13.09.2018

Neues Mediengesetz

Ein Gesetzesentwurf, der viele Fragen aufwirft

Diskussionsstoff zur Genüge: Persönlichkeiten der Schweizer Medienwelt haben am Sessionslunch vom Mittwoch in Bern über das neue Gesetz debattiert, darunter SRG-Direktor Gilles Marchand und Medienkritiker Ronnie Grob.
Neues Mediengesetz: Ein Gesetzesentwurf, der viele Fragen aufwirft
Obwohl das Thema Konfliktpotenzial barg, verlief die Diskussion wenig hitzig. (Bilder: persoenlich.com)
von Anna Sterchi

Braucht es überhaupt eine staatliche Medienförderung? Wenn ja, wer soll davon profitieren? Diese und weitere Fragen zum neuen Bundesgesetz über elektronische Medien (BGeM) wurden am Sessionslunch der parlamentarischen Gruppe Medien und Kommunikation (GMK) diskutiert. Herzstück des Programms war eine Podiumsdiskussion mit vier Persönlichkeiten der Schweizer Medienwelt.

Die Veranstaltung stiess auf reges Interesse: Rund 60 Personen folgten am Mittwochmittag der Einladung ins Restaurant Lorenzini in Bern. Im Publikum fanden sich Parlamentarier, Vertreter vom Bakom, Uvek und Emek, Mitglieder des Verbands Schweizer Medien (VSM), Journalisten und weitere Interessierte. Nach einem kulinarischen Auftakt begrüsste Nationalrat Matthias Aebischer, der die Diskussion moderierte, die Anwesenden.

Danach erklärte der Vizedirektor des Bakom, Bernhard Maissen, die Grundzüge des BGeM, das bis am 15. Oktober in der Vernehmlassungsphase ist. Als Erstes stellte er klar: «Man darf nicht erwarten, dass das BGeM die Probleme der Medienbranche lösen kann.»

«Kein Gesetz für die Ewigkeit»

Weiter gab er zu bedenken, dass sich das neue Mediengesetz auf Radio, TV und die Onlinemedien beziehe. Für eine direkte Förderung von Printmedien fehle die Verfassungsgrundlage. Ein leises Raunen ging durch die Menge. Maissen hielt weiter fest, dass reine Textinhalte bei der Förderung der Onlinemedien nicht inbegriffen seien und schloss seine Rede mit: «Es wird kein Gesetz für die Ewigkeit.»

Aufgaben der Komem präzisieren

Den Auftakt der Podiumsdiskussion machte Gilles Marchand, Generaldirektor der SRG, der nicht ganz unglücklich schien, sein Plädoyer auf Französisch halten zu können. Marchand betonte, dass er noch einige offene Fragen in Bezug auf das neue Mediengesetz habe. Beispielsweise müsse man die Aufgabe der neu geschaffenen, unabhängigen Kommission für elektronische Medien (Komem) diskutieren und präzisieren. Für Diskussionsstoff werde auch die Kooperation zwischen der SRG und den privaten Medien sorgen. So sei er froh, dass man dank der Übergangsregelung noch etwas Zeit habe.

Printmedien im Nachteil

Gilbert Bühler, CEO der «Freiburger Nachrichten» und Präsidiumsmitglied des VSM, legte die Sicht der Verlegerinnen und Verleger dar. Für ihn stand fest, dass das neue Gesetz zu einer Wettbewerbsverzerrung führen würde. Schon heute seien die Printmedien klar benachteiligt. Sie erhielten lediglich 30 Millionen in Form von indirekter Presseförderung, ihr Aufwand belaufe sich aber auf 1,4 Milliarden: «So können wir nicht mehr lange existieren», meinte er.

Daher verlangte Bühler zusätzliche 90 Millionen Franken indirekte Förderung und fand, das sei eine «bescheidene» Forderung. Direkte Presseförderung lehne er aber entschieden ab: Die Zeitungen hätten keinen staatlichen Leistungsauftrag, sondern einen Auftrag seitens ihrer Leserschaft. Zum Schluss lobte er die Arbeit der Printmedien: «Wir machen schweizweit einen sehr guten Job.»

Sorge um Freiheit der Medien

Auch Ronnie Grob, stellvertretender Chefredaktor des «Schweizer Monat» und Medienkolumnist der «NZZ am Sonntag», verlor wenig gute Worte über den Gesetzesentwurf: «Ich sorge mich um die Freiheit und die Unabhängigkeit der Journalisten. Denn wer einen Leistungsauftrag erfüllen muss, ist kein freier Journalist mehr, sondern wird zu einem vom Staat gebändigten Journalisten, der sich vielfachen Regeln unterwerfen muss.»

