10.01.2024

Jungfrau Zeitung

Als Plattform J in Bern angekommen

Gossweiler Media zieht definitiv in die Bundesstadt. Redaktion und Verlag der früheren Berner Oberländer Regionalzeitung beziehen im März ihren neuen Sitz im Stadtzentrum. Von hier aus wollen sie ein publizistisches Angebot für den ganzen Kanton bereitstellen.
Jungfrau Zeitung: Als Plattform J in Bern angekommen
Redaktionsleiter Matthias Mast (unten links) und Verleger Urs Gossweiler ziehen mit der Plattform J bald an der Berner Marktgasse ein. (Bilder: zVg/Keystone)

In den letzten Jahren zogen zahlreiche Medien weg aus den Stadtzentren. So siedelten sich etwa in St. Gallen, Chur oder Freiburg Verlagshäuser mit ihren Redaktionen in funktionalen Neubauten an der Peripherie an. Den umgekehrten Weg geht die Gossweiler Media AG. Das Unternehmen verlegt sein bisheriges Berner Büro vom Aussenquartier in die Altstadt. Die neue Adresse an der Berner Marktgasse dient als neuer Hauptsitz von Redaktion und Verlag der Plattform J, wie die Jungfrau Zeitung seit 2023 heisst.

2012 weg aus Brienz

Der Umzug nach Bern ist der dritte innert elf Jahren. 2012 verliess Gossweiler mit seiner Jungfrau Zeitung den historischen Standort Brienz und zog nach Interlaken. Fünf Jahre später ging es weiter nach Thun. Und jetzt in die Bundesstadt, wo man bereits seit zwei, drei Jahren Fuss zu fassen begann.

Diese Reise der Aare entlang flussabwärts folgt letztlich dem Strom des Geldes. 2020 gab die Jungfrau Zeitung ihre gedruckte Ausgabe auf und setzt seither ganz auf ein kostenloses, werbefinanziertes Angebot. Zwar fallen die Kosten für Druck und Vertrieb weg, aber auch die Erträge der Zeitungsabos fehlen. Als einzige Einnahmequelle verbleibt die Onlinewerbung. «Hier sind die Umsätze kleiner als im Print. Darum war die Ausweitung des Publikums essenziell, damit wir über die Runden kommen», sagte Verleger Urs Gossweiler im Sommer 2022 gegenüber der Medienwoche.

Berichteten die Jungfrau Zeitung und ihre Vorläufer während rund 120 Jahren über den östlichen Teil des Berner Oberlands, so richtet die Plattform J den Fokus auf den ganzen Kanton Bern. Das macht die Redaktion schon seit über zwei Jahren. Mit dem anstehenden Einzug in die neuen Räumlichkeiten wird diese Entwicklung auch infrastrukturell nachvollzogen. «Wir sind nun mittendrin im Herzen der Stadt, quasi an der Bahnhofstrasse von Bern», sagt Matthias Mast, Redaktionsleiter der Plattform J, im Gespräch mit persoenlich.com.

Gute Beziehungen zum Hauseigentümer

Dass Gossweiler Media an der vorteilhaften Lage im sogenannten Fueter-Haus zwei Stockwerke mieten kann, liegt auch an den guten Beziehungen die Matthias Mast mit Urs Fueter pflegt. Der Hauseigentümer ist der letzte Spross einer stadtbekannten Familie, die mit Herrenmode handelte, und Sohn des Schauspielers Willy Fueter. «Wir zahlen marktübliche Mieten», sagt Mast.

Auf rund 300 Quadratmetern entstehen derzeit an der Marktgasse 38 die neuen Räume der Plattform J. Neben dem Newsroom und den Büros für Verlag und Produktion wird es auch ein TV-Studio geben. Dort will die Redaktion von Dienstag bis Freitag täglich eine Talk-Sendung aufzeichnen. Schon heute spielt Video eine wichtige Rolle im Angebot. So empfängt Redaktionsleiter Mast, der das TV-Handwerk als ehemaliger TeleBärn-Talker gut kennt, regelmässig Gäste zum Gespräch.

Mit dem definitiven Umzug der Plattform J nach Bern wächst die publizistische Vielfalt in der Bundesstadt weiter. Neben Tamedia, die mit den fusionierten Titeln Bund und Berner Zeitung weiterhin die grösste Lokalredaktion unterhält, suchen seit ein paar Jahren verschiedene neue Anbieter ihr Publikum. In letzter Zeit betraten mit Hauptstadt, BärnToday und dem redaktionell ausgebauten Anzeiger Bern gleich drei neue (Online-)Lokalmedien das Feld.

Ertrag gesteigert, schwarze Zahlen

Bei so viel Konkurrenz auf einem letztlich doch überschaubaren Markt fragt sich, ob ausreichend Platz vorhanden ist für alle Angebote. Die Plattform J vermeldete jüngst eine positive kommerzielle Entwicklung mit ihrem 2020 lancierten Online-Geschäftsmodell. «Drei Jahre danach steigern wir den Werbeertrag gegenüber Vorjahr um 27 Prozent und erreichen damit wieder die schwarzen Zahlen», schrieb Verleger Urs Gossweiler kürzlich in einer Mitteilung an die Werbekunden.

Im publizistischen Wettbewerb will sich die Plattform J nicht primär politisch positionieren, wie Redaktionsleiter Matthias Mast im Gespräch erklärt. «Wir sind sicher gewerbefreundlich», sagt Mast. Das zeige sich auch an den zahlreichen bezahlten, sogenannten Premium-Beiträgen, welche die Redaktion im Auftrag von Unternehmen erstellt.

Von der Konkurrenz unterscheidet sich die Plattform J formal mit der grossen Zahl an Porträts und Interviews, diese oft auch als Video. Für das Nachrichtengrundrauschen in Text und Bild bedient sich die Redaktion grosszügig bei der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Was auch daher rührt, dass hier keine Riesenredaktion am Werk ist.

Redaktion ausgebaut

Das ganze Unternehmen der Gossweiler Media AG mit Verlag, Verkauf, Redaktion und eigener Software-Entwicklung zählt rund 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. «In den letzten Jahren haben wir stetig ausgebaut und die Redaktion ist gewachsen», sagt Mattias Mast. Eine Entwicklung gegen den Trend. Bei den grossen Medienhäusern wurde und wird weiter abgebaut.


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