03.06.2015

Türkei

"Cumhuriyet"-Chefredaktor von Erdogan angezeigt

Der Zeitung wurde nach einem regimekritischen Artikel gedroht.

Dem Chefredaktor der regierungskritischen türkischen Zeitung "Cumhuriyet" droht wegen einer Anzeige von Präsident Recep Tayyip Erdogan nach eigenen Angaben lebenslange Haft. "Cumhuriyet"-Chef Can Dündar schrieb am Dienstagabend auf Twitter, das geforderte Strafmass belaufe sich auf zweimal lebenslänglich und 42 Jahre Haft.

Erdogan reichte nach Angaben der regierungsnahen Nachrichtenagentur Anadolu persönlich Strafanzeige gegen den Regierungskritiker ein. Grund ist ein von Dündar verfasster Bericht über angebliche Waffenlieferungen von der Türkei an Extremisten in Syrien. Türkische Prominente wie Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk solidarisierten sich in der Mittwochsausgabe der "Cumhuriyet" mit Dündar. Pamuk schrieb, die Pressefreiheit sei ein unverzichtbarer Teil der Demokratie und dürfe der Aufregung und dem Ärger vor der Wahl nicht zum Opfer fallen.

Die Türken wählen am Sonntag ein neues Parlament. Aufnahmen sollen Waffenlieferungen belegen "Cumhuriyet" hatte vergangene Woche Aufnahmen veröffentlicht, die eine Waffenlieferung für Extremisten in Syrien aus der Türkei Anfang 2014 belegen sollen. Die Behörden hatten eine Nachrichtensperre über den Fall verhängt. Die türkische Staatsanwaltschaft leitete am Freitag Ermittlungen gegen "Cumhuriyet" wegen Terrorpropaganda und Spionage ein. Am Montag drohte Erdogan dem "Cumhuriyet"-Chef und sagte, der Autor werde einen "hohen Preis" für die Veröffentlichung bezahlen.

Nach Darstellung der türkischen Regierung handelte es sich bei der Lieferung um Hilfsgüter. Erdogan wirft Dündar in seiner persönlichen Anzeige unter anderem politische und militärische Spionage vor, wie Anadolu berichtete. Emma Sinclair-Webb, Türkei-Expertin der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, verurteilte die Ermittlungen am Mittwoch in einer Mitteilung als "neuesten Angriff auf Medien, die die Regierung herausfordern". Sinclair-Webb forderte eine Einstellung des Verfahrens. Die politische Führung der Türkei solle zudem aufhören, Journalisten zu drohen.


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