Frau Wappler, auch wenn Sie sagen, Sie hätten diese Audiostrategie bereits vor den politischen Entscheiden im Kopf gehabt: Es ist klar, Sie wollen mit dieser Art Kompromiss den politischen Entscheiden zuvorkommen. Warum knickte die SRG ein?
Wir sind nicht eingeknickt. Eine übergreifende Audiostrategie hatte ich schon länger im Visier, und ich bin bereits vor der Entscheidung im Nationalrat einen ganzen Tag mit der SRF-Geschäftsleitung zusammengesessen, um diese Audiostrategie aufzugleisen. Damals wussten wir nicht einmal, wann dieses Geschäft im Nationalrat behandelt wird. Es gehört zu meinen Aufgaben als SRF-Direktorin, das Unternehmen auch audiostrategisch weiterzuentwickeln. Daher, und weil mir dieser Bereich wichtig ist, habe ich in meinen ersten hundert Tagen bereits diese unternehmerische Entscheidung getroffen.
Auch wenn Sie diese Absicht bestreiten: Von aussen gesehen, ist die Lesart eindeutig. Der politische Druck hat gewirkt, SRF fällt seine unternehmerischen Entscheide nicht mehr frei. Wie wollen Sie nun das Gegenteil beweisen?
Wir müssen uns im Digitalen stark entwickeln. Und wir müssen Sparen. Das sind zwei Treiber, die ich in meinem Amt sehr rasch erkannt habe. Daher wollte ich diese Audiostrategie ins Leben rufen: Weil wir uns auch mit unseren Radioangeboten fit machen müssen für die Zukunft und dazu festlegen müssen, wie wir unsere Ressourcen einteilen. Die Situation auf dem Werbemarkt ist dramatischer als angenommen (Anm. d. Red: Es drohen Einbussen von 20 Millionen Franken). Sie hatte sich sehr rasch zugespitzt. Daher musste ich rasch reagieren.
Trotzdem werden Sie beweisen müssen, dass Sie freie unternehmerische Entscheide treffen können und nicht von der Politik bestimmt werden. Die NZZ wettet bereits, dass die Besetzung journalistischer Schlüsselposition künftig im Parlament zu reden geben wird. Und «persönlich»-Verleger Matthias Ackeret schreibt, die SRG sei nun ein Staatssender. Wie überzeugen Sie uns vom Gegenteil?
Indem ich wiederhole: Es handelt sich um meine ersten hundert Tage. In diesen habe ich einige Entscheidungen getroffen bezüglich der Weiterentwicklung von SRF – wo ich Schwerpunkte setzen will. Insofern kann ich Ihnen nur zu beweisen versuchen, dass diese Audiostrategie nicht im Zusammenhang steht mit dem Entscheid des Nationalrats. Wir haben zum Beispiel den Termin für die Personal-Information bereits lange vor dem Nationalratsentscheid festgelegt. Sie könnten das in meinem Terminkalender nachprüfen, wenn Sie das wollen, oder sie könnten in den Prozess involvierte Kollegen fragen. Es ist nun einmal so: Es handelt sich um zwei Dinge, die jetzt zusammenkommen, aber unabhängig voneinander entstanden sind.
«Entlassungen kann ich aus jetziger Sicht nicht ausschliessen»
Welche Reaktionen haben Sie heute bei Ihrer Präsentation von den Mitarbeitenden erhalten?
Ich habe sehr viele positive Feedbacks erhalten. Obwohl ich auch Informationen vermitteln musste, die für uns nicht einfach sind.
Der Sparauftrag von drei Millionen Franken für Bern bleibt. Wie wollen Sie sonst sparen: Könnte es zu Entlassungen kommen?
Radio-Chefredaktorin Lis Borner hat den Auftrag, auszuarbeiten, wie wir diese drei Millionen in Bern sparen können. Selbstverständlich halten wir an unserem Grundsatz fest, zuerst bei der Infrastruktur zu sparen. Entlassungen ausschliessen kann ich aus jetziger Sicht aber nicht.
In Ihrer 100-Tage-Bilanz äussern Sie sich nur zu Radio. Was ist mit TV? Braucht es auch eine neue TV-Strategie?
Die Audiostrategie wird Teil sein einer Angebotsstrategie für SRF insgesamt, zu der auch TV gehört. Diese gehen wir jetzt dann an.
Gibt es Sendungen, die Sie nicht oder in anderer Form weiterführen wollen?
Dazu kann ich noch keine Aussagen machen. Bevor wir Entscheidungen treffen, möchte ich sorgfältig abwägen.
Wie begegnen Sie der Konkurrenz durch Blick TV?
Natürlich schauen wir, was Blick TV lancieren wird. Ich finde es gut, wenn es in der Schweiz trotz der Kleinräumigkeit mehrere Anbieter gibt. Diesen konstruktiven Wettbewerb nehmen wir gerne an.
Sie wollen die Matrix-Organisation bei SRF entflechten und in Richtung agile Gesamtorganisation entwickeln. Was heisst das genau?
Die Matrix-Organisation zu entflechten heisst in einem ersten Schritt, dass die Abteilung Programme so nicht weitergeführt wird. Die heute zugehörigen Bereiche benötigen wir jedoch weiterhin. Wer wo und wie zusammenarbeitet, wird innerhalb eines Projektes bestimmt, dessen Leitung Bakel Walden übernimmt. Bis März 2020 sollte die neue Organisation stehen. Interimistisch übernimmt Röbi Ruckstuhl, Bereichsleiter Radio, die Leitung der Abteilung Programme.
«Ich mache diesen Job wirklich sehr, sehr gerne – mit allem, was dazugehört»
Wer wird Hansruedi Schochs Nachfolger als Ihr Stellvertreter?
Aktuell amten die verschiedenen Abteilungsleiter, also alle meine Kolleginnen und Kollegen aus der Geschäftsleitung, als meine Stellvertreter – in ihrem jeweiligen Fachbereich. Ich werde mittelfristig eine Stellvertreterin oder einen Stellvertreter bestimmen, voraussichtlich noch in diesem Jahr. Ich habe hier keinen Zeitdruck, denn wir sind ein gut funktionierendes GL-Team.
Sie haben im «Blick»-Interview gesagt, dass Sie bei der Wahl zur SRF-Direktorin sehr glücklich gewesen seien. Nun, einige Monate später: Was haben Sie sich im Vorfeld anders vorgestellt.
(lacht) Implizieren Sie, dass ich nun weniger glücklich bin?
Nein, mich interessiert, was in der Realität anders ist als Sie es sich vorgestellt haben?
Ich wusste, dass dies ein Job sein wird mit vielen Herausforderungen. Was ist nicht voraussehen konnte, ist der so schnelle und massive Einbruch der Werbeeinnahmen. Das führt zu einer besonderen Situation, die ich mir so natürlich nicht gewünscht habe. Alle anderen Grossprojekte sind ja bereits eine Herausforderung für sich. Wir haben jedoch bereits Handlungsfelder definiert und sind nun in der Geschäftsleitung daran, Lösungen zu suchen. Aber auch hier: So fordernd all diese Prozesse sind, sie sind auch sehr kreativ. Von daher: Ich mache diesen Job wirklich sehr, sehr gerne – mit allem, was dazugehört.
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28.06.2019 20:23 Uhr
28.06.2019 09:14 Uhr