15.07.2022

Schweizer Journalist:in

«Die grossen Themen sollen abgebildet werden»

Auf die weibliche Doppelspitze folgt Marcus Hebein als Chefredaktor. Im Interview spricht der ehemalige Newsroom-Chef von Keystone-SDA über seine Vorgängerinnen und sagt, welchen redaktionellen Fokus er legen will. Auch die Kommunikationsbranche hat er im Visier.
Schweizer Journalist:in: «Die grossen Themen sollen abgebildet werden»
«Mich interessiert die Entwicklung unserer Branche ausserordentlich», sagt der neue Schweizer Journalist:in-Chefredaktor Marcus Hebein. (Bild: Gaëtan Bally)

Herr Hebein, Sie werden neuer Chefredaktor von Schweizer Journalist:in. Warum interessiert Sie der Medienjournalismus?
Ich habe in meinen Jahren in den Redaktionen und im Management bei den Nachrichtenagenturen die Entwicklung der Branche hautnah miterlebt und auch vieles gesehen, das im Hintergrund bei den Medienhäusern passiert. Mich interessiert die Entwicklung unserer Branche ausserordentlich, auch oder gerade weil sie aktuell von vielen Umbrüchen und Herausforderungen geprägt ist. Und überdies ist Medienjournalismus auch ein bisschen eine Rückkehr zum Beginn meiner Laufbahn: In meinen ersten Jahren bei der österreichischen Nachrichtenagentur APA habe ich auch als junger Redaktor immer wieder für die Medienredaktion gearbeitet – eine sehr spannende und lehrreiche Zeit.

Wurden Sie vom Verlag für den Posten angefragt oder haben Sie sich beworben?
Johann Oberauer und ich kennen uns aus den vergangenen Jahren, vor einiger Zeit sind wir wieder in Kontakt gekommen. Wir haben dann über Wochen immer wieder Gespräche geführt, in denen wir uns über unsere Vorstellungen zur Medienbranche, zum Journalismus allgemein, zum Branchenjournalismus im Besonderen und vieles mehr unterhalten haben. Sehr offen, auch was den Ausgang der Gespräche betrifft, und mit grosser Neugier an den Positionen des anderen interessiert. Irgendwann haben wir dann den Punkt erreicht, an dem wir erkannt haben, dass sich unsere Sichtweisen und Ideen sehr gut verbinden lassen. Danach ist eine Einigung nur mehr der nächste konsequente Schritt. Insofern war es weder eine konkrete Anfrage noch eine Bewerbung.

«‹Jünger und diverser› war und ist in den Medienhäusern ein zentrales Thema. Allerdings: In der Schweizer Medienbranche gibt es eine Reihe weiterer kritischer Faktoren und spannender Entwicklungen, die über die Zukunft der Branche entscheiden»

Hilft es, dass Sie selber Österreicher sind, wie der Verleger Johann Oberauer auch?
Ich glaub nicht, dass das ein entscheidender Faktor war.

Ihre Vorgängerinnen und Vorgänger haben das Heft auf Mandatsbasis in einem 40- oder 50-Prozent-Pensum umgesetzt. Wie ist das bei Ihnen?
Ich kenne die Inhalte der Vereinbarungen mit meinen Vorgängerinnen gar nicht. Mit mir gibt es eine Vereinbarung auf Mandatsbasis, die beide Seiten für eine sehr gute Lösung halten. Über darüber hinausgehende Details gebe ich allerdings keine Auskunft, bitte um Verständnis dafür.

Charlotte Theile und Samantha Zaugg sind wegen «Auffassungsunterschieden» mit dem Verleger gegangen. Welche Vorgaben haben Sie von Johann Oberauer für die Ausrichtung des Hefts erhalten?
Johann Oberauer führt seit vielen Jahren sehr erfolgreich einen in drei Ländern operierenden Fachverlag. Natürlich hat er als Verleger bestimmte Vorstellungen. Allerdings: Detaillierte inhaltliche Vorgaben gibt es in dieser Form kaum an mich, aus dem sehr offenen Gedankenaustausch über längere Zeit haben sich aber jene Leitlinien entwickelt, deren sich beide Seiten – also Verleger und Chefredaktor – bewusst sind. Damit haben wir beide eine durchaus konkrete Vorstellung, wie es mit der «Schweizer Journalist:in» weitergehen soll.

