18.10.2023

Tagesschau

Blinder Fleck in der Berichterstattung

Eine aktuelle Untersuchung zeigt, wie die Tagesschau von SRF verschwindend wenig über den Globalen Süden berichtet. Das Schweizer Fernsehen verteidigt seine Berichterstattung.
Tagesschau: Blinder Fleck in der Berichterstattung
Gregor Meier, Nachrichtenchef SRF, hält die bescheidene Berichterstattung aus dem Globalen Süden in der Tagesschau für «nachvollziehbar, gerechtfertigt und publizistisch richtig». (Bilder: Keystone/Michael Buholzer und zVg)

Wer sich mit der Tagesschau des Schweizer Fernsehens SRF über das Weltgeschehen informiert, erfährt von gewissen gewichtigen Vorgängen und Vorkommnissen nur wenig – oder gar nichts. Eine aktuelle Analyse der Tagesschau-Sendungen von 2022 stellt ein grosses Manko bei der Berichterstattung aus dem Globalen Süden fest.

Die Schweiz und der Globale Norden dominieren

Der Germanist und Historiker Ladislaus Ludescher wertete 365 Sendungen der Tagesschau-Hauptausgabe von 19.30 Uhr aus. Sein Augenmerk richtete Ludescher auf die geografische Verteilung der gesendeten Beiträge. Dabei zeigte sich ein klares Muster: Die Schweiz und der Globale Norden dominieren in der Berichterstattung mit rund 90 Prozent der Sendezeit. Der Globale Süden macht entsprechend 10 Prozent aus.

Konkret heisst das, dass Krisen und Katastrophen, wie etwa die Bürgerkriege in Tigray (Äthiopien) oder Jemen kaum oder gar nicht vorkommen in der Tagesschau. Aus nachvollziehbaren Gründen dominierte 2022 der Krieg in der Ukraine die Auslandsberichterstattung mit im Durchschnitt gut fünf Minuten je Sendung. Für den Krieg in Tigray wendete die Tagesschau gerade mal 150 Sekunden auf – über sämtliche Sendungen des Jahres. Über die Situation in Jemen, von der UNO als «weltweit schlimmste humanitäre Krise» eingestuft, berichtete die Tagesschau im vergangenen Jahr kein einziges Mal.

«Mediale Blindheit für den Globalen Süden»

Medienforscher Ladislaus Ludescher sieht damit die Ausgewogenheit der Berichterstattung in Gefahr. «Es droht eine mediale Blindheit für Themen des Globalen Südens», schreibt er in seiner Analyse. (Siehe auch das Interview mit Ludescher auf persoenlich.com.)

Beim Schweizer Fernsehen sieht man darin indes kein Problem. Auf Anfrage von persoenlich.com nimmt Nachrichtenchef Gregor Meier Stellung. «Wir versuchen natürlich, eine globale Berichterstattung sicherzustellen, und haben auch mehrere Korrespondentinnen und Korrespondenten in der südlichen Hemisphäre», teilt Meier mit. Aber es lasse sich nicht wegdiskutieren, dass das Schwergewicht der Tagesschau-Berichterstattung aus dem Globalen Norden komme, so der SRF-Journalist weiter. Meier erklärt das mit unserer eigenen Zugehörigkeit zum Globalen Norden, andererseits dem Einfluss, der Bedeutung und der Relevanz der Grossmächte und der geopolitisch zentralen Mächte.

«Nachvollziehbar, gerechtfertigt und publizistisch richtig»

Der Krieg in der Ukraine, der Konflikt im Nahen Osten und die Spannungen um Taiwan – die drei wichtigsten und für uns folgenreichsten Konfrontationen – spielten sich allesamt auf der Nordhalbkugel ab. «Insofern sehen wir die Verteilung zwischen Norden und Süden zwar durchaus als relativ einseitig an, gleichzeitig aber auch als nachvollziehbar, gerechtfertigt und publizistisch richtig», bilanziert Gregor Meier von SRF.


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