16.05.2003

"Es sind Formate wie 'Big Brother', die uns das Wasser abgraben"

Die deutsche Viva Media hat am Donnerstag ein Minus von 1.2 Mio. Euro ausgewiesen. "persoenlich.com" wollte von Viva Schweiz-Geschäftsführerin Asta Baumöller (Bild) wissen, wie gross der Verlust beim Schweizer Musiksender ist, warum sie nicht mehr nur auf Key-Partner setzt, welche Crossover-Projekte mit Schweizer Verlagshäusern anstehen und ob sich Viva Schweiz-Mitbegründerin Suzanne Speich tatsächlich aus dem operativen Geschäft zurückzieht. Das Interview:
"Es sind Formate wie 'Big Brother', die uns das Wasser abgraben"

Die Viva-Gruppe hat das 1. Quartal 2003 soeben mit roten Zahlen abgeschlossen. Wie gross ist der Verlust beim Schweizer Ableger?

Auf den Punkt gebracht: Viva Schweiz hat den Umsatz im mittleren einstelligen Bereich knapp verfehlt. Und darauf bin ich bei der aktuellen Wirtschaftslage wirklich stolz. Zahlen werde ich Ihnen zwar keine nennen, wir stehen jedoch besser da als die Gesamtgruppe. Dabei muss man aber auch sehen, dass wir grundsätzlich sehr haushalten, kostenbewusst arbeiten und die wirtschaftliche Gesamtsituation in Deutschland schwieriger ist als in der Schweiz.

Woraus resultiert der Verlust?

Zum einen spielt wie gesagt grundsätzlich die wirtschaftliche Gesamtsituation mit hinein, wenn auch der TV-Werbemarkt mit einem Rückgang von 3.1 Prozent im Vergleich zu den Printmedien noch einigermassen glimpflich davongekommen ist. Ein weiterer Grund liegt darin, dass Viva Schweiz in den vergangenen Jahren vor allem auf grosse Key-Partner gesetzt hatte, von denen einige unterdessen ausgestiegen sind. Diese Key-Partner im kleinen Schweizer Markt zu ersetzen, hat sich als eigentlicher Kraftakt entpuppt. Handkehrum konnte wir in den letzten Monaten so wichtige Markenartikler wie Migros, Nokia oder auch Phillips gewinnen -- was mich sehr freut, beweist es doch, dass unser Image als Sender, aber auch das der jungen Zielgruppe im Markt, gestiegen ist.

Die alte Strategie mit den wenigen Key-Partnern wie McDonald?s, Sunrise oder auch Motorola hat sich also als Klumpenrisiko entpuppt?

Ja. Wobei, ob Viva Swizz ohne Key-Partner in der ersten Zeit jemals überlebt hätte, ist fraglich. Diese Key-Partner waren wie eine Police in der Tasche, die uns vor dem Schicksal von Sendern wie TV3 oder Tele24 bewahrt hat. Erfreulicherweise sind übrigens McDonald's und Coca Cola immer noch als Sponsoren "im Boot".

Für eine bessere Performance soll gemäss Ihrem Stammhaus eine Programmoffensive sorgen, durch welche das Viva-Abendprogramm "deutlich frecher, erwachsener und internationaler" werde. Können Sie das ausdeutschen?

Viva Deutschland liefert sich zur Zeit mit dem Mitbewerber MTV ein aktives Wettrennen um Quoten. Dies mit der Situation in der Schweiz gleich zu setzen, wäre wie Äpfel und Birnen zu vergleichen. Diese Art von Programmoffensive gilt denn auch erstmal explizit für den deutschen Markt, wo Viva Deutschland auf die Bedürfnisse der dortigen Zielgruppe eingeht. Wir werden dennoch prüfen, welche dieser Formate auch für den Schweizer Zuschauer interessant sein könnten und ggf. ab Herbst die entsprechenden programmlichen Einbindungen vornehmen.

Wer führt das Quotenrennen in der Schweiz an?

Viva Schweiz legt seit Jahresbeginn laufend zu -- in kleinen Schritten, aber stetig. Für den April weisen wir einen Marktanteil von 2.2 Prozent aus, MTV liegt bei 1.7 Prozent (24h Schnitt, Zielgruppe 15-29, Quelle: Telecontrol). Ehrlich gesagt finde ich den gern genommenen Vergleich mit MTV aber ziemlich an den Haaren herbeigezogen: MTV bricht mit einem deutschen Programm in den Schweizer Markt ein, während wir hier vor Ort mit einer bloss 40-köpfigen Mannschaft eine relative gute Performance haben. Was mir eher Sorgen macht, ist die Tatsache, dass immer mehr Nicht-Sparten-Sender die Jungen ins Visier nehmen. Es sind vor allem Formate wie "Big Brother" oder auch "Starmania", die uns das Wasser abgraben, nicht hauptsächlich MTV.

