14.03.2018

Ringier

«Es ist eine Botschaft der Stabilität»

Weichenstellung an der Zürcher Dufourstrasse: CEO Marc Walder kauft zehn Prozent der Aktien und wird Michael Ringier dereinst als VR-Präsident nachfolgen. Robin Lingg wird das neue Oberhaupt der Ringier-Familie. Ein Gespräch über Finanzen, Familie und Frauen.
Ringier: «Es ist eine Botschaft der Stabilität»
Gegenwart und Zukunft des Unternehmens Ringier (v.l.): CEO Marc Walder (52), Verleger Michael Ringier (68) und dessen Neffe Robin Lingg (38), Geschäftsleitungsmitglied bei Ringier. (Bilder: Christoph Köstlin)

Herr Ringier, was ist ein echter Ringier?
Michael Ringer: Es gab bei uns alles – wahnsinnig Tüchtige, weniger Tüchtige, die Ausgeflippten.

Herr Walder, Sie sind neu Teilhaber der Ringier AG (persoenlich.com berichtete). Was ist Ringier für Sie?
Marc Walder: Ringier steht für die Bereitschaft, Risiken einzugehen, sich immer wieder neu zu erfinden, für grosse Verantwortung gegenüber Mitarbeitenden. Und Ringier steht für ein modernes Medienunternehmen, das es geschafft hat, sich zu diversifizieren und zu digitalisieren.

Herr Lingg, Sie sind der Jüngste in der Runde. Weiss man mit 38 schon, was ein Ringier ist?
Robin Lingg: Etwas weiss ich: Schubladisieren lässt sich ein Ringier nicht. Wir sind flexibel. Ringier lässt einem viele Freiheiten.


Warum ist Marc Walder ein Ringier?
Ringier: Der Deckungsgrad zwischen Marc und der jetzigen Ringier-Generation ist hoch. Es beginnt bei der Integrität, geht über Ehrlichkeit bis hin zum Ehrgeiz. All das sind wichtige Qualitäten.
Lingg: Marc und ich arbeiten seit fünf Jahren zusammen. Er trägt die gemeinsame Vision der Familie mit. Die Grenzen zwischen Familie und Marc lösen sich bei der Arbeit auf. Was richtig, was falsch ist, sehen wir alle gleich.

Wie sehen Sie fortan Ihre Aufgabe, Herr Walder?
Walder: Während der Phase, in der ich Ringier leiten darf, stelle ich die Weichen, damit die nächste Generation ein möglichst gut aufgestelltes Unternehmen vorfinden kann.

Wessen Idee war es, Marc Walder zum Teilhaber und designierten VR-Präsidenten von Ringier zu machen?
Ringier: Bei anderen Firmen heisst es schnell: «Ich habe die Idee gehabt.» Wir…

Lingg: …wir wissen es gar nicht…
Ringier: …wirklich nicht. Es entstand ganz natürlich, wie vieles bei uns.
Lingg: Plötzlich stand es im Raum, dann sagten alle: Ja, so ist es.

Ringier: Es war logisch, dass es so ist.

Bei Ringier passieren Dinge einfach?
Walder: Robin hatte einen sehr guten Job in Mexico City, bei einem Pharmakonzern, der deutlich grösser ist als Ringier, mit 45’000 Mitarbeitern. Als ich bereits CEO war, haben Michael, Robin, dessen Mutter Evelyn und ich uns gefragt, ob wir Robin zu Ringier bringen sollten. Niemand dachte daran, dass er fünf Jahre später hier den ertragreichsten Bereich der Firma verantworten würde, den digitalen, der fast 70 Prozent des operativen Gewinns einbringt. Er führt diesen Bereich, weil er viel leistet, weil er Ringier in Afrika grossartig weiterentwickelt hat – und nicht, weil er zur Familie gehört.

Lingg: Das Erfolgsgeheimnis der fünf, nun sechs Generationen liegt darin, dass man nicht auf Jahrzehnte hinaus plant, sondern versucht, immer das jeweils Beste zu tun.
Ringier: Meine beiden Schwestern haben kaum gedacht, dass ich das halb anständig hinbringen würde. Man lässt einander machen, dann funktioniert es – meistens.

