21.02.2016

World Press Photo 16

«Es war schwierig, an die grossen Stars zu kommen»

Der Schweizer Christian Bobst wurde für seine Reportage über senegalesische Wrestler in der Kategorie Sport mit dem zweiten Platz ausgezeichnet. Im Interview mit persoenlich.com spricht er über seine Erfahrungen als Fotojournalist.
World Press Photo 16: «Es war schwierig, an die grossen Stars zu kommen»
von Matthias Ackeret

Portrait Christian Bobst selection

Herr Bobst, herzliche Gratulation zum zweiten Platz des World Press Photo-Awards in der Kategorie Sport (persoenlich.com berichtete). Wie haben Sie von Ihrem Erfolg erfahren?
Pascal Mora, Reportagefotograf aus Zürich und ein Freund von mir, hat mir per Facebook den Link geschickt und gratuliert, noch bevor ich die offizielle Mitteilung vom WPPA erhalten habe. Ich konnte es zuerst gar nicht glauben, es war ein Schock im positiven Sinne. Schliesslich ist es meine erste Einreichung beim World Press Photo Award.

Sie zeigen in Ihrer prämierten Fotoserie senegalesische Wrestler. Wie sind Sie auf dieses Motiv gestossen?
2012 dokumentierte ich ein ein Hilfsprojekt in Senegal für das Schweizer Hilfswerk HEKS, mit dem ich seit 2010 regelmässig als Fotograf zusammenarbeite. Zufälligerweise wurde während unserer Reise ein historischer Wettkampf im Fernsehen übertragen. Bei diesem hat der Wrestler Balla Gaye 2 den «Roi des Arènes» namens Yekini entthront. Yekini war bis dahin über 12 Jahre ungeschlagenen. Am gleichen Wochenende wurde im Dorf ein kleiner Ringer-Wettkampf ausgetragen, bei dem ich die ersten Bilder von senegalesischem Wrestling gemacht habe.

Für wen haben Sie die Bilder geschossen?
Ich wurde von SRF angefragt, ob ein Filmteam mich für die Doku-Film Reihe «Top-Shots» beim Fotografieren einer Sport-Reportage begleiten dürfe. Allerdings musste ich mich dafür mit einem Thema bewerben. Ich schlug die senegalesischen Ringer vor, schickte meine Bilder vom Dorf ein und erhielt zusammen mit drei weiteren Schweizer Fotografen (Dominic Nahr, Désirée Good und Markus Bühler) den Zuschlag für einen 25-Minuten Film. Die Recherchearbeit für die Reportage musste ich als Fotojournalist dann natürlich selber machen. Ich bin dann ein paar Monate später noch mal mit Andrea Ritter, einer Journalistin vom «Stern», nach Dakar gereist. Der «Stern» hat die Arbeit dann vor drei Wochen als erstes Printmedium auf elf Seiten publiziert.

Wie haben die Westler reagiert, als Sie die Fotos machten?
Erst mal war es schwierig, an die wirklich grosse Stars heranzukommen – die berühmten Wrestler sind in Senegal Superstars, genau wie weltberühmte Fussballer. Bei der Kontaktaufnahme waren mir Leute aus der afrikanischen Diaspora in Zürich behilflich. In Senegal scheint fast jeder jeden irgendwie zu kennen. Die verschiedenen Stämme sind zwar gross, aber auch sehr gut vernetzt. Nach zwei Gesprächen in Zürich hatte ich jedenfalls schon den ehemaligen Präsidenten des senegalesischen Wrestling-Verbands am Telefon. Der Rest war dann Verhandlungssache. In Westafrika ist das Fotografieren grundsätzlich nicht einfach, da die Leute glauben, dass westliche Fotografen mit ihren Bildern viel Geld machen. Es fällt schwer sie davon zu überzeugen, dass man mit fotojournalistischer Arbeit sehr wenig Geld verdient und die Motivation Bilder zu machen grösstenteils idealistischer Natur ist.

