24.09.2004

Walter Bosch

"Das läuft im Journalismus falsch"

Verleger in die Pflicht genommen.

Am Jahreskongress der Schweizer Presse erklärte Walter Bosch den Verlegern was im Journalismus falsch läuft. In seiner Rede, die nun in der Weltwoche abgedruckt ist, meint er, das Leserverluste durch die Zunahme von Konkurrenz, Fernsehkonsum und kleineren Haushaltsbudgets erklärt würden. Nach Bosch ist der Hauptgrund aber ein anderer: Das Vertrauen der Leser schwinde, weil die Printmedien die Qualität als untergeordneten Faktor im Marketingmix behandeln.

Bosch sagt, dass die Leser genug haben von Thesenjournalismus, Pseudo-Primeurs, Respektlosigkeit, Vermischung von Artikel und Kommentar, Leichtfertigkeit und tendenziöser Gewichtung der Themen. Die Abneigung des direkten Demokraten gegen Bevormundung und Manipulation werde unterschätzt. Der Leser wolle Information, Fakten und auch Meinungen, aber er wolle nicht manipuliert werden.

Bosch ruft die Verleger dazu auf, nicht immer neue Legenden um den Leserschwund zu konstruieren und sie am Ende selber zu glauben. Er schlägt vor, dass man sich wieder mehr um den Inhalt der Produkte und weniger ums Marketing kümmere. Der gutwillige Leser dürfe auch nicht mehr mit Auswüchsen des Mid-Risk-Journalismus belästigt werden.

Von den Verlegern bekämpft werden müsse erstens der Thesenjournalismus, welcher eine gnadenlose Verfolgung eines Vorurteils darstelle. Die Story sei geschrieben, bevor sie recherchiert sei; Halbzitate würden zusammenklittert, bis die These gestützt sei und der Rest, der stört, dann weggelassen. Dies nennt Bosch Betrug am Opfer und am Leser.

Zweitens müsse die Jagd nach Primeurs abgeblasen werden. Denn was auch nur im Entferntesten an eine News-Story erinnere, werde zur Schlagzeile aufgeblasen. Es interessiere niemanden, dass diese "Enthüllungsstorys" im Verlaufe der Woche mangels Hard Facts wieder abstürben.

Bosch kritisiert auch die Leichtfertigkeit, mit der mit Menschen umgegangen werde, den Mangel an Respekt und das Fehlen jeglicher Vorstellung darüber, was gewisse Geschichten auslösen können. Oder schlimmer: Solche Folgen würden gar bewusst in Kauf genommen.

Schliesslich missfällt Bosch auch die Bevormundung des Lesers. So sei ein Artikel oft nichts anderes als eine verkappte Meinungsäusserung, ein Kommentar über dem nicht "Kommentar" stehe. Der Leser werde für dumm verkauft.


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