14.09.2022

SwissMediaForum

Andrea Masüger will Gräben zuschütten

Der Verlegerpräsident, am Vortag zum Nachfolger von Pietro Supino gewählt, hat seine erste öffentliche Rede in der neuen Funktion gehalten. Er sprach über einen historischen Blackout, Desinformation und Selbstzerfleischung der Branche.
SwissMediaForum: Andrea Masüger will Gräben zuschütten
«Die Mitarbeiterin, die das Bild aussuchte, hatte es noch nie zuvor gesehen, geschweige denn, einen Zusammenhang mit dem Holocaust gemacht», so Andrea Masüger, neuer Verlegerpräsident, am SwissMediaForum. (Bild: Keystone/Urs Flüeler)
von Christian Beck

Zum Abschluss des ersten SwissMediaForum-Tages hat am Mittwoch der neue Verlegerpräsident das Wort ergriffen. Andrea Masüger wurde erst am Vortag zum Nachfolger von Pietro Supino gewählt (persoenlich.com berichtete). «Gerne wäre ich physisch vor Ihnen, aber Corona wollte es anders», so Masüger. Und so erschien Masüger wie auch schon an der Mitgliederversammlung des Verlegerverbandes Schweizer Medien auf der Leinwand.

Seine Rede begann mit einem Foto vom Eingangstor des KZ Dachau. Die Gemeinde Schattdorf im Kanton Uri stellte dieses Foto jüngst auf ihre Webseite neben einen Vermerk über die geschlossene Gemeindeverwaltung an Mariä Himmelfahrt. Ein peinlicher Lapsus, wofür sich die Gemeinde entschuldigte. Eine Strassenumfrage von 20 Minuten ergab schliesslich: Viele der Befragten hatten keine Ahnung, was das Foto überhaupt zeigt.

«Dies ist gefährlich: Wer über den Holocaust und über die Zeit des Nationalsozialismus nichts weiss, kann Ausgrenzung, Intoleranz und Rassismus nicht erkennen», warnte Masüger. Deshalb seien die Medien nötiger denn je. «Den historischen Blackout rund um dieses Dachau-Foto hat 20 Minuten ans Tageslicht gebracht. Eine Zeitung und ein Onlineportal, das von der Publizistikwissenschaft noch vor nicht allzu langer Zeit als Trash betrachtet wurde. Und auf das die ‹seriösen› Medienmacher mitleidig herabblickten.»

«Es braucht einen Masterplan»

Masüger wies auch auf die Desinformation über soziale Medien hin. «Wir brauchen deshalb für die freie, unmanipulierte und professionelle Meinungsbildung einen Masterplan», so der neue Verlegerpräsident. Ein erster Anlauf dazu sei am 13. Februar gescheitert, als das Medienpaket vom Stimmvolk abgelehnt wurde. «Wir haben heute in der Schweiz die besten Redaktionen, die es je gegeben hat. Wenn Sie es nicht glauben, blättern Sie mal eine Zeitung aus den Sechzigerjahren durch. Sie wird das Grausen packen.» Die Medien hätten nichts verschlafen, wie einige Politiker gerne behaupten würden. «Aber sie stossen auf das schwindende Interesse jener, die das Dachau-Tor nicht mehr kennen», so Masüger.

Bern zeige sich gegenüber dem Journalismus zunehmend skeptisch. «Aber der Verlegerverband hat sich nicht ins Schneckenhaus zurückgezogen», so Masüger. «Dabei sind wir uns bewusst, dass der Feind oft auch im Innern lauert. Der Abstimmungskampf ums Medienpaket war ein übles Beispiel der Selbstzerfleischung einer Branche, deren Akteure sich manchmal gegenseitig nicht das Weisse in den Augen gönnen.» Masüger sehe es als seine Aufgabe als neuer Verlegerpräsident, hier vermittelnd aufzutreten, gegenseitiges Verständnis zu schaffen, Gräben zuzuschütten.



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