28.09.2004

Bilanz erscheint künftig vierzehntäglich

Das Schweizer Wirtschaftsmagazin Bilanz wechselt von seinem monatlichen zu einem vierzehntäglichen Publikationsrhythmus. Dies hat die Herausgeberin Jean-Frey AG am Dienstagmorgen in einem Communiqué erklärt. Den gleichen Entscheid hat auch die Westschweizer Edipresse für ihre Bilan gefällt. "persoenlich.com" hat dazu Bilanz-Chefredaktor René Lüchinger (Bild) sowie den Zeitschriften-Chef von Edipresse, Théo Bouchat, befragt. Ihre Antworten:

Bilanz lanciert einen Angriff auf Cash. Warum haben Sie das nötig?

Dass das ein Angriff auf Cash sein soll, ist Ihre Interpretation. Ich selber würde sagen, dass sich sowohl die Wirtschaftsberichterstattung, als auch Leser- und Inseratemarkt seit der Gründung der Bilanz 1977 sehr stark verändert haben. Daran passen wir unsere Erscheinungsweise an.

Welchen konkreten Veränderungen wollen Sie begegnen?

Kampagnen werden immer kurzfristiger gebucht und sind immer häufiger auf eine kürzere Laufzeit begrenzt. Als Monatsmagazin konnten wir dem Bedürfnis der Werbetreibenden, in zwei oder drei Monaten eine bestimmte Anzahl Schaltungen zu bieten, oft nicht nachkommen. Zweitens hat auch die Informationsgeschwindigkeit zugenommen. Die Vorkommnisse um Converium beispielsweise hätten wir vor 25 Jahren noch locker als Titelgeschichte stemmen können. Das ist heute selbst mit zusätzlichen Kapazitäten nicht mehr möglich, denn die Tages- und Wochenpresse ist schneller geworden. Wir wollen denn aus der Bilanz auch kein Wochenmagazin machen, sondern ein Monatsmagazin mit Zweiwochenrhythmus -- so wie das Forbes oder Fortune in Amerika schon seit Jahren praktizieren.

Wird die Bilanz dadurch dünner?

Wir werden unsere Leser, die ohnehin viel zu lesen haben, nicht mit zusätzlichen Bergen von Lesestoff versorgen. Vielmehr wollen wir präziser auf ihre Bedürfnisse eingehen. Die durchschnittliche Ausgabe nimmt daher an Umfang ab, das journalistische Menü der Vergangenheit wird neu in zwei Gängen serviert.

Was bedeutet das für die Küchenmannschaft? Welche zusätzlichen Mittel und wie viele neue KollegInnen erhält sie?

Natürlich braucht es substantielle Zusatzinvestitionen. Auf Stellen oder Geldwert kann ich das aber nicht herunterbrechen.

Vierzehn Tage gelten in der Branche als "Nicht-Rhythmus", denn die KundInnen fragen sich dauernd: "Erscheint die Bilanz diese Woche? Oder erst nächste?" Weshalb gehen Sie dieses Risiko ein?

Vierzehn Tage sind sehr wohl ein Rhythmus, nur ist er möglicherweise weniger bekannt. Neben den genannten amerikanischen Titeln belegen auch die Frauenpresse oder der Beobachter, dass eine Zweiwochenbasis sehr wohl funktioniert. Heute erhalte ich ja immer wieder Anrufe von Lesern, die mir sagen, sie würden lieber weniger lange auf unsere nächste Ausgabe warten. Ein anderer wichtiger Punkt ist auch, dass die Bilanz anders gelesen wird: Man wirft sie nicht wie ein Newsmagazin nach den Durchblättern fort. Die Anzeigenkunden wiederum wünschen sich eine Publikation, die erstens ihr Zielpublikum erreicht, und dies -- zweitens -- mit der richtigen Kadenz. Jetzt erhalten sie beides. Entsprechend habe ich von den Agenturen auch positive Rückmeldungen erhalten.

Kam der Vorschlag denn aus Agenturkreisen? Oder wer ist sonst der Vater der Idee?

Die Idee stammt ursprünglich aus der Redaktion und ist im übrigen nicht so neu: Schon in meiner ersten Zeit bei der Bilanz zwischen 1988 und 1995 wurde sie einige Male diskutiert. Heute ist aber der richtige Zeitpunkt für den Schritt gekommen. Dies bestätigen die Analysen unserer neuen Verlagsleiterin Sandra Geiger.

Was bedeutet die Umstellung für Preise und Tarife?

Der Einzelverkaufspreis wird von zwölf auf acht Franken reduziert, das Abonnement wird leicht teurer, und die Anzeigenpreise passen wir nach unten an.

Ein höherer Rhythmus heisst weniger Vorbereitungszeit und damit weniger Tiefe. Was tun Sie gegen den drohenden Qualitätsverlust?

Wir werden die einzelnen Nummern rollend angehen und sicher nicht die ganze Redaktion auf die jeweils kommende Ausgabe ansetzen. Entsprechend wird sich auch die Netto-Recherchezeit nicht wahnsinnig verändern, denn wir wollen, wie gesagt, kein verkapptes Wochenmagazin machen. Mit drei Telefonanrufen eine drei Seiten lange Geschichte zu machen, wie das die Konkurrenz manchmal muss, das wird es bei uns nicht geben.

Was wird sich bezüglich der Themen und ihrer Gewichtung ändern?

Ich möchte die Veränderungen nicht im Detail bekannt machen, weil sie sonst ein zu starkes Gewicht erhalten -- lassen Sie sich überraschen! Grundsätzlich bleibt die Bilanz die Bilanz. Der Claim, den wir uns redaktionsintern gegeben haben, lautet: "Köpfe, Karriere, Kapital, and how to spend it". Wir werden unsere Themen weiterhin selber suchen und selber entscheiden, was für unsere Leser relevant ist. Dadurch entgehen wir der Gefahr, aus Aktualitätszwang warme Luft zu produzieren. Dieses Vorgehen hat bis jetzt auch gut funktioniert, wie zum Beispiel der Fall Adecco zeigte, wo die Geschichten der Bilanz sicher zu den relevantesten gehörten.

Erklären Sie zum Schluss noch, warum das nun kein Angriff auf Cash sein soll.

Weil man die Bilanz nicht gegen jemanden machen muss. Vielmehr soll sie sich dort eigenständig entwickeln, wo wir dafür eine Notwendigkeit sehen.

(Interview: Alain Egli).


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