08.10.2019

Medienförderung

Der Bund als Pöstler für Journalismus

Zum ersten Mal hat sich Bundesrätin Simonetta Sommaruga direkt vor Branchenvertretern zum neuen Mediengesetz geäussert. Am ersten Swiss Media Forum Pop-up in Bern sprach die Medienministerin über Bezahlschranken, soziale Medien, News-Deprivierte und Packesel.
Medienförderung: Der Bund als Pöstler für Journalismus
«Wer Geld erhält und wer nicht, wird nach ähnlichen formalen Kriterien festgelegt, wie wir sie heute für die Zustellungsermässigung bei den Zeitungen kennen», so Medienministerin Simonetta Sommaruga. (Bilder: Raiffeisen Forum/Manuel Lopez)
von Christian Beck

Sichtlich stolz begrüsste Co-Programmleiter und Initiant Patrik Müller zum ersten Swiss Media Forum Pop-up. Zur Premiere mit Medienministerin Simonetta Sommaruga kamen am Dienstagmorgen rund 60 Personen, vorwiegend Verlags- und Kommunikationschefs, ins Raiffeisen Forum nach Bern. Es war dies Sommarugas erster öffentlicher Auftritt vor Direktbetroffenen – wenn auch in geschlossenem Rahmen – seit ihrer Medienkonferenz Ende August (persoenlich.com berichtete).

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Sommaruga eröffnete ihr Impulsreferat mit «einem alten Spruch» eines Verlegers (von Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender von Axel Springer): «Wer mit uns im Lift nach oben fährt, der fährt mit uns auch nach unten.» Sie sei deshalb froh, finde der heutige Anlass im Erdgeschoss statt. Schon als sie vor zwei Jahren Gast beim Swiss Media Forum in Luzern gewesen sei, habe sie gesagt, dass sie die Sorgen der Branche kenne und offen für Lösungsvorschläge sei. «Damals hatte ich leicht reden. Da war ich noch im EJPD.» Nach ihrem Wechsel vom Justiz- und Polizeidepartement ins Uvek habe sie aber das Mediendossier rasch in die Hand genommen und das Gespräch mit der Medienbranche gesucht.

Noch vor der Sommerpause hätte es einen runden Tisch gegeben. «Mit dabei waren von den Privatradios über den Verlegerverband bis zur SRG alle Akteure. Aus meiner Sicht war der Austausch sehr gut. Und es hat sich für mich bestätigt, dass die Richtung bei der neuen Medienvorlage stimmt. Das sieht mittlerweile auch der Bundesrat so», so Sommaruga. Und auch die Anwesenden im Saal sehen das so, wie später eine «repräsentative Umfrage» von Moderator Christian Dorer, Chefredaktor der Blick-Gruppe, unter den Anwesenden im Saal zeigte.

«Packesel sind selten geworden»

Zwei Punkte seien für Sommaruga zentral, wenn über eine neue Medienvorlage gesprochen werde, fuhr sie fort: «Erstens: Was hilft den einheimischen Medien wirklich? Und zweitens: Wie bleiben die Medien trotz staatlicher Unterstützung unabhängig?» Der amerikanische Kongress sei vor 140 Jahren vor ähnlichen Fragen gestanden – die Antwort war der Post Office Act von 1879. Mit diesem Beschluss verbilligte der Kongress den Versand von Zeitungen und Zeitschriften. «Nun hat sich seither einiges verändert. Packesel sind selten geworden bei der Post, genauso wie Setzkästen bei den Verlagen», so Sommaruga. Geblieben sei die Bedeutung der Medien für die Demokratie. Geblieben sei aber auch der Ansatz des Post Office Act, dieser finde sich heute im Schweizer Postgesetz. «Die Zustellermässigung ist für mich unbestritten. Darum habe ich dem Bundesrat beantragt, sie auf weitere Titel auszweiten und den Betrag pro Zeitungsexemplar zu erhöhen.»

