08.04.2022

Pietro Supino

«Abonnierte Zeitungen werden teurer»

Das Medienpaket ist vor knapp zwei Monaten abgelehnt worden. Welche Auswirkungen hat dies auf die Medienszene? Pietro Supino, Präsident des Verlegerverbands Schweizer Medien und Verwaltungsratspräsident der TX Group, über die Herausforderungen der nahen Zukunft.
Pietro Supino: «Abonnierte Zeitungen werden teurer»
«Ein Teil der Bevölkerung wird ohne gedruckte Zeitungen den Anschluss verlieren. Das macht mir Sorgen», so Verlegerpräsident Pietro Supino. (Bild: Tamedia/Urs Jaudas)
von Matthias Ackeret

Herr Supino, das Medienpaket wurde bei der Volksabstimmung relativ deutlich abgelehnt. Gibt es von Ihrer Seite Bestrebungen für einen neuen Vorstoss?
Im Moment nicht. Sobald aussagekräftige Analysen vorliegen, werden wir im Verlegerverband eine Standortbestimmung vornehmen.

Was sind Ihres Erachtens die Gründe für die Ablehnung des Medienpaketes?
Je nach politischer Agenda werden unterschiedliche Gründe angegeben. Auf der einen Seite, dass die Bevölkerung kein grösseres Engagement der öffentlichen Hand im Medienbereich will oder keine Notwendigkeit dafür sieht. Dazu ein gespaltenes Verhältnis gegenüber den Medien und dem politischen Establishment. Auf der anderen Seite, dass auch grosse Zeitungen indirekt profitiert hätten. Da wäre die Idealvorstellung, dass der Staat Medien gezielt und direkt fördert, wenn sie wirtschaftlich schwach sind und bestimmten Vorstellungen entsprechen. Speziell auch neue digitale Medienangebote.

Was heisst dies nun konkret für die Schweizer Medienszene?
Der grösste Teil des Pakets hätte einen Ausbau der indirekten Presseförderung erlaubt. Damit wären die Zustellkosten für gedruckte Zeitungen vergünstigt worden, beziehungsweise drohende Kostensteigerungen hätten vermieden werden können. Das Problem ist, dass die Kosten der Zeitungszustellung pro Exemplar wegen der rückläufigen Auflagen steigen und die Post die Zustellung zu Vollkosten verrechnet, das heisst, dass sie die Kosten ihres Grundversorgungsauftrags weiterbelastet. Das wird dazu führen, dass sich abonnierte Zeitungen verteuern und der Auflagenrückgang und der Strukturwandel beschleunigt werden. Das ist nicht nur ein geschäftliches, sondern auch ein gesellschaftliches Problem. Denn auf absehbare Zeit bleiben gedruckte Zeitungen in der föderalistischen Schweiz wichtig für die demokratische Meinungsbildung. Ein Teil der Bevölkerung wird ohne gedruckte Zeitungen den Anschluss verlieren. Das macht mir Sorgen.

Und was heisst die Ablehnung für Ihren Verlag?
Bei uns sind die Bezahlzeitungen von Tamedia einerseits und die Pendlermedien von 20 Minuten andererseits als eigenständige Unternehmen organisiert. Das Reichweitenmodell von 20 Minuten war vom Medienpaket ausgeschlossen. Tamedia ist etwa so betroffen wie der Durchschnitt der Schweizer Medienbranche.

«Es gibt eine nachhaltige Geschäftsgrundlage für guten Journalismus»

Müssen deswegen nun Einsparungen gemacht werden?
Nicht unmittelbar. Aber wenn die Zustellkosten steigen und die Abopreise nicht erhöht werden können oder wenn Printabonnements nicht erneuert werden, muss das Geschäftsmodell früher adaptiert werden. Auf längere Sicht bleibe ich aber davon überzeugt, dass es in der Schweiz eine Nachfrage und damit eine nachhaltige Geschäftsgrundlage für guten Journalismus gibt.

Müsste man nach dieser Abstimmung nicht nochmals die Tarifpolitik der Post anschauen?
Die Post sollte sich im eigenen Interesse fragen, ob es richtig ist, die Kosten ihres Grundversorgungsauftrags der Zeitungsrechnung zu belasten. Wenn es weniger Zeitungen gibt, sinkt ihre Auslastung, und sie verliert wichtige Deckungsbeiträge, die sie am teuren Zeitungsvertrieb verdient. Das wird nicht linear geschehen, sondern es könnte plötzlich zu grösseren Umwälzungen kommen.

