17.11.2019

Mona mittendrin

SRF missachtet eigene Leitlinien

In der Sendung von Mona Vetsch stirbt ein Mann vor laufender Kamera. Das hätte man nicht zeigen dürfen, sagt Diego Yanez vom MAZ. Der Fokus sei auf die Feuerwehrleute gelegt worden, die versucht hätten, Leben zu retten, heisst es bei SRF.
Mona mittendrin: SRF missachtet eigene Leitlinien
Mona Vetsch ist betroffen vom soeben Erlebten. (Bild: Screenshot SRF)

In der Sendung «Mona mittendrin» vom Donnerstagabend war zu sehen, wie die Berufsfeuerwehr Basel vergeblich um das Leben eines Mannes kämpft. Die Szene, wenn auch nur kurz und mit einem Unscharffilter versehen, polarisiert. Darf man einen Menschen beim Sterben zeigen? Nein, sagt Diego Yanez, Direktor der Journalistenschule MAZ und früherer Chefredaktor beim Schweizer Fernsehen. «Ich bin überrascht, dass man das getan hat», so Yanez zu Radio SRF. Er verweist im Radiointerview auf die publizistischen Leitlinien von SRF, wo es wortwörtlich heisst: «Wir zeigen keine sterbenden Menschen.» In diesem Fall seien also die eigenen Leitlinien missachtet worden, so Yanez.

LeitlininienSRF

Warum also zeigte SRF die Szene des sterbenden Mannes trotzdem? «Wir haben ja unseren Fokus nicht auf die sterbende Person gelegt, sondern auf die Feuerwehrleute, die versuchen, Leben zu retten», sagt Daniel Pünter, Bereichsleiter Dokumentation und Reportage, in einem Radiobeitrag von Klaus Bonanomi. Und Leben retten gehöre zum Alltag von Feuerwehrleuten. Zudem sei die Szene nur ein kurzer Bestandteil der Sendung gewesen, und man habe darauf geachtet, dass die Person keinesfalls erkennbar gewesen sei.


Rückendeckung erhält Pünter von Medienjournalist Christian Mensch. «Dieser Voyeurismus ist aus guten Gründen Geschmackssache, er ist jedoch legitim und nicht ohne Nutzen», schreibt er in einem Kommentar in der «Schweiz am Wochenende». Zum Boulevardjournalismus gehöre es, zuweilen schmerzhaft nahe bei den Leuten zu sein. «Im konkreten Fall auch mit der Kamera draufzuhalten, wenn ein Mensch stirbt.» Nun liege es an der Gesellschaft zu verhandeln, was für sie richtig und was falsch sei.

Und auch Rainer Stadler schreibt in der Samstags-Ausgabe der NZZ: «Optimisten werden dieser Realitätsferne etwas Positives abgewinnen können. Hier wurde – so liesse sich ableiten – eine Art Volkshochschule veranstaltet, welche das Nachdenken über ethische Fragen wachhält.» Nachdem sich nun auch noch die Schwester des Verstorbenen im «Blick» über die Ausstrahlung des Films empört habe, ist für Stadler klar: «Nun ist wohl der gesamte Treibstoff für diese Story verbrannt.»

«Blick» veröffentlicht Identität

Die Identität des Toten ist dem TV-Team von SRF laut eigenen Angaben nicht bekannt gewesen. «Wir bedauern natürlich, dass nun die Identität an die Öffentlichkeit gekommen ist und der Tote bei vollem Namen genannt wird», sagte Pünter gegenüber Radio SRF weiter – und spricht damit die «Blick»-Berichterstattung vom Freitag an. «Es handelt sich um eine Person, die verschiedentlich im TV und in Zeitungen war und auch unseren Leserinnen und Lesern bekannt war», begründet Christian Dorer, Chefredaktor Blick-Gruppe, in einem persoenlich.com-Interview das öffentliche Interesse.

Bereits am Mittwoch zeigte der «Blick» noch vor Ausstrahlung von «Mona mittendrin» Screenshots aus einer Voransichtssendung. SRF forderte «Blick» auf, die Bilder wieder zu löschen. (cbe)



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Kommentare

  • Ueli Custer, 18.11.2019 08:05 Uhr
    Wer die Szene gesehen hat (wie ich) kann da beim besten Willen nichts skandalöses entdecken. Skandalös ist nur die Enthüllung der Identität durch den Blick. Auch wenn es möglich war, dass man den ansonsten völlig unbekannten Mann schon mal im TV gesehen haben könnte, besteht noch lange kein öffentliches Interesse an der Publikation der Identität.
  • Tek Berhe, 18.11.2019 07:48 Uhr
    Also Kollateralschaden. Ein wichtiger Kommentar im heutigen St. Galler Tagblatt zur Rolle des Zuschauers von ‚Young Kücken‘!
  • Victor Brunner, 17.11.2019 17:23 Uhr
    «Wir haben ja unseren Fokus nicht auf die sterbende Person gelegt, sondern auf die Feuerwehrleute, die versuchen, Leben zu retten», sagt Daniel Pünter, Bereichsleiter Dokumentation. Der Fokus lag auf der sterbenden Person sonst hätte ja die Kamera wegschwenken können. Es ging nur um abartige Sensationslust und um Quoten. Darum auch die Zusammenarbeit mit BLICK, der musste die "Strasse" mobilisieren! Die Personalzugänge von Leutschenbach an die Dufourstrasse zeigen Wirkung!
  • Robert Weingart , 17.11.2019 12:04 Uhr
    Die Aussage von Pünter zeigt, dass er es offenbar nicht richtig begriffen hat.
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