24.08.2017

Umbau bei Tamedia

«Damit ist kein Einsparziel verbunden»

Kein Stein bleibt auf dem anderen: Nach weitreichenden Umstrukturierungen leitet Arthur Rutishauser ab 2018 die Redaktion Tamedia Deutschschweiz. In den kommenden Wochen würden die Ressortleiter bestimmt, sagt er im Interview. Für die einzelnen Zeitungen verantwortlich seien die Chefredaktoren.
Umbau bei Tamedia: «Damit ist kein Einsparziel verbunden»
Der neue Tamedia-Chefredaktor Deutschschweiz: Arthur Rutishauser. (Bild: zVg.)
von Michèle Widmer

Herr Rutishauser, der angekündigte Umbau ist sehr umfassend. Wie behalten Sie da den Überblick?
Genau gleich, wie ich das auch heute schon in meiner Doppelfunktion als Chefredaktor von «Tages-Anzeiger» und «SonntagsZeitung» handhabe. Ich habe sehr erfahrene Kolleginnen und Kollegen an meiner Seite, die mich in meinen Aufgaben unterstützen.

Die Frage, die wohl vielen auf der Zunge brennt: Ein riesiger Umbau, aber kein Stellenabbau. Wie will Tamedia mit den Umstrukturierungen kurzfristig sparen?
Es geht nicht darum, kurzfristig zu sparen, sondern uns so aufzustellen, dass wir langfristig gute und erfolgreiche Zeitungen machen und uns weiterentwickeln können. Die Bündelung der Ressourcen ermöglicht schlagkräftige Teams mit höherer Dossierkompetenz und mehr Recherchekapazität. Zudem werden wir fähig, neue Kompetenzen und Angebote zu entwickeln. Mit der Neuorganisation der Redaktionen sichern wir die wirtschaftliche Eigenständigkeit und damit die journalistische Unabhängigkeit unserer Zeitungen.

Abgänge sollen künftig nicht mehr neu besetzt werden. Was ist Ihre Strategie: Druck ausüben, so dass die Mitarbeiter von selbst gehen?
Alle Mitarbeitenden haben ab 1. Januar 2018 eine Aufgabe in einer der Redaktionen. Aber ja, wir werden aufgrund der rückläufigen Werbeeinnahmen in den kommenden Jahren nicht alle frei werdenden Stellen besetzen können.

In den Berner Redaktionen befürchtet man, dass der Stellenabbau zu einem späteren Zeitpunkt folgen wird. Gibt es 2019 Kündigungen?
Nochmals: Mit der Einführung der neuen Organisation sind keine Kündigungen verbunden. Ob die allenfalls in einem Jahr oder später notwendig sein werden, hängt vom Werbemarkt und den Digitalumsätzen ab. Ich hoffe, und das ist die Absicht, dass es ohne geht.

Welchen Sparauftrag haben Sie als Tamedia-Chefredaktor gefasst?
Mit der Neuorganisation ist kein Einsparziel verbunden. Als zukünftig stärkste Redaktion der Schweiz möchte die Redaktion Tamedia gute Mantelinhalte für alle Zeitungstitel erstellen.

Wie viele Leute sind Ihnen neu unterstellt?
Die Organisation und Etablierung der neuen Einheiten braucht noch etwas Zeit, ich weiss das deshalb heute noch nicht genau. In den nächsten Wochen wollen wir die Ressortleiter bestimmen, dann bis Ende November mit allen Mitarbeitenden sprechen. Dann wissen wir mehr.

Zwei sogenannte Tamedia-Redaktionen sind geplant. Kompetenzzentren gibt es allerdings drei – eines noch in Bern. Hat Tamedia da eingelenkt, wegen der Proteste um den Medienplatz Bern?
Da liegt offenbar ein Missverständnis vor. Die Redaktion Tamedia wird in Bern mit einem grossen Hauptstadtbüro präsent sein, das nicht nur über Bern und das Bundeshaus, sondern auch über Wirtschaftsthemen und Sport berichten wird. Das war immer der Plan, und es ist eine grosse Chance, redaktionell noch stärker zu werden als bisher. Mit Adrian Zurbriggen, heute stellvertretender Chefredaktor der «BZ Berner Zeitung», wird ein Berner von Bern aus stellvertretender Chefredaktor der Redaktion Tamedia. Mit den Kompetenzzentren sind die fusionierten Mantelressorts gemeint, die organisatorisch den einzelnen Mitgliedern der Chefredaktion Tamedia zugeordnet werden.

Wird es in diesem Hauptstadtbüro eigene Wirtschafts-, Inland-, Ausland- und Sportjournalisten geben?
Mit Ausnahme des Auslandressorts wird das so sein. In der Kombination wollen wir eine optimale Aufstellung. Vorgesehen ist beispielsweise, dass wir im Bereich Wirtschaft über bundesnahe Betriebe aus Bern heraus berichten, über den Bankenplatz in Zürich.

Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden den Arbeitsort wechseln müssen?
Wir halten an den regionalen Standorten fest. Bern, Lausanne und Zürich bleiben wichtige Redaktionsstandorte. Gewisse Verschiebungen zwischen Bern, Winterthur und Zürich sind sicher möglich, das werden wir in den nächsten Wochen im Detail klären.

Als Tamedia-Chefredaktor verantworten Sie künftig zehn Bezahlzeitungen in der Deutschschweiz. Wer trägt die publizistische Verantwortung bei den Titeln: Sie oder die jeweiligen Chefredaktoren?
Das Gesicht dieser Zeitungen sind die Chefredaktorinnen und Chefredaktoren der Titelredaktionen. Wir stellen einen wichtigen Teil des Inhalts zur Verfügung, den wir zu verantworten haben. Aber die Chefredaktorinnen und Chefredaktoren sind für die individuelle Positionierung, politische Grundausrichtung und konzeptionelle Gestaltung der Titel verantwortlich.

Sie leiten zudem die «SonntagsZeitungs»-Redaktion. Judith Wittwer wird neue «Tages-Anzeiger»-Chefredaktorin. Welche Aufgaben übernehmen die bisherigen Redaktionsleiter Iwan Städler (Tagi) sowie Andrea Bleicher und Andreas Kunz (SoZ)?
Iwan Städler übernimmt in der Redaktion Tamedia die Ressorts Ausland, Kultur und Gesellschaft sowie die Funktion als Chef der Blattmacher. Andrea Bleicher und Andreas Kunz bleiben in ihren bisherigen Funktionen.

Wie man hört, plant Tamedia im Mantel eine «Seite 3» mit Hintergrundgeschichten, wie man sie aus der deutschen Presse kennt. Wie viele Journalisten wird das neue Team umfassen?
Wir sind erst in der Planung, es ist noch zu früh zu sagen, wie gross das Team sein wird. Aber wir wollen beim «Tages-Anzeiger» und beim «Bund» jeden Tag einen besonderen Akzent setzen. Beim Tagi auf Seite 3, beim Bund normalerweise auf Seite 2. Die Seite ist Bestandteil des sogenannten Mantel extended. Sie wird manchmal, aber nicht jeden Tag, auch den anderen Partner-Zeitungen vererbt.

Der Tagi hat ja bereits ein Hintergrund/Recherche-Ressort. Inwiefern werden sich die Inhalte unterscheiden?
Das Recherchedesk wird neu in der Redaktion Tamedia angesiedelt sein. Das Hintergrund-Team des «Tages-Anzeigers» wird künftig vor allem Inhalte für die «Seite 3» erstellen. Die meisten der bisherigen Hintergrund-Autoren werden organisatorisch beim «Tages-Anzeiger», also bei Judith Wittwer, angegliedert.


Die Fragen wurden schriftlich beantwortet.



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Kommentare

  • Jean Bouvier, 27.08.2017 07:48 Uhr
    Supinos Rolle im Familienclan: Geld verdienen Die "NZZ am Sonntag" vom 27.08.2017 über den Tamedia-Verleger Pietro Supino: "Muss er sich selbst etwas beweisen? Oder seiner Familie? Das Erbe von Ururgrossvater und Firmengründer Otto Coninx-Girardet ist mit einer Bürde verbunden. Die weit­verzweigte Familie besteht Jahr für Jahr auf Dividendenzahlungen. Allein im vergangenen Jahr flossen über 34 Millionen Franken. - Pietro Supino mag kein geborener Verleger sein. Aber als Verleger Geld zu verdienen, ist die Rolle seines Lebens. Und das geht manchmal auf Kosten der Journalisten."
  • Marisa Schindler, 24.08.2017 07:56 Uhr
    "Das Gesicht dieser Zeitungen sind die Chefredaktorinnen und Chefredaktoren." Wie wahr Herr Rutishauser mit dieser Aussage hat, weiss er wohl selber nicht. Jedenfalls kennen wir jetzt sein wahres Gesicht!
  • Andrea Pedrazzini, 24.08.2017 07:18 Uhr
    «Damit ist kein Einsparziel verbunden» - nur höhere Tantiemen für den Eigentümer-Clan und das Management!
  • Robert Steiner, 24.08.2017 06:24 Uhr
    "Mit der Neuorganisation ist kein Einsparziel verbunden." (Rutishauser) - Glaubwürdigkeit war früher einmal ein Massstab, an dem Zeitungen und ihre Chefredaktoren gemessen wurden...
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