04.05.2004

"Wir machen bereits das anspruchsvollste Medienprodukt

den Blick"

Zwei Jahre nach der Borer-Affäre strotzt der Ringier-Verlag vor Tatendrang. In Deutschland wurde das Politmagazin Cicero lanciert, in der Schweiz plant man eine Tageszeitung auf hohem Niveau und auch der Blick erscheint -- im Kampf gegen den Auflageschwund -- möglicherweise schon bald definitiv im Tabloid-Format. Auch das Auslandgeschäft floriert: Über ein Drittel des Umsatzes wird im Osten erzielt. Nur der Bundesrat befindet sich nicht mehr auf Ringierlinie. Im “persönlich”-Gespräch äussert sich Verleger Michael Ringier (Bild) über Blocher, Blick und Boulevard. "persoenlich.com" bringt einen Ausschnitt aus dem Interview:
"Wir machen bereits das anspruchsvollste Medienprodukt: den Blick"

Cicero will verstärkt einen dialektischen Gegenpol zu anderen Medien bilden. Ist das nicht das Konzept der Weltwoche, die Sie kaufen wollten und nicht bekamen?

Wir vertreten keineswegs eine andere Meinung, weil es schick ist. Dann gerät man in die Nähe zum Opportunismus. Cicero versucht, durch neue Fragestellungen aus dem Mainstream auszubrechen. Dafür hat unsere Redaktion einen Monat Zeit, diesen Ansatz zu finden. Das meiste Geld wird übrigens in die Redaktion investiert.

Würden Sie Cicero auch herausgeben, wenn Sie die Weltwoche bekommen hätten?

Das ist ein hypothetische Frage. Tatsache ist, dass Cicero auch in der Schweiz auf gute Reaktionen gestossen ist. So mussten wir bereits zum dritten Mal Exemplare nachliefern.

Nicht nur in Deutschland, auch in der Schweiz haben Sie ein ambitioniertes Projekt, die Neue Zeitung.

Wir entscheiden in den nächsten Monaten, ob wir dieses Projekt realisieren werden. Ähnlich wie Cicero handelt es sich um eine Erklärzeitung. Da sie aber für eine tägliche Erscheinungsweise geplant ist, wollen wir eine viel grössere Leserschaft ansprechen. Trotz des gesättigten Lesermarkts glauben wir an dieses Projekt. Medienkonsumenten sind zwar überfüttert, aber sie wissen immer weniger über die Zusammenhänge.

Will sich Ringier mit solchen anspruchsvolleren Publikationen langfristig vom Boulevardmarkt abgrenzen?

Vor 12 Jahren gab Ringier im Boulevardbereich ausschliesslich den Blick heraus. Heute haben wir sechs Boulevardzeitungen in sechs verschiedenen Ländern. Sie sehen, wir wollen uns keineswegs von diesem Markt abgrenzen, sondern versuchen lediglich, auch andere Leserschichten zu bedienen.

Was ist dann Ihre Motivation?

Wir machen bereits das anspruchsvollste Medienprodukt, das es gibt: den Blick. Höchstwahrscheinlich werde ich das Vorurteil, der Blick sei anspruchsloser als Cicero, noch auf dem Totenbett widerlegen müssen. Komplizierte Sachverhalte einfach, prägnant, pointiert und gleichzeitig lustvoll auszudrücken, ist das Schwierigste überhaupt.

Glauben Sie, dass der Leser anspruchsvoller wird?

Auch, aber vor allem die Bedienung des Lesers wird immer anspruchsvoller. Trotz der ganzen Überinformation klagen alle über die Bildungsmisere. Da besteht ein Zusammenhang. Die Leute werden mit Informationen bombardiert, ohne selektionieren zu können. Hier sehen wir mit der Neuen Zeitung eine Chance.

Wie beurteilen Sie den gegenwärtigen Werbemarkt?

Ich glaube, die goldenen Zeiten sind vorläufig vorbei. Andererseits haben die Regionalzeitungen in den letzten Jahren unverschämt viel Geld verdient. Diese Renditen waren -- verglichen mit anderen Wirtschaftsbereichen -- nicht normal. Das hat sich nun geändert. Ich kann aber das Jammern der Regionalverleger nicht verstehen: Obwohl die Zeiten hart sind, verdient man mit Zeitungen wie dem Tages-Anzeiger, der Luzerner Zeitung oder der Berner Zeitung immer noch gutes Geld.


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