Herr Ringier, Sie haben vor Jahren schon angetönt, dass Sie Marc Walder nachziehen wollen. Was hat es gebraucht, um Ihre Schwestern zu überzeugen, die Mitaktionärinnen?
Ringier: Das war nicht zentral.

Sondern?
Ringier: Nötig war, dass ich endlich über mein eigenes Alter nachdachte. Dabei merkte ich: Ja, ich bin älter geworden, ohne es wahrzunehmen.

Welchen Schluss zogen Sie daraus?
Ringier: Es ist dringend, den Generationenwechsel anzugehen. Meine Schwestern Evelyn und Annette musste niemand überzeugen.

Lingg: Das ist ja kein Verhandlungsergebnis. Es gab kein Hin und Her. Kein «Ich gebe dir das, du mir das». Du, Michael, hast gesagt, wir müssen uns an einen Tisch setzen und über die Nachfolge reden.


Dann zog sich die Familie zurück, und draussen wartete Marc Walder, bis weisser Rauch aufstieg?
(alle lachen) Ringier: Wir gingen das professionell an und suchten einen Moderator. Er klärte bei allen die Interessen ab. Dabei stellte er eine grosse Harmonie fest. In kurzer Zeit bereinigten wir legitime Einzelinteressen.

Warum hat dabei nichts geleakt?
Ringier: Es gibt nur Lecks, wenn etwas nicht stimmt. Bei uns stimmt alles.

Bisher besassen drei Aktionäre je ein Drittel. Wollte einer oder eine verkaufen, kamen nur die beiden anderen als Käufer in Frage. Wie haben Sie diese Regel umgangen?
Ringier: Plötzlich passen einst gute Regeln nicht mehr. Sind sich alle einig, findet man einen neuen Konsens. Irgendwann wird die nächste Generation die neuen Regeln wieder ändern.

Die Beteiligung von Marc Walder deutet einen Börsengang an. Wann lässt sich Ringier kotieren?
Ringier: Solange ich dabei bin, geht Ringier nicht an die Börse.
Lingg: Was wir jetzt machen – das ist ganz wichtig für die Mitarbeitenden –, ist ein Vertrauensbeweis für Marcs Arbeit. Es ist eine Botschaft der Stabilität. Wir möchten diese Firma als Familienunternehmen weiterführen. Deshalb arbeite ich ja für Ringier.

Es kursieren Zahlen über die Wertsteigerung der Firma unter Marc Walder. Die «Weltwoche» schreibt von 900 Millionen auf 1,5 Milliarden. Entspricht das der Wahrheit?
Ringier: Hinter Ihnen hängt ein Werk von Anselm Reyle. Wie wertvoll es ist, weiss ich erst, wenn ich es zum Verkauf an eine Auktion gebe. Wollen es zwei, geht der Preis durch die Decke. Will es nur einer, sinkt er.
Lingg: Bei uns wird wenig über Geld gesprochen.
Ringier: Wir wissen schlicht nicht, wie wertvoll das Unternehmen ist. Aber wir sind überzeugt, dass wir eine viel bessere Firma haben, seit Marc da ist. Nicht Zahlen sind interessant, sondern Menschen.

Dass er sich beteiligen darf, ist eine Anerkennung für diese Leistung?
Lingg: Natürlich ist es eine Anerkennung, aber nicht nur. Es ist eine Bestätigung, dass wir den Weg weitergehen wollen, den er eingeschlagen hat.

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Hat die Familie die Aktien Marc Walder geschenkt?
Lingg: Nein.
Ringier: Geschenke funktionieren nie, nicht einmal in einer Ehe, wenn nichts Ernsthaftes dahintersteckt.
Walder: Lassen Sie mich kurz über die Aktionäre, die Familie Ringier, sprechen. Unser Geschäftsmodell ist massiv angegriffen worden. Zeitungen, Zeitschriften, Druckereien sind durch die Digitalisierung substanziell geschwächt worden. Es brauchte Aktionäre mit enormem Mut. Wir redeten vor knapp zehn Jahren darüber, Dutzende Millionen für Ticketcorner auszugeben, gar Hunderte von Millionen für Jobs.ch oder Scout24. Ich habe miterlebt, was sich jene anhören mussten, die das damals wagten.