Für den Medienkritiker war klar: «Mit privaten Medien sind wir besser dran.» Aufgabe des Journalismus sei es, einen kritischen Blick auf die staatlichen Organe zu werfen. Das gelinge aber nicht, wenn die Journalisten von ihnen finanziell abhängig seien. Komme das Mediengesetz, so könne man sagen: «Je mehr Medien sich diesem Gesetz unterwerfen, desto unfreier, desto staatsnaher werden die Schweizer Medien sein.»

Innovation müsse gefördert werden

Gespannt erwarteten die Zuhörenden die Sicht des Wirtschaftsjournalisten Simon Schmid, der für die «Republik» schreibt. Die «Republik» ist ein im Januar 2018 gegründetes digitales Magazin, das zu 100 Prozent von seinen Leserinnen und Lesern finanziert wird.

Schmid sprach sich dafür aus, dass das neue Mediengesetz den Wettbewerb und die Innovation fördern müsse. Auch sei es wichtig, die künstliche Aufteilung zwischen Text, Audio und Video zu überarbeiten, denn sie mache keinen Sinn im Internetzeitalter.

Direkte Förderung der Printmedien wird abgelehnt

Kürzlich stellte Peter Wanner, Verleger der AZ Medien, die direkte Presseförderung zur Diskussion (persoenlich.com berichtete). Bühler, wie Wanner auch im Präsidium des VSM, wollte davon nichts wissen: «Wir wollen keine direkte Förderung. Wir fürchten um unsere Unabhängigkeit.»

In diesem Punkt stimmte ihm Grob zu, richtete anschliessend aber Kritik an die Verleger: Die Printbranche wisse seit vielen Jahren, dass sie aufgrund des wachsenden Online-Bereichs umstellen müsse. Das habe man verpasst, vielmehr hätten die Zeitungen ihr Kernprodukt, die journalistische Leistung, in den letzten 15 Jahren online verschenkt statt verkauft. Jetzt, wo das angestammte Geschäftsmodell in Schwierigkeiten gerate, rufe man nach dem Staat. Ein Lösungsansatz wäre beispielsweise gewesen, auch online mehr Abonnements zu verkaufen.

Die Frage der journalistischen Unabhängigkeit

Erstaunt hat die Aussage von «Republik»-Journalist Schmid. Er schien der Idee nicht abgeneigt zu sein, dass sein Online-Magazin staatlich gefördert würde, sollte es in der Schweiz dereinst ein breit abgestütztes Fördersystem geben. Schmid war der Meinung, dass zehn Prozent Staatseinahmen die Berichterstattung in der «Republik» nicht verändern würden.

Im Fokus des neuen Mediengesetzes müssten allerdings nicht Projekte wie die «Republik» stehen, sondern der Lokaljournalismus, wo die Medienkrise am stärksten zu spüren sei und ein funktionierendes Geschäftsmodell für das Onlinezeitalter nicht in Sicht.

Nicht zuletzt äusserte sich auch SRG-Direktor Marchand zur Unabhängigkeit von Medienschaffenden: Er ergänzte, dass man einen Unterschied zwischen journalistischer und unternehmerischer Unabhängigkeit machen müsse. Die SRG-Medienschaffenden seien journalistisch nicht abhängig vom Staat.

Heikles Verhältnis zwischen SRG und Privaten

Dem pflichtete auch Grob bei, schob aber gleichzeitig Kritik nach: Die SRG-Journalisten seien zwar in der Tat unabhängig, den Staatsapparat jedoch würden sie kaum je kritisieren. Konträr zu Marchand sprach er sich gegen mehr Kooperationen zwischen privaten Medien und der SRG aus: «Wenn die Privaten das zulassen, gibt es irgendwann gar keine Privaten mehr.»

Die Wichtigkeit der Frage nach der journalistischen Unabhängigkeit relativierte Manuel Puppis, Professor für Mediensysteme und -strukturen an der Universität Freiburg: Laut ihm gibt es keinen wissenschaftlich erwiesenen Zusammenhang zwischen der direkten Förderung und der (Un-)Abhängigkeit der Medien.

Beitrag zur öffentlichen Diskussion

An der Debatte vom Mittwoch gab es kaum Punkte, bei denen sich die Runde einig war – die Thematik ist auch sehr komplex. Die Geister schieden sich schon bei der Frage, ob ein solches Mediengesetz überhaupt nötig sei oder nicht. Trotzdem leistete der Anlass einen wichtigen Beitrag zur öffentlichen Diskussion – nicht zuletzt, weil die Veranstaltung auf Interesse der Politik stiess: Bei dieser Ausgabe des GMK-Sessionslunchs fanden rund 13 Parlamentarier den Weg ins Lorenzini. Dies seien mehr als doppelt so viele wie üblich, wusste Andreas Häuptli vom VSM.

Auch die angeregten Gespräche beim anschliessenden Dessertbuffet zeugten vom allgemeinen Interesse an dem Mediengesetz und der Medienlandschaft Schweiz im Allgemeinen.



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