06.04.2020

Serie zum Coronavirus

«Die Regierung hat sehr schnell reagiert»

Im Teil 16 unserer Serie zum Coronavirus: Lucienne Vaudan, ehemalige persoenlich.com- und NZZaS-Redaktorin. Sie absolviert nach ihrem Masterabschluss momentan ein Hochschulpraktikum in Ghana, wo Ausgangssperre herrscht.
Serie zum Coronavirus: «Die Regierung hat sehr schnell reagiert»
(Bild: Lorenz Richard)
von Matthias Ackeret

Frau Vaudan, Sie haben in Cambridge studiert, momentan machen Sie ein Praktikum in Ghana. Wie wird dort die Pandemie thematisiert?
Die Pandemie ist ein allgegenwärtiges Thema. Als vor zwei Wochen der erste Fall in Ghana bestätigt wurde, ging ein spürbarer Ruck durchs Land, oder zumindest durch Akkra. Die Leute haben ja gesehen, was in China und Europa geschieht und sind auch epidemieerfahren. Bewusstsein und Disziplin sind entsprechend ausgeprägt. Ab Tag 2 wurden überall, vom Essensstand auf der Strasse über Supermärkte hin zum Tennisplatz Veronica Buckets mit Seife und Einweghandtüchern aufgestellt und es wird streng kontrolliert, dass sich da alle die Hände waschen. Uber-Fahrer haben die Verhaltensregeln ausgedruckt und in das Auto geklebt.

Das tönt sehr diszipliniert …
Woran ich mich denn auch etwas störe, ist die Berichterstattung der deutschsprachigen Presse zu Corona und Afrika als einen einzigen grossen Block. Meist werden passive Faktoren wie Klima und die Jugend der Bevölkerung als einzigen Hoffnungsschimmer aufgezählt. Die fehlende Nuancierung in der Wahrnehmung ist altbekannt und schlicht falsch. Zum einen ist etwa Südafrika nicht Ghana und nicht Rwanda. Zum anderen sind es die proaktiven, strategischen Massnahmen der Regierungen und die Umsetzung der Bürger, die einen Unterschied ausmachen. 

Trifft man von der ghanaischen Regierung bestimmte Vorkehrungen gegen die Verbreitung des Virus?
Die Regierung hat sehr schnell reagiert. Zwei Tage nach dem ersten Fall hat der Präsident Schulen, Kirchen und Moscheen temporär geschlossen, sowie Reiserestriktionen eingeführt. Eine Woche später wurden dann alle Grenzen geschlossen. Der Grossteil der bestätigten Fälle ist aus Europa eingeflogen. Entsprechend hat die Regierung die letzten Ankömmlinge, etwas über 1000 Passagiere vom Flughafen aus mit Bussen in Hotels transportiert, wo sie nun alle getestet werden und 14 Tage unter Quarantäne stehen. Märkte in Akkra und Kumasi wurden desinfiziert, Massnahmen zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen werden laufend angepasst und seit Montag ist in Greater Accra und Kumasi eine zweiwöchige Ausgangssperre in Kraft getreten. Es ist das erste Mal seit dem Ende der Militärregierung 1993, dass die persönlichen Grundfreiheiten derart eingeschränkt werden.

Wie äussert sich die Krise auf den Strassen von Accra, der Hauptstadt des Landes?
Die Strassen sind aufgrund der Ausgangssperre praktisch leer. Die Menschen haben die Pandemie von Beginn weg ernst genommen. Sie sind sehr besorgt, aber nicht panisch. Viele Bürobetriebe haben ihre Mitarbeiter bereits früh ins Homeoffice geschickt, manche Geschäfte mit Laufkundschaft haben den Betrieb ebenfalls frühzeitig eingestellt. Aber natürlich kommen Massnahmen wie Social Distancing und «stay at home» hier mit einem logistischen und finanziellen Aufwand, der für die meisten extrem schwierig umzusetzen ist. Trotros, das öffentliche Verkehrssystem, erhielten die Auflage, nur noch zwei Passagiere pro Sitzreihe aufzunehmen. Das bringt eine Einkommenseinbusse von 50 Prozent. Und wer kein fliessendes Wasser, keine Toilette und keine Ersparnisse für Vorräte hat, der kann sich nicht einfach zuhause einschliessen. 

Wie sind momentan Ihr persönlicher Alltag aus? Gibt es bereits Einschränkungen?
Ich habe meine Wohnsituation temporär geändert, um das Risiko zu minimieren. Wir arbeiten im Homeoffice und Schichtbetrieb. Alles was ich vorher in meiner Freizeit gemacht habe, geht natürlich nicht mehr: Ausflüge, Treffen von Freunden auswärts, Trainings. Dabei wollte ich gerade meine Fussballkarriere im Ridge City Football Club Women starten, das muss jetzt halt noch ein bisschen warten. Viele Leute sind sehr kurzfristig ausgereist, das war schon ein kleiner Einschnitt. Aber auch das Sozialleben mit den Freunden hier hat sich mit wenigen Ausnahmen schnell aufs Telefonieren verlagert. Wie das mit der Ausgangssperre wird, werden wir sehen.



Was bedeutet die Corona-Pandemie für die verschiedenen Akteure der Schweizer Medien- und Kommunikationsbranche? Bis auf Weiteres wird persoenlich.com jeden Tag eine betroffene Person zu Wort kommen lassen. Die ganze Serie finden Sie hier. 



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Kommentare

  • Julian Stauffer, 06.04.2020 21:20 Uhr
    Schöner Beitrag. Sollte evt. auch Ausserhalb der Mediabubble geteilt werden. Weil die Insights hier sind Augenöffnend.
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