Was hiess es?
Walder: Viele Verlagskollegen, die sich weniger mutig, weniger schnell veränderten, sagten: «Du bist wahnsinnig, und die Aktionäre sind noch wahnsinniger, derart hohe Risiken einzugehen, in Geschäfte zu investieren, die ihr nicht kennt.» Die Lorbeeren verdienen also jene, die uns diese Investitionen erlaubten, nicht die Manager, die das umsetzten.
Ringer: Sorry, Marc, aber es braucht beide. Unsere Firma ist alles, was wir haben. Es gibt keine geheimen dicken Konten mit zig Millionen. Ich will jetzt nicht die arme Maus geben oder mein schönes Leben schlechtreden. Aber bei allem, was wir machen, tragen wir das Risiko.
Walder: Der Anfang der Transformation war prägend. Er hat mich eng an die Aktionäre gebunden. Sie haben mir das Vertrauen geschenkt, viel Geld zu investieren in Firmen, von denen wir im Management glaubten, es seien die richtigen. Das Risiko hat sich gelohnt. Viele der Unternehmen sind heute ein Vielfaches ihres damaligen Kaufpreises wert.

Sie haben nun zehn Prozent einer viel wertvolleren Firma gekauft. Ich kenne Ihre finanziellen Verhältnisse nicht, nehme aber an, Sie bezahlten die Aktien nicht bar. Wie konnten Sie sich den Einkauf leisten?
Walder: Zusammen haben wir eine Lösung gefunden, wie ich einen beachtlichen Anteil – zehn Prozent sind unheimlich viel für mich – an diesem wunderbaren Unternehmen übernehmen konnte. Die Lösung bleibt im Kreise jener, die sie entwickelt haben.

Bisher waren Sie Angestellter mit einem Lohn. Nun sind Sie Teilhaber, tragen die Risiken mit. Geht etwas schief, könnten Schulden bleiben. Wie verändert das Ihr Bewusstsein?
Walder: Mit der Last und der Lust eines Unternehmers bin ich aufgewachsen. Mein Vater hatte ein Architekturbüro. Es wuchs von vier auf 38 Mitarbeiter an, dann ging es wieder runter. Lief es, waren alle zufrieden, lief es nicht, spürten wir das. Ich war stets gewissenhaft. Seit die Beteiligung bekannt ist, überlege ich wohl noch genauer, wie wir investieren.

Sie werden Michael Ringier als Verwaltungsratspräsident nachfolgen. Bleiben Sie CEO?
Walder: Was wir jetzt haben, ist sehr gut. Einen Chairman, der Mitbesitzer ist, selbst CEO war, der alle unsere Geschäfte hervorragend kennt. Nun hat die Familie bekannt gegeben, dass ich irgendwann das Präsidium übernehmen werde. Dann wird es einen neuen CEO geben.
Lingg: Wir haben stets für frischen Wind gesorgt und geschaut, dass man nicht in die gleiche Richtung rennt. Es geht nicht, dass man gleichzeitig Aktionär, CEO und VR-Präsident ist. Michael sagt, dann rede man nur noch mit sich selbst, dann fehlen die Impulse.
Ringier: Gegenkräfte waren mir stets wichtig. Der Vizepräsident im Verwaltungsrat, Uli Sigg, führt die Sitzungen. Meine Schwestern sind zwar in der Öffentlichkeit weniger präsent, aber intern sehr. Sie wissen alles, sind manchmal sehr hartnäckig und das Gegenteil von Abnickern. Dank dieser Gegenkräfte lösen wir am Schluss alles in Harmonie.

Herr Ringier, Sie absolvierten den ersten Jahrgang der Ringier-Journalistenschule
Ringier: …aus den meisten Abgängern ist ja etwas geworden…

…würden Sie einer Ihrer Töchter diesen Berufsweg heute empfehlen?
Ringier: Ja, aber ihre Wege gehen in andere Richtungen. Selbstverständlich ist Journalismus nach wie vor etwas Faszinierendes. Wirtschaftlich aber ist er wesentlich weniger interessant als früher, gleichzeitig viel anspruchsvoller.

