18.08.2020

Online-Kommentare

Grosser Aufwand für den guten Ton

Tausende von Kommentaren geben Leserinnen und Leser jeden Tag auf den Newsportalen ab: bei 20 Minuten sind es täglich 12'000, bei Blick und Nau.ch je rund 7000. Damit die Diskussionen nicht entgleisen, investieren die Medienhäuser viel. Eine Übersicht.
Online-Kommentare: Grosser Aufwand für den guten Ton
Andere User beleidigen ist in den Kommentarspalten der Online-News-Portale Alltag. (Bild: Pixabay, Collage: persoenlich.com)
von Christian Beck

Der Ton in den sozialen Medien wird rauer. Dies schlägt sich auch in den Leser-Kommentaren auf den Online-News-Plattformen der Schweizer Medien nieder. Wie sich die Tonalität während der Coronakrise veränderte, untersuchte die Forschungsstelle Sotomo und wertete dafür 900'000 Online-Kommentare aus. Das Fazit: Während anfänglich Aufrufe zur Solidarität dominierten, nahmen seit den ersten Lockerungen Beleidigungen und Bedrohungen zu (persoenlich.com berichtete).

Doch welchen Aufwand betreiben die Medienhäuser überhaupt mit den Online-Kommentaren? Werden diese automatisch aufgeschaltet oder von Menschenhand überprüft? persoenlich.com hat nachgefragt. Dabei wird klar: Der Aufwand, der für die Leserkommentare betrieben wird, ist beträchtlich.


20_Minuten

«Alle Kommentare werden erst durch einen Algorithmus auf bestimmte Eigenschaften hin geprüft und in der Folge entweder freigeschaltet, gelöscht oder zur manuellen Prüfung geschickt. Das 13-köpfige Freischalt-Team überprüft im Anschluss die Kommentare, die der Algorithmus nicht durchgelassen hat und kontrolliert zudem stichprobenartig die direkt freigegebenen Kommentare. Aktuell gehen pro Tag durchschnittlich rund 12'000 Kommentare ein.»

Eliane Loum-Gräser, Kommunikationsverantwortliche 20 Minuten



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«Sämtliche Leserkommentare auf blick.ch werden durch ein Team geprüft, das von 7 bis 23 Uhr in Vier-Stunden-Schichten eingeteilt ist. Täglich arbeitet jeweils mindestens eine Person pro Schicht, wobei die erste Schicht an den meisten Tagen doppelt besetzt ist. Das Team wird durch einen Algorithmus unterstützt, der mit einem Ampelsystem eine Moderationsempfehlung abgibt. Der Algorithmus löscht die Kommentare, die nicht zur Qualität einer vielfältigen Diskussion beitragen, schaltet aber keine Kommentare frei. Die Regeln, die für das Kommentieren auf blick.ch gelten, sind für alle Nutzerinnen und Nutzer öffentlich einsehbar. Zudem findet ein intensiver Austausch zwischen den Moderatorinnen und Moderatoren sowie dem Newsroom statt, um auf potenziell heikle Themen aufmerksam zu machen und rasch zu reagieren. Aktuell erhält blick.ch durchschnittlich 7200 Kommentare täglich. Damit konnte das Community-Team durch sein Engagement die Anzahl der Kommentare auf dem Onlineportal im Vergleich zu Januar 2019 versechsfachen.»

Alina Bolz, Communications Manager Ringier



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«Unsere Webseiten laufen nach der Fusion auf noch unterschiedlichen Plattformen. Auf tagblatt.ch und den Regionalausgaben und auf luzernerzeitung.ch und den Regionalausgaben sind Kommentare nicht möglich. In der Nordwestschweiz (aargauerzeitung.ch und Regionalausgaben sowie bzbasel.ch) sind Kommentare zugelassen, die manuell geprüft werden. Den personellen Aufwand dafür haben wir nie separat ausgewertet. Er unterscheidet sich natürlich stark, je nachdem wie lebendig die Diskussion ist. Die Verhaltensregeln sind in der Netiquette beschrieben. Die Anzahl eingehender Kommentare pro Tag unterscheidet sich sehr stark. Die durchschnittliche Zahl haben wir nicht ausgewertet, gehen aber von täglich durchschnittlich 350 bis 400 Kommentaren aus.»

Stefan Heini, Leiter Unternehmenskommunikation CH Media



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«Als Start-up mussten wir zuerst eine Community aufbauen – und sie wächst gewaltig. Wir verzeichnen nach 2,5 Jahren täglich gegen 7000 Kommentare. Sämtliche Kommentare werden von einem externen Team geprüft und manuell freigeschaltet. Um die Qualität zu verbessern, haben wir das System optimiert. Zusätzlich überprüft täglich auch ein Redaktor die Kommentare. Auch Super-User aus der Community helfen aktiv mit und melden uns Comments, die leider durchs Sicherheitsnetz fielen. Gleichzeitig arbeiten wir an technischen Updates, um den ganzen Bereich besser in den Griff zu kriegen. Nau.ch lehnt jegliche Formen von Diskriminierung entschieden ab. Aufrufe zu Hass, Verfolgung und Krieg finden auf unserer Plattform keinen Platz. Diese Beiträge werden gelöscht, der User gesperrt und wir behalten uns rechtliche Schritte vor. Wir unterbinden zudem fremdsprachige oder rein in Mundart gehaltene Userbeiträge. Zusätzlich blockieren wir Links auf andere Plattformen sowie anstössige Bilder. Beleidigungen gegenüber anderen Autorinnen und Autoren, Nau.ch-Journalisten oder öffentlichen Personen in Artikeln sind logischerweise nicht erlaubt. Wir begrüssen Meinungsvielfalt und eine offene Debattenkultur. Offen, ehrlich, fair und respektvoll. Wir akzeptieren unterschiedliche Haltungen und Sichtweisen.»

Nina Meyer, Leiterin Kommunikation Livesystems Holding



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«Alle Leserkommentare werden vor Publikation von einer künstlichen Intelligenz geprüft und kategorisiert: freischalten; fragwürdig; löschen. Die Redaktorinnen und Redaktoren des Social-Media-Teams prüfen die fragwürdigen und abgelehnten Kommentare zudem manuell und moderieren bei Bedarf. Seit die NZZ im April die neue Kommentarfunktion implementiert hat, ist der personelle Aufwand für uns gesunken, und gleichzeitig hat sich die Qualität und Vielfalt der Leserkommentare erhöht. Wir entfernen so viele Kommentare wie nötig und so wenige wie möglich. Als Grundlage dienen unsere Community-Richtlinien. Es gehen zwischen 200 und 500 Kommentare pro Tag ein. Weniger als 5 Prozent davon müssen wir entfernen.»

Reto Stauffacher, