15.02.2018

Journalismus vs. PR

Brauerei klaut Text bei AZ-Journalist

Für eine eigene Medienmitteilung hat die Bierbrauerei Schützengarten aus der «az Nordwestschweiz» abgekupfert. Dies könnte rechtliche Folgen haben, sagt ein Jurist. Er empfiehlt jedoch Schadenersatz und Genugtuung – in flüssiger Form.
Journalismus vs. PR: Brauerei klaut Text bei AZ-Journalist
In den Speisewagen der SBB werden künftig Biere regionaler Brauereien ausgeschenkt, darunter auch solche der Brauerei Schützengarten. (Bild: zVg.)

Da schäumte nicht nur das Bier. Als Philipp Felber, Journalist im Wirtschaftsressort der «az Nordwestschweiz», die Medienmitteilung der Brauerei Schützengarten zu Gesicht bekam, machte er gleich in den sozialen Medien seinem Ärger Luft:


Was ist passiert? Mitte Dezember vergangenen Jahres begann Felber mit einer Recherche, nachdem die SBB den Auftrag für neue Bierlieferanten ausschrieb. «Als dann am Montag die Zuschläge auf Simap veröffentlicht wurden, habe ich die Brauereien kurz abtelefoniert und daraus den Artikel verfasst», sagt der Journalist auf Anfrage von persoenlich.com. Erschienen ist der Artikel unter dem Titel «Kein Heineken-Bier mehr in den SBB-Speisenwagen – dafür kommen diese Brauereien zum Handkuss» am Montagnachmittag zuerst online, am Dienstag dann im Print.

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Am Mittwoch entdeckte Felber in einer anderen Zeitung einen Text zum selben Thema. «Zuerst hatte ich eine Kollegin in Verdacht, dass sie meinen Artikel abgekupfert hat», sagt Felber. Schnell jedoch wurde klar, dass die St. Galler Brauerei Schützengarten eine Medienmitteilung verschickt hatte und sich dafür grosszügig bei Felbers Artikel bediente. Der Wortlaut der Medienmitteilung ist in weiten Bereichen identisch mit dem Artikel in den Titeln der «az Nordwestschweiz». «Das hat mich verärgert», so der Journalist.

Schadenersatz und Genugtuung

Martin Steiger, Anwalt für Recht im digitalen Raum, kann Felbers Ärger verstehen. «Wer die Medienmitteilung zuerst liest, könnte glauben, Philipp Felber habe die Medienmitteilung weitgehend übernommen und nicht umgekehrt», sagt Steiger zu persoenlich.com.

In rechtlicher Hinsicht müsste man prüfen, ob unlauterer Wettbewerb oder eine Urheberrechtsverletzung vorliege. «Die Übernahme des Textes ist allenfalls auch persönlichkeitsverletzend», so der Zürcher Jurist. In jedem Fall könnte man Schützengarten abmahnen, das heisst darauf hinweisen, dass man die Übernahme des Textes für unzulässig hält.

Ausserdem könnte ein Vorschlag für die Leistung von Schadenersatz und Genugtuung unterbreitet werden. Steiger geht davon aus, dass bei Schützengarten jemand einen Fehler begangen habe und dass sich Schützengarten entschuldigen sowie den Sachverhalt richtigstellen werde. «Naheliegend wären Schadenersatz und Genugtuung in Form einer grosszügigen Lieferung von Bier an die AZ-Redaktion», so der Rechtsanwalt. Er empfehle «La Nostra» der Schützengarten-Tochterbrauerei Birrificio Ticinese San Martino. «Zumindest aus eigener Erfahrung», so Steiger mit einem Augenzwinkern.

Fehler passierte extern

Bei der Brauerei Schützengarten ist Hopfen und Malz nicht verloren – das Bedauern ist gross. «Es ist uns klar ein Fehler unterlaufen und wir entschuldigen uns bei Herrn Felber dafür», sagt Marketingleiter Roger Tanner. Der Fehler passierte jedoch extern.

Das PR-Mandat für die Brauerei Schützengarten hat Bosshart Kommunikation im sankt-gallischen Gossau. Am Montagabend habe er die Information erhalten, dass er eine Medienmitteilung verfassen soll, sagt Firmeninhaber Herbert Bosshart am Telefon. Die Info erhielt er zusammen mit ein paar Stichworten und dem Link zum Artikel auf dem Onlineportal der «Aargauer Zeitung». Am Dienstagmorgen wurde die fertige Mitteilung schliesslich durch die Brauerei verschickt. «Es war eindeutig mein Fehler, der unter Zeitdruck und Informationsmangel entstanden ist», gesteht Bosshart ein, der nach eigenen Angaben selber seit 40 Jahren Journalist ist. «Ich hätte ganz klar auf die Ursprungsquelle verweisen müssen. Es tut mir aufrichtig leid.»

Mittlerweile hat sich Bosshart auch bei Felber für das Plagiat entschuldigt. «Ich habe die Entschuldigung angenommen», sagt der Autor. Fügt aber an: «Auch wenn er unter Zeitdruck arbeitete, wäre zumindest der Hinweis auf meinen Artikel fair gewesen.»


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KOMMENTARE

Tek Berhe
15.02.2018 17:09 Uhr
Gallus und IPA sind spitze!!! Gallus 612 eine Erfolgsgeschichte...!
Gotthard Andermatt
15.02.2018 16:35 Uhr
Auch Bierbrauer sollten wissen, dass Journalismus und Public Relations zwei verschiedene Biere sind. Es empfiehlt sich daher, auf "Kommunikationsagenturen" zu verzichten, die behaupten, in beiden Sparten zu Hause zu sein. Wer Journalismus und Werbung vermischt, ist immer unglaubwürdig.
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