02.11.2017

Ringier

Fotografen wehren sich gegen miese Konditionen

Der «Blick» hat den freien Fotografen neue Verträge vorgelegt, Ringier Axel Springer Schweiz plant dasselbe: Künftig sollen sie für Bilder alle Nutzungsrechte abtreten – ohne dafür mehr Geld zu erhalten. Auch Verbände und Gewerkschaften kritisieren das Vorgehen von Ringier.
Ringier: Fotografen wehren sich gegen miese Konditionen
Fotografen bei der Arbeit bei einem Event der Schweizer Luftwaffe auf der Axalp im Oktober 2017. (Bild: Keystone / Christian Merz)
von Michèle Widmer

Die Schweizer Fotografenszene ist in Aufruhr. Grund ist ein neuer Rahmenvertrag für freischaffende Fotografen bei Ringier. Vor einigen Wochen haben die Verantwortlichen über die Änderungen informiert. Für die Fotografen am einschneidendsten ist Punkt 7 des Vertrags, welcher persoenlich.com vorliegt. Darin steht: «Der Fotograf tritt hiermit im Sinne einer Gesamtrechtsübertragung alle Nutzungsrechte an den gemäss den Einzelaufträgen für Ringier erstellten Bildern an Ringier zu Eigentum ab.»

Nachfolgend aufgezählt werden das Recht auf Erst- und Mehrfachdruck in Print- und Onlinemedien, das Recht auf Vervielfältigung über Datenbanken, Archive oder Sammelwerke und jenes zur Nutzung der Bilder für eigene kommerzielle Zwecke. Zudem behält sich Ringier den Verkauf an Dritte vor und fügt zum Schluss alle bisher noch unbekannte Nutzungsarten an. Mehr Honorar erhalten die Fotografinnen und Fotografen künftig aber nicht. Nachzulesen in Punkt 2 im Vertrag. Demnach zahlt Ringier weiterhin 75 Franken pro Arbeitsstunde. Auch Pauschalabgeltungen sind laut Vertrag möglich.

Nach der Blick-Gruppe soll nun zusätzlich Ringier Axel Springer Schweiz folgen. Laut mehreren Quellen plant auch der Zeitschriftenverlag neue Verträge für die Fotografen – zu den selben verschlechterten Konditionen. «Wir prüfen und beurteilen aktuell mögliche Rahmenverträge für Fotografen», bestätigt Karin Heim, Sprecherin des Zeitschriftenverlags auf Anfrage. Ein endgültiger Entscheid stehe noch aus.

«Enormer finanzieller Verlust»

An der Dufourstrasse kam es bereits zu Gesprächen. Am Tisch sassen Vertreter der Vereinigung fotografischer Gestalterinnen und Gestalter, der Verband der Schweizer Berufsfotografen und Fotodesigner (SBF) sowie Impressum und Syndicom. Letztere kritisiert gegenüber persoenlich.com zum einen den Vertragsinhalt, zum anderen das Vorgehen von Ringier.

«Der Verlag will sich exklusiv alle Nutzungsrechte abtreten lassen, ohne dass dies im Honorar entschädigt wird», sagt Stephanie Vonarburg von Syndicom. Für viele Fotografen sei das Wegfallen der Mehrfachverwertung ein enormer finanzieller Verlust. Laut Vonarburg ist der Vertrag auch rechtlich fragwürdig. Konkret nennt sie den Passus, wonach die Urheberrechte auch für noch unbekannte Nutzungsarten abgetreten werde. Also quasi für alle Zeiten.

«Wir machen diesen Schritt, um in Zukunft Kooperationen und Austausch mit anderen Medien besser und einfacher zu ermöglichen», begründet Ringier-Sprecherin Manuela Diethelm den Entscheid auf Anfrage. Die neue Rahmenvereinbarung biete den Fotografen Sicherheit, da diese bisher häufig allein auf Basis mündlicher Aufträge gearbeitet hätten und nun alle Haftungsfragen, Rechte und Pflichten transparent und einheitlich geregelt seien. Der Lohn liege weiterhin über dem Branchenschnitt und orientiere sich am oberen Spektrum von Fotoagenturen, bei denen entsprechende Rechteübertragungen selbstverständlich seien. 