Wie unabhängig funktioniert Viva Schweiz?

Ziemlich unabhängig. Während die ersten internationalen Töchter noch sehr fest ans Mutterhaus gekoppelt waren, hat man heute erkannt, dass in jedem Land die Uhren anders ticken. "Think global act local" -- diese Motto nehmen wir tatsächlich wörtlich. Wir überlassen es anderen, als Heilsbringer in einen Markt zu kommen, und den Zuschauern dort sagen zu wollen, was Trend ist und was sie jetzt alles zu tun hätten. Viva hat es sich zum Ziel gesetzt, den lokalen Zielgruppen lokal entgegenzukommen. So werden Konzepte, die in Deutschland funktionieren, von meinen Mitarbeitern manchmal auch abgelehnt, weil sie in der Schweiz nicht funktionieren würden. Ich bin also ziemlich unabhängig von Deutschland, brauche auch nicht im Zweitages-Rhythmus zu rapportieren. Zumindest, solange die Zahlen stimmen... (lacht).

Anfangs April wurde bekannt, dass Sie Kündigungen ausgesprochen haben. Wann folgen die nächsten?

Nun, wie ich schon damals gegenüber "persoenlich.com" erklärt habe, haben wir "vorausschauend" gehandelt. Der heutige Bestand ist genau richtig, und solange nicht gerade eine Grippewelle anrückt, können wir so gut arbeiten. So gesehen wird es in nächster Zeit sicherlich zu keinen weiteren Kündigungen kommen.

Im vergangenen Jahr hat sich Viva Schweiz neu positioniert und seit anfang Mai 2003 ein neues Logo erhalten. Die dazu gehörige Dachkampagne läuft erst jetzt im Juni an. Warum diese Zeitdifferenz?

Viele Dinge haben mir auch die Journalisten ist den Mund gelegt! (lacht) Als ich vor einem Jahr als Geschäftsführerin in der Schweiz gestartet habe, wurde mir immer wieder untergeschoben, jetzt werde alles anders. In Tat und Wahrheit -- übrigens habe ich auch nie wirklich etwas anderes gesagt -- haben wir vor allem Bestehendes justiert, wenn wir auch ein paar neue Formate und Designs eingeführt haben. Das nenne ich aber beim besten Willen noch keine Neupositionierung. Warum sollte ich auch eine funktionierende Philosophie in Frage stellen? Die anstehende Kampagne sehe ich denn auch eher als Imagekampagne, die unsere Stärken in den Vordergrund stellen und das neue Logo bekannt machen soll.

Viva-Chef Dieter Gorny hat in einem Interview erklärt, die Schweizer Medienindustrie hätten die Zielgruppe der 12- bis 25-Jährigen noch nicht richtig entdeckt. Was für Crossover-Projekte mit Schweizer Verlagshäusern sind in der Pipeline?

Leider gar keine, was aber nicht auf mangelndes Interesse zurückzuführen ist. So hatten wir mit diversen Häusern Kontakt, mussten aber realisieren, dass diese aufgrund der Wirtschaftslage momentan ganz andere Probleme haben. Wir werden es später nochmals versuchen...

Viva Schweiz ist seit neuerem mit dem wöchentlichen "Clip-Tipp" in 20 Minuten vertreten. Stehen weitere gemeinsame Projekte an?

Zur Zeit gerade nicht. Anderersseits ist 20 Minuten eines der wenigen Medien in der Schweiz mit der gleichen jungen Zielgruppe wie wir. Zumindest, solange es noch kein Bravo Schweiz gibt... Da wir aber sehr offen sind für Partnerschaften, ergibt sich ja vielleicht noch anderes.

Suzanne Speich hat Ihnen das Heft vor rund einem Jahr übergeben. Inwieweit ist sie heute noch im operativem Geschäft involviert?

Frau Speichs Vertrag als Delegierte des VRs für Clients und Sales Relations würde eigentlich im Sommer auslaufen. Andererseits hat sie viele Beziehungen, solch eine grosse Schweizerfahrung -- ich würde mal sagen, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. Vorausgesetzt, dass nicht demnächst eines ihrer vielen Projekte spruchreif wird...

Die Schweizer Werbewirtschaft rechnet gemäss einem Tages-Anzeiger-Artikel vom Donnerstag mit einer Erholung bei der TV-Werbung. Teilen Sie diesen Optimismus?

Da stellen Sie mir eine ganz, ganz schwieriege Frage... aber vielleicht zeichnet er sich ja tatsächlich ab, der Silberstreifen am Horizont. Ganz vorsichtig ausgedrückt, könnte ich mir vorstellen, dass im 2004 ein leichter Anstieg möglich wäre. Viele unserer Kunden verhalten sich zur Zeit jeweils zögerlich, um dann sehr kurzfristig zu agieren. Eine Politik der kleinen Schritte, die jedoch auch zum Erfolg führen kann.


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