Mona Vetsch, Ihr Reportageformat «Mona mittendrin» wird zum 50. Mal ausgestrahlt. Wie feiern Sie?
Wir stecken mitten in der Produktion neuer Folgen. Deshalb haben wir vorgefeiert. Letzten Sommer gabs in meinem Schrebergarten ein Fest fürs ganze Team.
Im Oktober 2017 gingen Sie mit «Mona mittendrin» erstmals auf Sendung (persoenlich.com berichtete). Haben Sie von Anfang an daran geglaubt, dass dieses Format so gut funktioniert?
Geglaubt weniger, aber gehofft. Ich meine, wenn Du sagst, «wir machen eine Sendung über Spitex, Entsorgungswesen oder trockene Alkoholiker», das klingt jetzt nicht nach Clickbaits. Umso mehr freut es uns, dass Themen und Menschen jenseits der grossen Schlagzeilen so viel Zuspruch bekommen.
«Das Leben schreibt die besten Geschichten»
Wie lautet das Erfolgsrezept?
Wir vertrauen auf die Magie des Alltags und das Miterleben. Das Leben schreibt die besten Geschichten, man muss nur mit Neugier hinschauen. Ich denke, was unser Format auch auszeichnet, ist, dass wir die ganze Palette menschlicher Stimmungen zeigen – von schwer bis leichtfüssig. In ernsten Themen steckt ja auch immer Hoffnung. Die «Seele» unserer Sendung sind immer die Menschen, die mich so nahe an sich heranlassen und mir Einblick in ihre Leben geben.
Unter anderem für «Mona mittendrin» haben Sie 2017 nach 17 Jahren als Morgenmoderation von SRF 3 aufgehört. Haben Sie diesen Schritt bis heute nie bereut?
Radio und ich, das bleibt Liebe. Audio wurde ja schon diverse Male totgesagt. Der Boom von Podcasts beweist das Gegenteil. «Lange Gespräche sind nicht mehr zeitgemäss», bekam ich etwa zu hören, als ich vor 15 Jahren das Team der SRF-3-Gesprächssendung «Focus» leitete. Heute bleibt mein Teenager-Sohn bis Mitternacht wach, weil dann die neueste Folge seines Lieblings-Podcasts erscheint. Und den «Focus» gibts immer noch.
Nun soll es am Donnerstag eine verlängerte Jubiläumsausgabe geben. Was dürfen die Zuschauerinnen und Zuschauer erwarten?
Eine Antwort auf die Frage: «Wie ging es weiter?». Wir besuchen die Eltern der Zwillinge, die wir auf der Neonatologie Aargau in schweren Tagen begleitet haben. Und treffen weitere Menschen, die beim Publikum viel ausgelöst haben. Die Sendung führt mich auch zurück an den Ort meiner grössten Niederlage: in die Sterneküche von Tanja Grandits (lacht). Mit ihr gibts einen Blick «hinter die Kulissen» unserer Sendung.
Und welche dieser Geschichten hat Sie persönlich am meisten berührt?
Alle, in die Kinder involviert sind. Diese Themen gehen mir am nächsten. Wie kürzlich die Begegnung mit Familien, bei denen Vater oder Mutter verstorben ist. Bei der Reportage von der Kinderkrebsstation musste ich kurz unterbrechen. Ich war mir nicht sicher, ob ich das aushalte.
In einer 2019 ausgestrahlten Folge begleiteten Sie die Berufsfeuerwehr Basel. Sie erlebten mit, wie ein Mann vor laufender Kamera leblos geborgen wurde. Gezeigt wurde der Reanimationsversuch, der zum Prozedere eines Notfalleinsatzes gehört. Wie lange verfolgten Sie diese Bilder?
Das war ein schwieriger Moment für uns alle. Es gab anschliessend mit den Rettungskräften ein Debriefing. Die Ruhe und Sachlichkeit, mit der Notfallärztin und Feuerwehrleute über die Umstände informierten, haben mir persönlich geholfen.
Für diese Folge gab es viel Kritik. Man hätte die – wenn auch kurze und verpixelte – Szene, in der um das Leben des Mannes gekämpft wurde, nicht zeigen dürfen. Dies sagte Diego Yanez, früherer Chefredaktor beim Schweizer Fernsehen, in einem Interview. Mit etwas Abstand: Wie beurteilen Sie diese Szene heute?
Aus journalistischer Warte betrachtet haben wir die Szene korrekt wiedergegeben. Dies hat die Ombudsstelle in ihrem Bericht bestätigt. Die Person war anonymisiert und unkenntlich, weder Menschenwürde noch Persönlichkeitsrechte wurden verletzt. Persönlich tut mir sehr leid, was die Angehörigen des Mannes im Zuge der Medienberichterstattung erleben mussten. Das habe ich ihnen im persönlichen Gespräch auch mitgeteilt.
«Es gibt so viele Parallelwelten in der Schweiz.»
Sie wissen jeweils nicht, wo eine Sendung gedreht wird. «Ich habe Risiko per se sehr gern», sagten Sie zwar 2020 im persoenlich.com-Videoformat «Creative Coffee». Gab es dennoch eine Folge, in der es selbst Ihnen zu viel des Risikos wurde?
Ich wusste, irgendwann kommt der Moment, wo mich eine Reportage in die Erotikbranche führt. Die Sendung haben wir eben gedreht. Ohne zu spoilern: Da bin ich an persönliche Grenzen gestossen.
50 Sendungen «Mona mittendrin» gab es bereits. Wird es 50 weitere geben?
Wenn das Publikum dabei ist, warum nicht? Mich würde es freuen.
Ein Kernanliegen des Formats ist das Brückenschlagen in der Gesellschaft. Wo möchten Sie unbedingt noch mal eine Brücke schlagen?
Da muss ich nur durchs Fenster schauen. Nebenan ist eine grosse Siedlung mit Sozialwohnungen. Ich stehe mit den Bewohnerinnen und Bewohnern tagtäglich an der Bushaltestelle, aber wir unterhalten uns nie. Es gibt so viele Parallelwelten in der Schweiz. Die Gräben werden zurzeit eher wieder tiefer, dünkt mich.