Zudem verweist Diethelm auf 40 von insgesamt 50 Fotografen, die den Vertrag bereits unterzeichnet hätten. Einige Rückmeldungen stünden noch aus. «Wir haben in den Gesprächen mit ihnen Verständnis gespürt», sagt sie. Nach Gesprächen mit einigen Fotografen sieht Stephanie Vonarburg das anders: Viele hätten den Vertrag aufgrund der kurzen Fristen «unter Druck» unterschrieben, sagt sie.

Aufruf, nicht zu unterschreiben

Während die Fotografen die neuen Konditionen bei Ringier wohl oder übel akzeptieren müssen, ist bei Ringier Axel Springer Schweiz das Feld noch offen. Im Hinblick darauf nutzt Syndicom die Chance, um betroffene Fotografinnen und Fotografen zu sensibilisieren. Im Newsletter vom Dienstag hat die Gewerkschaft ihnen empfohlen, den Vertrag nicht zu unterschreiben und Neuverhandlungen zu verlangen. Anbei war auch ein Musterbrief, mit der Forderung an Ringier, den Vertragsentwurf zurückzuziehen und ihn mit den vier Verbänden zu überarbeiten.

Ob die Bemühungen der Gewerkschaften etwas nützen, wird sich zeigen. Klar ist, dass die neuen Verträge von Ringier Axel Springer Schweiz wesentliche grössere Auswirkungen auf Fotografenbranche haben würden. Denn die Bandbreite der Publikationen des Zeitschriftenverlags ist um einiges grösser als jene von Ringier.



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Kommentare

  • Eric Schmid, 04.11.2017 10:40 Uhr
    Das Feld bei Ringier Axel Springer ist bei weitem nicht mehr offen, auf jeden Fall für alle Fotografen, die bereits bei Blick unterschrieben haben. Sie haben ja explizit alle Copyrights abgetreten und siehe da, Blick (gehört Ringier) und Ringier Axel Springer ist wohl dementsprechend kein Unterschied, vor allem da die Copyrights ja bei Blick liegen. Bitte an alle Fotografen, habt Rückgrat und arbeitet nicht für diesen Verlag
  • Eric Bachmann, 03.11.2017 18:39 Uhr
    von meinen wenigen Fotos die noch im Ringier Archiv bleiben werden zuerts oft schlechtere andere Bilder berücksichtigt. Ist das die Art wie man mit freien Fotografen die fast 60 Jahre die Ringier Hefte bedienten umgeht? Bei der Muhammad Ali Bildstrecke war deadline nachts nach dem Kampf.Am morgen rufte mich Chefredaktor Robert Näf an und sagte Du hast gewonnen mit am meisten Bilder. Mein Kommentar, ja Ihr hatten keine Zeit die Fotos zu drehen um das Copyright zu verifizieren.
  • Niklaus M. Wächter, 03.11.2017 09:35 Uhr
    Ja - Herr Menzi - so einfach ist das. Aber dann kommt das alte Naturgesetz zu Anwendung: Vogel, friss oder stirb ! Ich habe schon immer andere Wege gewählt: Ich fliege...
  • Jean-Jacques Menzi, 02.11.2017 15:56 Uhr
    Selber schuld, wer sich so etwas gefallen lässt! – Zeigt Rückgrat!
  • Stefan Petre, 02.11.2017 14:43 Uhr
    Zuerst bei den Fotografen, danach bei den Filmern...
  • Karin Sommerhalder, 02.11.2017 11:23 Uhr
    Darf das gesetzlich verankerte Geistige Eigentum einfach so missachtet werden? Als Grafikerin fühle ich mit meinen Kollegen, den Fotografen, mit. Beinahe täglich müssen wir Kreativdienstleister genau um dieses Recht, um ein wenig «Schöpfer-Vergütung», kämpfen. Dass wir das nun auch noch bei Professionellen wie Verlagen und Medienhäusern erstreiten müssen, ist – im wahrsten Sinne des Wortes – undankbar.
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