allmählich erholen wird. Die Einbrüche bei Werbeeinnahmen der Zeitungen und Zeitschriften belaufen sich nach Schätzungen des Verbands Schweizer Medien auf 80 Prozent im Vorjahresvergleich. Diese Zahlen kann auch Ringier für seine Schweizer Titel bestätigen. In anderen Ländern ist die Situation noch dramatischer. Auf Stufe «operatives Ergebnis» müssen wir mit einem durch die Corona-Krise entstandenen Schaden im hohen zweistelligen Millionenbereich rechnen, also äusserst gravierend.

Was war für Sie das prägendste Erlebnis der letzten Tage?
Die 85-jährige Dame, die am Tag, als Gartencenter wieder öffnen durften, mit einem Einkaufswagen voll Blumen zu einem Journalisten sagt: «Es ist wie Weihnachten!» Ich hatte Hühnerhaut, da diese kleine Szene alles, was in den letzten Wochen passiert ist, auf den Punkt bringt: Freiheiten, die vor Corona kaum ein Gedanke wert waren, weil so völlig selbstverständlich, müssen wir uns nach und nach wieder erarbeiten. Und wir müssen sie mit einem selten dagewesenen Grad an gemeinschaftlicher Verantwortung und Solidarität hegen und pflegen.



Was bedeutet die Corona-Pandemie für die verschiedenen Akteure der Schweizer Medien- und Kommunikationsbranche? Bis auf Weiteres wird persoenlich.com jeden Tag eine betroffene Person zu Wort kommen lassen. Die ganze Serie finden Sie hier

 

 



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