06.07.2004

Presserat

Beschwerde gegen Wohler Anzeiger abgeschmettert

Entscheidung zu Gunsten der Kommentarfreiheit.

Am Freitag 26. September 2003 berichtete der Wohler Anzeiger unter dem Titel "Erschreckend und unfair" über die Reaktion der "Skaterszene" auf das Votum des Einwohnerrats Peter Tanner anlässlich der Behandlung des Traktandums "Skaterpark" an der Einwohnerratssitzung vom Montag 22. September 2003. Tanner hatte laut dem Wohler Anzeiger behauptet, Skater wollten cool und unverbindlich sein. Dies sei der geistige Rohstoff für Respektlosigkeit, Egoismus und Staatsabhängigkeit. Jugendliche seien sich auch keiner Verantwortung bewusst, wie Vandalenakte, Graffiti und Drogendelikte zeigen würden.

In einem Kommentar mit dem Titel "Unter der Gürtellinie" bezeichnete Chefredaktor Daniel Marti das Votum von Peter Tanner als "Tiefschlag für die Jugend". "Mit diesem Votum hat sich Peter Tanner nicht nur disqualifiziert, sondern er hat sich auch von der Jugendpolitik verabschiedet." Tanner habe in Kauf genommen, "dass der Skaterszene ein falsches Menschenbild angeheftet wird. Dafür hat nicht nur diese Szene ein Bild von ihm bekommen. Ziemlich schief, würden die Skater sagen."

Am 22. Oktober gelangte Peter Tanner daraufhin mit einer Beschwerde an den Presserat. Er rügte, der Wohler Anzeiger habe nicht unabhängig berichtet und sich nicht vom Prinzip der Fairness leiten lassen. Weiter habe ihn die Zeitung zu den ihm gegenüber erhobenen schweren Vorwürfen nicht angehört, und auch nach der Publikation sei ihm kein Recht auf Darstellung der eigenen Position gewährt worden; dies weder in Form einer Gegendarstellung, eines Leserbriefes, noch eines Inserats.

Der Artikel enthalte Unterstellungen, die auf der Grundlage seiner Fraktionserklärung nicht so interpretiert werden könnten. Zudem sei die Zeitung mit keinem Wort auf den Umstand eingegangen, dass gewisse Einwohnerräte junge Skater für die Verhandlung des Einwohnerrates mobilisiert hätten. Schliesslich sei der Autor von Artikel und Kommentar bei der Behandlung des Traktandums anlässlich der Einwohnerratssitzung nicht mehr persönlich anwesend gewesen. Als "Kompensation" beantragte der Beschwerdeführer eine Berichterstattung über den Fall im Wohler Anzeiger, "auch dann, wenn der Schweizer Presserat die Beschwerde zu meinen Gunsten entscheidet". Zudem erwarte er künftig eine wohlwollende Aufnahme und Behandlung seiner Leserbriefe.

Am 26. November wies Chefredaktor Daniel Marti die Beschwerde als unbegründet zurück. Seine Zeitung habe bereits am 23. September mit dem Artikel "Ein Zeichen für die Jugend" über die Einwohnerratssitzung vom Vorabend berichtet. Anlässlich der Redaktionssitzung vom gleichen Tag habe man beschlossen, den Vorfall noch einmal zu thematisieren. Daraufhin habe er sich in Absprache mit der Gemeinde die Tonbandaufzeichnungen der Versammlung angehört. Aus Produktionsgründen sei er tatsächlich nur während des ersten Teils der Sitzung persönlich anwesend gewesen. Hingegen hätten seine Redaktionskollegin Nathalie Büchler und Verleger Christof Nietlispach das Votum von Peter Tanner live gehört. Da sich Tanner an der Einwohnerratssitzung mehrfach klar geäussert habe und es Zweck von Bericht und Kommentar gewesen sei, den Skatern eine Stimme zu geben, habe es keinen Grund gegeben, Peter Tanner noch einmal zur gleichen Sache anzuhören.

Der Presserat hat Tanners Beschwerde jetzt als unbegründet abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. Er habe unter anderem in der Stellungnahme 16/99 i.S. H. c. Zuger Zeitung festgehalten, dass ein zugespitzter Kommentar zum Votum eines Parlamentariers innerhalb des berufsethisch Erlaubten liege, wenn die dem Kommentar zugrundeliegende Wertung für das Publikum erkennbar sei und zudem im Votum des Parlamentariers eine sachliche Grundlage finde.


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