26.06.2018

Fussball-WM

«Die ärmsten Figuren sind die Mediensprecher»

Schon vor dem Costa-Rica-Spiel ist für Andreas Böni klar: die Schweiz kommt mindestens in den Viertelfinal. Der Blick-Fussball-Chef kontert Kritik, wonach Journalisten Schuld seien am Adler-Hype. Er fordert Kommunikationsprofis für die Insta-Accounts von Xhaka, Shaqiri & Co.
Fussball-WM: «Die ärmsten Figuren sind die Mediensprecher»
Zwei Gesten mit unterschiedlicher Bedeutung (v.l.): Andreas Böni, Fussball-Chef der Blick-Gruppe, und der Schweizer Mittelfeldspieler Granit Xhaka. Beide weilen momentan in Nischni Nowgorod. (Bilder: Ringier/Keystone/Laurent Gillieron)
von Christian Beck

Herr Böni, am Mittwoch trifft die Schweiz im dritten Gruppenspiel auf Costa Rica. Wie wird die Partie ausgehen?
Ich bin mir relativ sicher, dass die Nati gewinnen wird. Sie ist qualitativ viel besser besetzt als Costa Rica, das zudem bereits ausgeschieden ist.

Aber nach dem Achtelfinal ist dann Schluss – oder liegt noch mehr drin?
Dieser Mannschaft sind nach oben keine Grenzen gesetzt. Ich traue ihr mindestens den Viertelfinal zu. Vielleicht sogar mehr.

«Schon 2004 verwechselte man Täter und Opfer»

Nach der Adler-Geste müssen Xhaka, Shaqiri und Lichtsteiner nun Bussen bezahlen. Dass es so weit kam, ist den Zeitungen zu verdanken, die haben den Doppeladler hochstilisiert.
Absoluter Quatsch. Für mich totaler Blödsinn. Jeder, der im Stadion war, hat sofort während des Jubels schon gemerkt, dass nun ein riesiges Fass aufgemacht worden ist. Und zwar von den Spielern, nicht von den Medien. Dass man nun versucht, den Schwarzen Peter abzugeben, erinnert mich an 2004, als Alex Frei Steven Gerrard an der EM in den Nacken gespuckt hat. Damals versuchte man dem Schweizer Fernsehen die Schuld in die Schuhe zu schieben – nur weil SRF die Bilder ausstrahlte, die Frei des Spuckens überführten. Schon da verwechselte man Täter und Opfer.

Boeni_Videokommentar

Sie sagten in einem Videokommentar: «Man sollte den Spielern Instagram wegnehmen.» Warum?
Weil viele Spieler schlicht überfordert sind und es auch im Jahr 2018 nicht im Griff haben. Nehmen wir Granit Xhaka: Er ist selbst eine grosse Marke geworden, kann aber selber mit dieser Macht offenbar nicht umgehen. Er provoziert die Serben innert Kürze voller Emotionen mit verschiedenen Beiträgen – und löscht dann alles wieder. Schaltet ein Foto des Adler-Jubels auf, markiert Xherdan Shaqiri und schreibt: «We dit it Bro!».

«Andere Spieler muss man vor ihrer eigenen Unvernunft schützen»

Und wo liegt hier das Problem?
Allein für diese Aussage hätte ihm die Fifa vorsätzliche Provokation der Serben unterstellen können. Die sozialen Kanäle einer Marke müssen heute im Jahr 2018 auch dementsprechend bewirtschaftet werden, von Medienprofis, nicht von Fussballspielern. Aus den einen Spielern könnte man extrem viel mehr machen in der Vermarktung nach aussen, andere muss man schlicht vor ihrer eigenen Unvernunft schützen. Die ärmsten Figuren im Profi-Fussball sind für mich momentan die Mediensprecher, denen links und rechts mit unvorsichtigen Spielern alles um die Ohren fliegen kann.

Wenn aber der Auftritt in den sozialen Medien professioneller wird, werden die Storys weniger. Der «Blick» profitiert ja von der laienhaften Bewirtschaftung der Kanäle.
Teilweise. Vor allem profitieren Nachrichtenkanäle, die wenig Eigenrecherche betreiben und nur abschreiben. Das ist bei uns im Blick-Newsroom ein Teil der Arbeit. Dass uns da zu viele Geschichte wegbrechen würden, ist keine Sorge.

«Ich finde das Gespräch miteinander sehr wichtig»

Wie kommuniziert «Blick» eigentlich mit den Natispielern? Über die sozialen Medien oder Auge in Auge?
Selbstverständlich Auge in Auge. Heute läuft der Kontakt viel über WhatsApp – und 90 Prozent des Austauschs findet «off the records» statt. Dafür braucht es Vertrauen von beiden Seiten. Aber ich finde – gerade im Zeitalter der sozialen Medien und des unglaublichen Tempos – das Gespräch miteinander sehr wichtig. 