Haben Sie bereits weitere Projekte in diese Richtung?
Ich bin vor eineinhalb Wochen von einer Reise nach Namibia zurückgekommen. Dort war ich zusammen mit einem Journalisten im Auftrag des «Stern». Bei der Geschichte handelt es sich um ein Langzeitprojekt an dem ich schon seit 2008 arbeite. Im Zug der Publikation der Wrestling-Geschichte konnte ich die «Stern»-Redaktoren in Hamburg auch für die Veröffentlichung dieser Geschichte gewinnen. Es geht um einen deutschen Pfarrer, der jahrelang selbstlos Frauen und Mädchen zu helfen versuchte, die im Teufelskreis der Armutsprostitution gefangen sind. Mittlerweile ist der Pfarrer aber selber pflegebedürftig, sein Hilfsprojekt wurde von der Kirche fallengelassen. Die Arbeit wird im April auch in der Photobastei im Rahmen einer Multimedia-Ausstellung des MAZ gezeigt.

Sie leben hauptsächlich von der Werbung. Was waren Ihre letzten grossen Aufträge?
Meine Einnahmen aus Werbung überwiegen, weil Fotojournalismus viel schlechter bezahlt wird als Werbung. Von der Arbeitszeit her mache ich momentan etwa gleich viel Fotografie wie Werbung. Das möchte ich auch so beibehalten. In der Werbung mache ich hauptsächlich Konzepte als Freelance Art- und Creative Director. Im letzten Quartal durfte ich als Freelancer unter anderem für Leo Burnett, Heimat Zürich, Brandpulse und im Direktmandat für den Schweizer Milchverband und die Rotpunkt Apotheken arbeiten.

Wodurch unterscheidet sich Werbefotografie von Reportagefotografie?
Das einzige, was Werbefotografie und Fotojournalismus verbindet, ist die Kamera als Werkzeug. Ansonsten ist alles komplett anders. Beim Fotojournalismus darf nichts manipuliert werden, weder beim Fotografieren noch in der Bildbearbeitung. Würde ich ausser Staubkörnern auch nur das kleinste Detail in einem Bild digital addieren oder wegretuschieren, würde ich beim World Press Photo Award disqualifiziert und auf fünf Jahre gesperrt.

Was kann man als Fotojournalist selbst einbringen?
Man darf nur die Belichtung, Farben, Kontraste und den Ausschnitt verändern, ähnlich wie bei der analogen Fotografie. Die RAW Files der Kamera werden in der zweitletzten Runde der Jurierung dann auch akribisch mit den eingereichten JPGs verglichen. Zudem darf ich beim Fotografieren keinerlei Anweisung geben, es sei den, es handelt sich um ein Portrait. Diese Regeln sind extrem wichtig für die Authentizität der Bilder. Die Reportagefotografie ist sozusagen das handwerkliche Gegenteil der Werbe- und Modefotografie, bei der es darum geht, alles bis ins kleinste Detail perfekt zu inszenieren. Aus diesem Grund mache ich selber auch keine Werbefotografie.

Sie haben aber auch schon einen Werbefilm bestehend aus Fotografien umgesetzt.
Ich durfte für HEKS letztes Jahr in Brasilien einen 40-sekündigen TV Spot filmen, bei dem ich aber zu gänzlich nach fotojournalistischen Kriterien gearbeitet habe. Das Konzept für den Film stammt von Martin Stulz, einem langjährigen CD- und Texterkollegen, der zu der Zeit noch bei Y&R tätig war. Dieser Auftrag war für mich besonders, weil ich erstmals meine Kenntnisse als Fotojournalist und Art Director zusammenführen konnte, zumal ich für die ganze Umsetzung des Spots betraut wurde.

Welche Reaktionen haben Sie auf Ihren Preis bekommen?
Hauptsächlich sehr viele sehr nette Gratulationsmails von Freunden aus der Werbung und der Fotografie.

Bilder: zVg/Keystone



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Kommentare

  • Roland Fichter, 19.02.2016 22:52 Uhr
    Hallo Christian, soeben hat mich Sohnemann Christian über Deine fotografischen Erfolge informiert! Ein Teil habe ich, da es schon spät ist, als Betthupferl genossen!,, Es wäre wunderschön, wenn wir uns irgendwo, vielleicht in Zürich mal wieder treffen! Ganz liebe Grüße und weiterhin gut Licht Roland
  • Tom Seinige , 19.02.2016 18:14 Uhr
    Sehr, sehr cool und herzliche Gratulation. Zu den fantastischen Bildern und dem folgerichtigen Preis.
  • Achill, 19.02.2016 17:51 Uhr
    eine sehr schöne und spannende Reportage... Bravo und Danke!
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