Medienpolitik könne sich im digitalen Zeitalter aber nicht auf die gedruckte Presse beschränken. «Wirklich Geld verdienen online aber nicht die heimischen Medien, sondern die grossen Internetkonzerne. Sie machen Profit damit, dass wir täglich stundenlang auf unser Handy oder Tablet starren», so die Medienministerin. Es nütze aber wenig, wenn man 7 mal 24 Stunden wisse, was in Washington oder Brüssel ablaufe. «Wir benötigen die Öffentlichkeit bei uns, im Berner Oberland genauso wie im Engadin.» Facebook, Google und Co würden bloss auflisten, was andere recherchiert hätten. Deshalb brauche es in der Schweiz Journalisten, die den Sachen auf den Grund gehen würden. «Sie machen die wirklich guten Geschichten.»

«In dieser schwierigen Situation möchte der Bundesrat nicht länger zuschauen, sondern die Rahmenbedingungen so gestalten, dass wir in der Schweiz auch künftig eine lebendige und kritische Medienlandschaft haben.» Der Bundesrat habe deshalb verschiedene Massnahmen zu einem eigentlichen Medienpaket gebündelt. «Im Kern haben die Massnahmen für mich eines gemeinsam: Sie sollen dafür sorgen, dass die Inhalte zur Bevölkerung kommen. Für die Inhalte bleiben aber die Medien zu 100 Prozent selber verantwortlich», so Sommaruga. Der Bund mache den Medien keine inhaltlichen Vorgaben. «Er ist nur der Pöstler, der analog und digital auszutragen hilft, was die Medien an Geschichten, Analysen und News produzieren. So bleiben die Medien unabhängig.»

«Wir verbilligen den Weg von der Redaktion zur Leserschaft»

Im Online-Bereich will der Bund einerseits IT-Projekte unterstützen. Spannende Ideen gäbe es bereits – zum Beispiel eine gemeinsame Plattform, um die Sichtbarkeit zu erhöhen oder ein gemeinsames Login. «Wichtig ist, dass diese Unterstützung allen elektronischen Medien offensteht. Und damit auch jenen, die nicht mit einer Bezahlschranke arbeiten», so Sommaruga. An die Zahlungsbereitschaft des Publikums werde andererseits mit der Unterstützung für kostenpflichtige Online-Medien angeknüpft. «Hier übernehmen wir für die Leserschaft einen Teil der Kosten. Ein Bezahlangebot kostet dann vielleicht nicht mehr 200 Franken, sondern 100.» Die Idee sei vergleichbar mit der Zustellungsermässigung im Printbereich. «Wir verbilligen den Weg von der Redaktion zur Leserschaft. Künftig geschieht dies auch digital.»

Niemand wisse, wie die Medienbranche in zehn Jahren aussehe. «Von etwas bin ich aber überzeugt: Unsere Demokratie braucht auch in Zukunft einen kritischen Journalismus. Die sozialen Netzwerke können den Journalismus nicht ersetzen», so Sommaruga. Zum Abschluss ihres Referates überbrachte sie «die besten Wünsche des Bundesrats».

«Keine Tragfähigkeit»

Warum sie den Vorschlag ihrer Vorgängerin Doris Leuthard gestoppt habe, wollte Christian Dorer im anschliessenden Interview von Sommaruga wissen. Sie habe die kontroversen Vernehmlassungs-Rückmeldungen gesehen. Weil praktisch keine Tragfähigkeit festzustellen gewesen sei, habe man sich entschieden, die Vorlage «mit einem neuen Ansatz neu zu denken». Wieso bei der neuen Vorlage das Geschäftsmodell und nicht die Qualität ein Kriterium sei, warf Dorer eine Frage der WOZ auf. «Dann hätten wir deutlich mehr eingegriffen als wenn wir sagen, wir gestalten die Förderung umsatzabhängig.»

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Immer mehr Schweizer, vor allem Junge, würden News nur noch sporadisch konsumieren, so Andres Büchi vom «Beobachter». Der Chefredaktor wollte in der offenen Fragerunde wissen, was Sommaruga gegen die sogenannten News-Deprivierten zu unternehmen gedenke. «Machen Sie hier nicht die Politik dafür verantwortlich. Die Politik soll Sie unterstützen, damit Sie die Mittel haben, um Investitionen tätigen und überlegen zu können, wie Sie überhaupt wieder an die Jungen gelangen», so die Medienministerin.

