20.03.2023

CS-Krise

«Die Leaks wurden genutzt, um Druck auszuüben»

In einer spektakulären Rettungsaktion übernimmt die UBS die Credit Suisse. The-Market-Chefredaktor Mark Dittli reflektiert im Interview über die Rolle der Medien in den letzten Tagen. Er spricht über falsche Primeurs und einen Bloomberg-Flash als Schlüsselmoment im Debakel.
CS-Krise: «Die Leaks wurden genutzt, um Druck auszuüben»
«Der Niedergang der CS ist historisch vergleichbar mit dem Swissair-Grounding von 2001 oder eben der UBS-Krise von 2008. Der Fall wird die Medien noch Monate beschäftigen»: Mark Dittli ist langjähriger Wirtschaftsjournalist und Chefredaktor vom Wirtschaftsmagazin The Market. (Bild: Laurent Burst)
von Michèle Widmer

Herr Dittli, die Schweiz hat ein aufsehenerregendes Wochenende hinter sich. Wie haben Sie als langjähriger Wirtschaftsjournalist diese Zeit erlebt?
Die letzten Tage haben mich extrem an die Zeit der Finanzkrise in den Jahren 2007 und 2008 erinnert. Ich war damals Korrespondent in New York. Die Nervosität an den Märkten, die Panikstimmung – es gibt unglaublich viele Parallelen zu damals.

Hätte man das CS-Debakel schon früher kommen sehen müssen?
Die globalen Finanzmärkte standen schon seit Wochen unter grossem Stress – besonders seit vorletztem Freitag, als die Silicon Valley Bank kollabierte. Die Credit Suisse steht ja schon seit Monaten als schwaches Glied in der Bankenbranche da. Von daher kommt der Stress auf die Bank nicht überraschend. Es ging letzte Woche dann einfach brutal schnell.     

Am Sonntagabend informierten der Bundesrat sowie die Bankenspitzen über die Übernahme der CS durch die UBS. Wie beurteilen Sie diese Medienkonferenz?
Ich habe die Pressekonferenz zu Hause vor dem Fernseher verfolgt. Mein subjektiver Eindruck ist, dass diese CS-Übernahme sehr schnell übers Wochenende zusammengebastelt worden ist. Wie damit zum Teil geltendes Recht relativ nonchalant auf die Seite gewischt wurde, ist bemerkenswert. Die Aktionäre der beiden Banken haben nichts zu sagen. Auch wettbewerbsrechtliche Bedenken sind durch die Finanzmarktaufsicht (Finma) ausgeschaltet worden. Das zeigt, was für eine extreme Feuerwehrübung diese Lösung ist. Auffällig ist zudem, dass die seit der UBS-Krise vor 15 Jahren aufgebauten Sicherheitsmechanismen – die das Debakel hätten verhindern sollen – nicht gegriffen haben.

«UBS-Präsident Colm Kelleher ist mit einem sehr selbstbewussten Auftritt aufgefallen.»

Wie haben Sie die kommunikativen Auftritte der Vertreterinnen und Vertreter wahrgenommen?
UBS-Präsident Colm Kelleher ist mit einem sehr selbstbewussten Auftritt aufgefallen. CS-Verwaltungsratspräsident Axel Lehmann hingegen hatte den Umständen entsprechend eine tragische Rolle. Ich fand es bizarr, dass er in langen Ausführungen CEO Ulrich Körner lobte, aber kaum ein Wort an die restlichen Mitarbeitenden verloren hat.

Wie haben Sie sich übers Wochenende auf dem Laufenden gehalten?
Als sich die CS-Aktie seit Mittwoch im freien Fall befand, war klar, dass übers Wochenende etwas passieren musste, damit diese Panik an den Märkten stoppt. Mir war es nicht wichtig, im Stundentakt die neuesten Gerüchte zu hören. Darum war es für mich eher ein Warten, bis das Ergebnis am Sonntagabend präsentiert wurde.

Auffällig war, dass die internationalen Titel wie die Financial Times (FT) oder Bloomberg näher dran waren als die Schweizer Medien. Warum ist das so?
Die FT und Bloomberg waren ganz klar zuvorderst, was den aktuellen Stand der Diskussionen betraf. Klar ist aber auch, dass die beiden Medien die Informationen bewusst aus Kreisen der involvierten Parteien gesteckt bekommen haben. Diese teils bewussten Leaks wurden in den letzten Tagen vermutlich genutzt, um auf die einzelnen Parteien Druck auszuüben.

«Bloomberg hatte diesen Primeur, der sich im Nachhinein als falsch erwiesen hat.»

