08.04.2021

Zusammenlegung Bund/BZ

Grosser Ärger beim Berner Stadtrat

«Ein schwarzer Tag für den Medienplatz Bern»: So kommentiert der Berner Stadtpräsident Alec von Graffenried die Ankündigung von Tamedia, die Redaktionen von Berner Zeitung und Der Bund zusammenzulegen. Nun müsse die SRG in die Lücke springen.
Zusammenlegung Bund/BZ: Grosser Ärger beim Berner Stadtrat
Alec von Graffenried wirft Tamedia vor, die eigenen wirtschaftlichen Interessen höher gewichtet zu haben als die medienpolitische Verantwortung. (Bilder: bern.ch/Keystone-SDA)

Der Berner Stadtpräsident zeigte sich am Donnerstag verärgert. Die beiden Tageszeitungen seien bisher als Leitmedien für die Meinungsbildung in der Hauptstadt der Schweiz von grosser Bedeutung gewesen, schreibt die Stadtberner Präsidialdirektion in einer Mitteilung vom Donnerstag.

«Der publizistische Wettbewerb zweier Redaktionen stellte eine differenzierte, kritische und unabhängige öffentliche Debatte sicher», so von Graffenried. Dies hätten Bevölkerung und Institutionen stets anerkannt. Der Berner Stadtpräsident wirft Tamedia vor, mit dem Abschied vom «Berner Modell» die eigenen wirtschaftlichen Interessen höher gewichtet zu haben als die medienpolitische Verantwortung.

Tamedia hatte am Donnerstag die Zusammenlegung der beiden Redaktionen von Berner Zeitung und Der Bund angekündigt - damit verbunden ein Abbau von 20 Vollzeitstellen (persoenlich.com berichtete).

Ferner appelliert Stadtpräsident von Graffenried an die soziale Verantwortung des Unternehmens. Er fordert Tamedia auf, den Abbau zu staffeln und über die natürliche Fluktuation aufzufangen. Allenfalls sei ein grosszügiger Sozialplan auszuarbeiten, zumal der Konzern jahrelang Gewinne erwirtschaftet habe und über finanzielle Reserven verfüge.

Staatliche Medienförderung ist nötig

Für den Berner Stadtpräsidenten zeigen die jüngsten Entwicklungen auch, dass die Geschäftsmodelle der traditionellen Massenmedien überholt sind. Er begrüsst deshalb Initiativen, welche die nun entstehende Lücke mit neuen Formaten zu schliessen versuchen. Dennoch sei es zwingend, neue Wege zu gehen. «Für den Gemeinderat ist klar, dass es eine staatliche Medienförderung braucht», sagte von Graffenried.

Die Stadtregierung plädiert schon seit einigen Jahren für dieses Anliegen. Sofern auf Bundesebene die nötigen rechtlichen Grundlagen geschaffen werden, sei auch eine Medienförderung vorstellbar, indem die Produktion auch von lokalen und regionalen Nachrichten durch die Nachrichtenagentur Keystone-SDA mitfinanziert werde.

Handlungsbedarf ortet der Stadtpräsident auch bei der SRG. Mit dem Rückzug der privaten Medien aus dem lokalen und regionalen Raum sei es wichtiger denn je, dass die SRG als öffentliches Medienhaus in die Lücke springe und ihr lokal- und regionaljournalistisches Angebot im Online- und im Radiobereich pflege und gegebenenfalls ausweite.

Ähnlich klingt es bei der Radiogenossenschaft Bern, Deutschfreiburg Wallis. Die privaten Medien befinden sich ihrer Ansicht nach längst auf dem Rückzug aus dem Lokaljournalismus. «Hier ist die SRG als öffentliches Medienhaus gefordert», wird Präsident Philipp Schori in einer Mitteilung vom Donnerstag zitiert. Sie soll insbesondere dort Angebote schaffen, wo es die Privaten nicht mehr oder kaum mehr täten. (sda/eh)

 



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Kommentare

  • Rudolf Penzinger, 09.04.2021 11:11 Uhr
    Der Berner Stadtpräsident wirft Tamedia vor, mit dem Abschied vom «Berner Modell» die eigenen wirtschaftlichen Interessen höher gewichtet zu haben als die medienpolitische Verantwortung. Das ist in Wahrheit beim Hause C. nichts Neues. Etwas anderes war auch am Platz Bern nie zu erwarten. Das "Berner Modell" war von Anfang an bloss ein Tarnanzug. Neu ist lediglich, dass man sich unter Supino nicht einmal mehr die Mühe macht, die unternehmerische Gier zu verbergen. "Medienpolitische Verantwortung" ist kein Geschäftsmodell.
  • Ivan Madeo, 09.04.2021 08:04 Uhr
    Als das SRF Radio-Stellen von Bern nach Zürich verlegen wollte, sprach man von einem Skandal. Stadt und Kanton Bern intervenierten. Der Nationalrat verlangte, dass Radio-Informationssendungen schwergewichtig in Bern und Lausanne zu produzieren seien. In der Folge kündigte SRF nach dem Nationalratsbeschluss ihre neue Audiostrategie an. Nun verlegt die Tamedia nicht nur Stellen, sondern streicht sie in Bern ganz - und man verlangt, dass die SRG in die Lücke springt? Hört ihr euch überhaupt noch zu?
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