Sie waren ebenfalls Journalist, Herr Walder, die Digitalisierung scheint Sie mehr zu packen. Bleibt Ringier journalistisch? Nimmt das Interesse ab?
Walder: Das Unternehmen ist deutlich unabhängiger geworden vom Journalismus. Das ist richtig. Keiner, der heute in dieser Branche arbeitet, weiss, was in fünf Jahren sein wird. Deshalb war die Transformation ein kluger Schritt. Dass man daraus folgert, Journalismus wäre nicht mehr wichtig, ist falsch. Michael hat immer gesagt, gerade weil wir journalistische Produkte herausgeben, konnten wir uns in den letzten zehn Jahren so verändern. Partner haben mit uns Firmen gebaut, weil wir eine grosse Geschichte haben im Journalismus.
Lingg: Weder die Faszination für noch das Interesse am Journalismus nimmt ab. Das Bewusstsein nimmt aber zu, dass es schwieriger geworden ist, Journalismus zu finanzieren.

Sie selber haben keine journalistische Ausbildung.
Lingg: Vermutlich hat bei Ringier in den letzten fünf Jahren niemand mehr journalistische Jobs geschaffen und Newsrooms gebaut als ich. Wer sich um den Stellenwert des Journalismus bei Ringier sorgt, soll sich überlegen, welche Sorgen wir ohne die nichtjournalistischen Tätigkeiten hätten.
Walder: Ich verstehe die Fragen der Journalisten, ob sie im Unternehmen wichtig bleiben. Auch, weil immer mehr über künstliche Intelligenz und lernende Maschinen gesprochen wird. Journalisten, die sich wundern, ob sie noch am richtigen Ort sind, sage ich: Es ist der beste Ort, weil das Unternehmen eben so breit abgestützt ist.

Redaktor. Chefredaktor. Schweiz-Chef. Konzernchef. Mitinhaber. Herr Walder, wie erklären Sie Ihren Kindern, wie man eine solche Karriere schafft?
Walder: Am Schluss ist es immer Fleiss, davon bin ich überzeugt. Es ist noch niemand ein guter Tennisspieler geworden, ohne dass er viel trainiert hat. Nicht verbissener Fleiss, sondern echte Hingabe.

Fleiss allein reicht?
Walder: Das Zweite ist Integrität. Die Menschen, mit denen man zu tun hat, sollen sagen: «Mit dem mache ich das gerne.» Es gibt den wahren Spruch «people do business with people they know, like and trust».

Ist Ringier fest in Männerhand?
Lingg: Nein, wir haben ganz starke Frauen auf wichtigen Positionen.
Ringier: Zwei Drittel sind Aktionärinnen. Jeder, der unsere Frauen kennt, weiss: Wir, die hier sitzen, sind nur die Attrappen.
Walder: Das Thema Frauen ist bei Ringier wichtig. Zwei Frauen sitzen in der Konzernleitung. Zentrale Bereiche wie Finanzen und Technologie werden von Frauen geführt, ebenso Human Resources und Mergers & Acquisition. Je eine Frau führt Serbien und Blick Online.
Ringier: Es passiert viel, aber wir haben da sicher Raum, uns zu verbessern.

Sie haben zwei Töchter. Nach Robin gebe es da ja Möglichkeiten, dass eine Frau an der Spitze der Familie steht.
Ringier: Das haben wir nie ausgeschlossen. Bei meiner Generation war die Frage berechtigt. Ich musste es nicht machen, weil ich ein Mann bin, sondern weil es klar war, dass meine Schwestern es nicht wollten.

Jede Generation hinterlässt ein Vermächtnis. Was ist Ihres?
Ringier: Das werden andere beurteilen, ich bin da schmerzfrei. Ich versuche, die Sache so gut zu machen, wie ich das gemäss meinem Anspruch kann. Mit anderen messe ich mich nicht. Das Wort Vermächtnis gebrauche ich nie. Über die jetzige Lösung bin ich froh. Der Rest ist die Aufgabe von Robin.


Interview: Peter Hossli

Die ungekürzte Fassung erschien in der März-Ausgabe von «Domo», dem Unternehmensmagazin von Ringier (Download PDF).

 

 

 



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