30.07.2002

Gedehnte Hoffnung - Das Jahr 2002 ist im Eimer

"Alles wie gehabt", haben die Branchen-Gurus noch vor den Sommerferien beschwichtigt. Die Medienbranche spüre eben den Abschwung als erste und den Aufschwung mit Verzögerung. Jetzt sind die Töne hörbar nachdenklicher geworden. Ist es nur der übliche konjunkturbedingte Abschwung oder ists ein struktureller Trendbruch? Noch neigt die Mehrheit zur ersteren, optimistischen Annahme. Aber es tönt wie das Pfeifen der Kinder im dunklen Walde... - Medienspezialist Karl Lüönd (Bild) hat die Situation für "persoenlich.com" analysiert.
Gedehnte Hoffnung - Das Jahr 2002 ist im Eimer

Die Blätter sind so dünn wie seit Jahren nicht mehr, und noch nie habe ich mehr Eigeninserate und Bartergeschäfte beobachtet als in den letzten Wochen. Aber in den Medienabteilungen und ?agenturen ist Hochbetrieb. Es sind zwar sehr viele Kampagnen für Oktober/November in der Planung. "Aber das heisst noch lange nicht, dass sie auch ausgelöst werden," mahnt einer meiner glaubwürdigsten Gurus. In den meisten Firmen wird immer noch gleich (und nach wie vor gleich falsch) verfahren: Wer unter Druck steht, spart nicht unbedingt dort, wo es richtig und nötig wäre, sondern dort, wo der schnellste Effekt zu erwarten ist. Wer Marketingausgaben verschiebt oder Kampagnen abschiesst, kann dem aufgeregten Verwaltungsrat speditive "Ergebnisverbesserungen" vorweisen und wird als tatkräftiger Manager gelobt.

Ungeachtet des Börsensturzes sind die Konjunktur-Indikatoren nach wie vor durchaus günstig. Nur mit der Übersetzung dieses Aufwärtstrends in die Medienbranche geht es langsamer als erhofft. Inzwischen rechnen die Fachleute, die über das Tagesgeschäft hinaus blicken, mit einem Aufschwung frühestens im November, eher aber erst im Januar 2003. "Das Jahr 2002 ist im Eimer", heisst es allenthalben, bei den Zeitschriften etwas gemildert, bei den Zeitungen mit massiven Minuswerten von 10 bis 15 Prozent beim Anzeigenertrag, je nach Abhängigkeit vom Finanzbereich und dem gehobenen Stellenmarkt.

Eingebrochen ist natürlich vor allem der konjunturabhängige und wenig beeinflussbare Stellenmarkt; er ist nach wie vor mit Minuswerten von 40 bis 50 Prozent je nach Titel, bezogen auf den gleichen Monat des Vorjahres, im freien Fall. Die werbeintensiven Branchen dagegen verhalten sich sehr unterschiedlich. Der Detailhandel ist eine solide Grösse geblieben. Bei den Autos sieht es je nach Importeur sehr unterschiedlich aus; insgesamt rechnet man mit einem leichten Minus von zwei, drei Prozent. Völlig eingebrochen sind Banken und Versicherungen; ihre Werbeaufwendungen sind gerade noch etwa halb so hoch wie im Vorjahr. Dort wird jetzt der Effekt der verstärkten Engagements in Sponsoring, Events usw. spürbar; diese lassen sich weniger schnell und brutal umsteuern oder abschiessen wie Print- oder TV-Kampagnen. Auch wenn sie wollte, könnte die CS nicht sofort aus der Formel 1 aussteigen, in die sie schätzungsweise 30 bis 40 Millionen pro Jahr investiert.

Besser (oder, genauer, weniger schlecht) geht es derzeit den kleinen und mittleren Titeln, die davon profitieren, dass das lokale und regionale Anzeigengeschäft in guten Zeiten zwar träger, in schlechten Zeiten aber stabiler ist. Noch immer gibt es die Stillen im Lande, die sogar kleine Pluszahlen schreiben und die Hoffnung der ganzen Branche auf ein erfreulicheres Jahr 2003 vorweg nehmen.


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