Unter der Leitung der beiden Chefredaktorinnen ist das Magazin jünger und weiblicher geworden. Wie wollen Sie das Heft prägen?
Charlotte Theile und Samantha Zaugg hatten meiner Beobachtung zufolge sehr markante inhaltliche Vorstellungen als Blattmacherinnen, ihre Handschrift war im Magazin auch eindeutig erkennbar. «Jünger und diverser» war und ist in den Medienhäusern ja auch ein zentrales Thema. Allerdings: In der Schweizer Medienbranche gibt es eine Reihe weiterer kritischer Faktoren und spannender Entwicklungen, die über die Zukunft der Branche entscheiden. In einigen Verlagen wird Neues versucht: Publizistisch, mit neuen inhaltlichen, kommerziellen oder organisatorischen Ideen. Was bewegt die Branche, die Community? Und wohin entwickeln sich die Medienhäuser, sowohl in den grossen Zentralredaktionen als auch in den Regionen? Die grossen Themen der Branche sollen abgebildet werden. Auch die Kommunikationsbranche als Ganzes soll im Laufe der Zeit wieder stärker in den Fokus gerückt werden.  

Die wohl wichtigste Ausgabe im Jahr ist jene mit dem Ranking «Schweizer Journalist:in des Jahres». Inwiefern sind Sie dafür verantwortlich? Wird es dort im Verfahren Veränderungen geben?
Das Ranking wird natürlich auch von mir verantwortet. Ich muss mir aber erst die aktuellen Prozesse und mögliche andere Vorgehensweisen anschauen. Es kann aber durchaus sein, dass es Änderungen im Verfahren geben wird.

«Und wenn mittlerweile auch vieles im Journalismus virtuell funktioniert – ich werde auch viel auf Reisen quer durch die Schweiz sein, zu Interviews und für Recherchen»

Wie häufig werden die Leserinnen und Leser Texte oder Interviews von Ihnen im Heft vorfinden? Wie stark werden Sie auf freie Journalistinnen und Journalisten setzen?
Interviews halte ich für ein ausgesprochen spannendes Element im Magazinjournalismus, dafür soll viel Raum zur Verfügung gestellt werden. Und spannende Autoren waren schon in der Vergangenheit ein wesentliches Qualitätsmerkmal der «Schweizer Journalist:in» – das soll auch so fortgesetzt werden.

Wo haben Sie Ihr Büro? Von wo aus werden Sie das Heft produzieren?
Ich arbeite grundsätzlich in Bern, werde aber wohl auch immer wieder mal in Salzburg sein. Und wenn mittlerweile auch vieles im Journalismus virtuell funktioniert – ich werde auch viel auf Reisen quer durch die Schweiz sein, zu Interviews und für Recherchen. Einschränkender Faktor ist schlicht das persönliche Zeitbudget.

Zum Schluss: Auf welche Interviewpartnerin oder welchen Interviewpartner freuen Sie sich besonders?
Ach, ich sag es mal so: Wirklich spannende Interviewpartner sind oft wie scheue Rehe. Gerade in der Medienbranche, kurioserweise. Öffentliche Namensnennung könnte den einen oder die andere schon in die Flucht schlagen, bevor es zur ersten Frage kommt. Ich werde versuchen, mich etwas ruhiger anzunähern. Um dann hoffentlich ergiebigere Antworten zu erhalten. 


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KOMMENTARE

Peter Eberhard
15.07.2022 09:44 Uhr
Die von Hebein angedeutete Erweiterung des thematischen Spektrums lässt wieder hoffen in Richtung Wiegand/Zimmermann. Somit warte ich noch zu mit der Kündigung meines Abos. Und wünsche mir, dass im "Schweizer Journalist" wieder vermehrt schweizrelevante Inhalte zum Zug kommen, sonst kann man gleich zur deutsch/österreichischen Ausgabe greifen.
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