Wie nahe kommt man sich da? Geht man auch mal gemeinsam in den Ausgang?
Nein. Es sind Geschäftsbeziehungen. Man geht vielleicht miteinander mal essen. Aber meine Freunde suche ich mir immer noch ausserhalb des Fussballs aus.

Übrigens: Wir haben im Fernsehen gesehen, dass auch Ihr Chef Marc Walder an der WM ist. Was macht er dort?
Er hat sich mit Ottmar Hitzfeld das Spiel Schweiz gegen Serbien angesehen. Und sich über den Sieg bestimmt so gefreut wie über die Europa-League-Qualifikation seines FC St. Gallens.



Schweiz vs. Costa Rica: Mittwoch, 27. Juni, um 20 Uhr in Nischni Nowgorod



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Kommentare

  • Pascal Berner, 27.06.2018 12:01 Uhr
    Ich schreibe es nicht unbedingt gerne, aber ausser dem "Blick" haben es die wenigsten Medien verstanden, worum es beim Doppeladler geht. Und noch ein paar Herren auf Infosperber. Die andern, insbesondere auch die beiden Kommentatoren oben, können oder wollen es einfach nicht begreifen. Und deshalb wird es weitergehen, von den Profis über die Amateure bis zum Juniorenfussball. Mit den entsprechenden Konsequenzen.
  • Jennifer, 27.06.2018 09:48 Uhr
    Wir sprechen alle davon, dass Politik nichts im Sport zu suchen hat: Warum politisieren dann gerade wir diese Gesten der Spieler? Warum setzen wir Grenzen, die uns Menschen nur voneinander entfernen als anzuerkennen, dass eine Grenze nur eine verdammte Ländergrenze ist. Die uns hier in Deutschland und der Schweiz enorme Privilegien beschert, von denen andere nur träumen können. Hier geht es um Sport, also bleiben wir beim Sport: Jeder Spieler spielt mit Stolz für sein Land, unabhängig davon ob er einen Migrationshintergrund hat oder nicht. Er spielt Fussball, freut sich über das Weiterkommen oder ist enttäuscht über das Scheitern der Mannschaft. Hier haben wir Zuschauer die Möglichkeit zusammenzustehen und stolz zu sein, das Weiterkommen oder das Scheitern gemeinsam zu erleben und daraus nichts Politisches zu machen. Nehmen wir die Gesten von Xhaka und Shaqiri als eine Geste ihre Identitäten zu ehren, nicht als eine politische geprägte Aussage. Für viele mag es falsch sein, was sie gemacht haben. Das ist okay, jeder darf seine Meinung haben: Nicht okay ist jedoch, wenn wir Zuschauer, Journalisten und Kommentatoren daraus eine anheizende und politisierende Debatte machen. (wie der Blick oder Rainer Maria Salzgeber als SRF Moderator vor Ort: Wo war ihre Professionalität, ihre journalistische Ethik? Was für politisierende Sätze geben Sie von sich und heizen die Stimmung im Land an? Von Ausgewogenheit in ihrer Berichterstattung keine Spur. Sie konnten das Thema einfach nicht sein lassen und haben es deutlich politisch gefärbt konotiert. Warum? Sieht so die Ethik eines Journalisten aus...) Wir verlangen Fussball ohne Politik, dann müssen auch wir diese Politik aussen vorlassen und uns auf das Spiel konzentrieren: Das runde muss ins Eckige – eine Geste ist eine Geste durch Emotion und Identität geprägt. Die Mannschaft ist eins, also sollten es die Zuschauer auch sein.
  • Dieter Widmer, 27.06.2018 06:32 Uhr
    Einspruch, Andreas Böni. Das ist die typische Antwort einer Person, nachdem sie einen gravierenden Fehler begangen hat. Anstatt dass die Schweizer Medien das unhaltbare Verhalten der serbischen Fans thematisiert und kritisiert hätten, wurde der Fokus, insbesondere vom "Blick" mit einer tagelangen, unsäglichen Aufheitzer-Kampagne auf den Doppeladler gelegt. Logisch, dass die FIFA-Verantwortlichen auch die CH-Medien konsultierten und aufnahmen, dass sie den besonderen Jubel sehr kritisch betrachteten. Ich habe mich noch selten über das peinliche Verhalten der Schweizer Medien, allen voran des "Blicks" aufgeregt, der nachweisbar die Kampagne gegen die Interessen der Schweizer Mannschaft angeführt hat. In andern Ländern hätten die Medien ihre Mannschaft in Schutz genommen.
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