Felix Graf, CEO der NZZ-Mediengruppe, thematisierte die Frühzustellung und wollte die Haltung von Sommaruga kennen. «Ich habe entschieden, das Thema nicht jetzt in den Bundesrat zu bringen, sondern wir haben eine Arbeitsgruppe eingesetzt», sagte die SP-Bundesrätin. Es sei momentan noch eine technische Frage, wie die Bezahlung an die teils privaten Zusteller zu organisieren sei. «Wenn wir diese Frage zuerst hätten lösen sollen, hätte die neue Vorlage zur Medienförderung nochmals ein halbes Jahr warten müssen.»

Auch auf die Nachrichtenagentur Keystone-SDA kam Sommaruga in der Fragerunde zu sprechen. «Die Bedeutung der SDA ist mir sehr bewusst, die Schwierigkeiten der SDA auch.» Sie hätte bislang aber noch zu wenig Zeit gehabt um herauszufinden, welches die Vorstellungen der SDA-Eigner seien. «Das ist für mich momentan eine Blackbox», so Sommaruga.

Andreas Binder, Präsident des Swiss Media Forums, zeigte sich nach dem ersten Pop-up gegenüber persoenlich.com zufrieden mit dem Anlass. «Simonetta Sommaruga war sehr differenziert», sagte er. Sie selbst konnte beim anschliessenden Steh-Frühstück nicht mehr lange verweilen, sondern musste weiter an den nächsten Termin.



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Kommentare

  • Andi Volkart, 12.10.2019 16:08 Uhr
    Ich schliesse mich meinem Vorschreiber Victor Brunner an und möchte fragen, warum die Medien wie der Tagesanzeiger und die Berner Zeitung krampfhaft noch versuchen, Abonnennten zu gewinnen, da im Falle der Berner Zeitung die Leserzahlen (vermutlich auch Abonnenten) von fast 120'000 im Jahr 2015 auf heute noch 32'423 gesunken sind. Wenn es keine Generationenfrage ist, so müssten der Tagi und die Berner-Zeitung eher in die Altersheime oder die Restaurants gehen um dort zu werben und im anderen Falle frage ich mich, warum die Zeitungen dann nicht Ipads oder Mobilphones per Abo verteilen und dafür ganz auf den Printteil verzichtet, der heute eigentlich in den Zügen und im Stadtbild auch eine Art "Umweltverschmutzung" darstellt, während hingegen "Zeitunglesen" am Tablet nur Strom verbraucht. Die Jungen lesen heute keine Zeitung mehr, sie "schauen" sie oder sie haben gar keine Zeit mehr, wo früher eben Fernseh- und Zeitungen nur alle 12h aktualisiert wurden und das Netz omnipräsent News oder Schlagzeilen liefert. Ich denke nicht, dass die Medien jemals unabhängiger werden, denn viele Journalisten wandern in die PR- oder Politikbranche ab (mehr Lohn!) und sind dann für ehemalige Berufskollegen die Daten-Lecks, von denen sie brisante Infos/vertrauliche Informationen erhalten, denn sie fühlen sich dann wichtig, weil sie gebauchpinselt werden, wenn sie direkt an einer Quelle sind und Auskunft geben können.
  • Victor Brunner, 09.10.2019 16:02 Uhr
    Artikel: Es sei momentan noch eine technische Frage, wie die Bezahlung an die teils privaten Zusteller zu organisieren sei. Hallo, nun soll sich noch der Bund mit den privaten Zustellern befassen. Der Liegestuhl für die Verleger wird immer grösser. Dafür dürfen sich dann Journalisten über den Personalzuwachs beim Bund mokieren. Die ganze Diskussion um mehr Geld vom Bund ist ein Drama und der Niedergang der unabhängigen und freien Presse. Schon jetzt ist vorsehbar dass die Verleger immer mehr Steuergelder wollen, gleichzeitig will der Bund, die Politik mehr Einfluss. Die "Vierte Gewalt" als Schosshündchen der Politik! Da geht jede Glaubwürdigkeit verloren, damit auch LeserInnen und Leute die bereit sind für eine Presse noch zu bezahlen!
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