Was sind nun die nächsten Pläne des Verlegerverbandes Schweizer Medien?
Für den Verlegerverband war das Medienpaket ein guter Kompromiss und in den letzten Monaten unsere Priorität. Der notwendige Ausbau der indirekten Presseförderung war seit Jahren unser dringendstes Anliegen. Neben dem Medienpaket sind die Prioritäten des Verbands die Einführung eines Leistungsschutzrechts und eine Klärung, wofür Gebührengelder verwendet werden dürfen. Es kann nicht sein, dass das private Medienangebot durch öffentlich finanzierte Gratismedien konkurrenziert und letztlich untergraben wird. Am Ende wäre das Ergebnis das Gegenteil von einer Bereicherung der Medienlandschaft. Beim Leistungsschutzrecht hat der Bundesrat die Notwendigkeit erkannt. Das ist positiv. Realistischerweise wird der politische Prozess bis zur Umsetzung zwei bis drei Jahre dauern und uns stark beschäftigen. Neben diesen Anliegen bleibt die Förderung der Medienkompetenz der Bevölkerung die langfristig wichtigste Initiative des Verlegerverbands. Ich denke, dass die Gefahren der Manipulation unterschätzt werden. Wir müssen den unübersehbaren Tendenzen in Richtung einer Spaltung der Gesellschaft entgegenwirken, durch Grundlagenarbeit und indem wir professionellen Journalismus ermöglichen.

«Wirtschaftlich sind die Folgen der Pandemie weniger dramatisch, als ursprünglich zu befürchten war»

Wie schätzen Sie den Zustand der Schweizer Medien nach der Pandemie ein?
Gut. Während der Pandemie wurde das allgemeine Bewusstsein für die Bedeutung eines funktionierenden Mediensystems geschärft. Die Berichterstattung und die Einordnungsleistung waren nicht nur verlässlich, sondern immer wieder hervorragend. Beispielsweise auf dem neuen Gebiet des Datenjournalismus. Wirtschaftlich sind die Folgen der Pandemie weniger dramatisch, als ursprünglich zu befürchten war. Unsere grosse Herausforderung ist der Strukturwandel, der eher beschleunigt wurde. Das zeitlich befristete Medienpaket wäre sehr wichtig gewesen, um die Transformation gut zu bewältigen. Umso wichtiger sind jetzt die baldige Einführung eines Leistungsschutzrechts und eine Regulierung, die Wettbewerbsverzerrungen mit Gebührengeldern verhindert.

Und wie schätzen Sie die Medienfreiheit in der Schweiz ein?
Im Grund gut. Aber es gibt auch bei uns Schwachpunkte und Handlungsbedarf. Aktuell zeigen die internationalen Enthüllungen um die «Suisse Secrets», dass das Bankgeheimnis auch heute noch die Pressefreiheit einschränkt. Damit wird das öffentliche Interesse an der Aufarbeitung von Missständen verletzt. Ein weiteres kritisches Beispiel sind überhöhte Gebühren für den Zugang zu Dokumenten der Verwaltung. Damit wird die Kontrollfunktion der Medien erschwert. Immerhin ist das Problem erkannt und Gegenstand einer parlamentarischen Initiative. Gleichzeitig beschäftigt sich das Parlament mit einer anderen Initiative, die es einfacher machen würde, Publikationsverbote zu erwirken. Es ist wichtig, zu verstehen, dass es bei der Medienfreiheit nicht um ein partikulares Interesse geht. Die Medienfreiheit gehört zu den Voraussetzungen einer aufgeklärten Gesellschaft und dient erwiesenermassen dem Gemeinwohl.



Das vollständige Interview ist in der März-Ausgabe von «persönlich» erschienen. Informationen zum Abo finden Sie hier.



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Kommentare

  • Tina Grosjean, 08.04.2022 14:20 Uhr
    Wann kommt das "Spotify" für die News?? Ich will!!
  • Rudolf Penzinger, 08.04.2022 09:37 Uhr
    Dass die Zeitungen den "Grundversorgungsauftrag" der Post finanzieren - das glaubt wohl Supino selber nicht. Weit eher hilft ihm die Post mit ihren nicht kostendeckenden Zeitungstarifen, die Millionen seines Clans zu äufnen.
  • Victor Brunner, 08.04.2022 09:10 Uhr
    Ich bin immer wieder überrascht über den Humor von Supino: " "gedruckte Zeitungen in der föderalistischen Schweiz wichtig für die demokratische Meinungsbildung". Hat er recht, nur bildet TAmedia mit ihren "Regionalzeitungen diese Vielfalt nicht mehr ab. Supino: "eine Nachfrage und damit eine nachhaltige Geschäftsgrundlage für guten Journalismus gibt". Bevor er so etwas sagt sollte er sich in München rückversichern ob das auch die Meinung der Verleger der SZ ist.
  • Maya Ziegler, 08.04.2022 07:38 Uhr
    Preiserhöhungen bei Zeitungsabonnements sind durch nichts zu rechtfertigen. Copy-Paste so weit das Auge reicht, ungenügende Recherche und linkslastige Kommentare sind für viele Leserinnen und Leser schlicht nicht mehr tragbar. Die superreichen Verleger sollen ihr Privatvermögen einschiessen, um allfällige Liquiditätsengpässe auszugleichen . Aktionäre mögen auf Dividenden verzichten. Die meisten davon haben das Geld gar nicht nötig.
  • Claude Bürki, 08.04.2022 06:42 Uhr
    Da werden halt noch mehr Abonnenten abspringen.
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