Wann konkret sind am Wochenende solche strategischen Informationen geflossen? Können Sie ein Beispiel nennen?
Es gab das Gerücht, dass der weltweit grösste Vermögensverwalter Black Rock die Übernahme der CS vorbereiten solle. Bloomberg hatte diesen Primeur, der sich im Nachhinein als falsch erwiesen hat. Ich nehme an, die Schlagzeile diente wohl dazu, den Druck auf die UBS, einen einigermassen vernünftigen Preis zu bieten, zu erhöhen.

Warum wurden für die Indiskretionen die FT und Bloomberg gewählt?
Die beiden Medien erreichen die internationalen Kapitalmärkte – und genau die wollte man mit diesen Informationen erreichen.

Medien waren also mehr als nur Beobachter. Hätte eine andere Berichterstattung die Ereignisse am Schluss beeinflussen können?
Das ist schwierig zu beurteilen. Ein Schlüsselmoment für die CS war sicherlich der Bloomberg-Newsflash am Mittwoch mit einer Aussage vom Chairman der Saudi National Bank, wonach seine Bank «bestimmt» kein weiteres Kapital in die CS einschiessen werde. Diese Äusserung wurde stark verkürzt und zum Teil aus dem Kontext gerissen wiedergegeben und hat die finale Panik ausgelöst. Danach gelang es der Bank bis am Freitag nicht diese Panik zu stoppen.  

Laut Finma-Chefin Marlene Amstad hatte Social Media einen grossen Anteil an den Problemen der CS. Wie schätzen Sie das ein?
Ich halte das für eine schwache Ausrede. Auch das CS-Management sagte, die Probleme der Bank seien im September 2022 von einer Social-Media-Welle ausgelöst worden. Das mag damals zu gewissen Zeiten eine Nebenrolle gespielt haben. Aber das allein hält als Begründung nicht stand. Wenn die CS nicht schon lange so schwach in der Landschaft gestanden wäre, hätte ein Tweet auch keine solchen Konsequenzen gehabt.

Am Wochenende äusserten Sie sich via Twitter auch kritisch über die Schweizer Berichterstattung im Fall CS. Einzelne Medien seien unpräzise gewesen. Können Sie das erläutern?
Ich habe diesen Thread am Samstag veröffentlicht, also noch vor der Ankündigung mit den Details dieser Rettungsübung. In mehreren Medien wurde die in der Nacht auf Donnerstag beschlossene Liquiditätshilfe von der Nationalbank als Staatshilfe bezeichnet und der Vergleich zur UBS 2008 gezogen. Ich wollte klar machen, dass das nicht stimmt. Diese Art von Liquiditätshilfe ist der Job einer Zentralbank und nicht mit Staatshilfe zu vergleichen.

«Die schnellste News ist nicht immer die beste News.»

Viel Lob erhielt SRF für die Sondersendungen am Sonntagabend. Teilen Sie diesen Applaus?
Ich habe die Sendungen leider nicht gesehen. Nach der Medienkonferenz haben wir mit unserem Team eine Auslegeordnung gemacht und danach habe ich bis 4 Uhr nachts gearbeitet.

Nach Tagen der Spekulationen und Breaking News: Wie geht es nun weiter mit der medialen Berichterstattung?
Der Niedergang der CS ist historisch vergleichbar mit dem Swissair-Grounding von 2001 oder eben der UBS-Krise von 2008. Der Fall wird die Medien noch Monate beschäftigen. Am Wochenende wurden von den Behörden viele wichtige Entscheide gefällt, zum Beispiel die Inanspruchnahme des Notrechts. Nach dem Breaking-News-Zyklus kommen die Medien nun in die Phase der Nach- und Aufbereitung. Hätte man das früher sehen müssen? Inwiefern war man vorbereitet? Und vor allem: Wie war es möglich, dass knapp 15 Jahre nach der Rettung der UBS die zweite Schweizer Grossbank kollabiert?

Wie wollen Sie sich mit The Market von anderen grossen Medien oder Wirtschaftstiteln abheben?
Viele Medien haben immer die Vorstellung, die Schnellsten sein zu müssen. Sie glauben, sie müssten den Primeur haben. Ich glaube, die schnellste News ist nicht immer die beste News. Zudem zeigt die Erfahrung, dass das zurzeit grosse Interesse der Leserinnen und Leser schon bald zurückgehen wird. Vor allem dann lohnt es sich, auch einmal einen Schritt zurückzumachen. Sich als Medium die Zeit zu nehmen, um die wirklich relevanten Fragen zu eruieren.



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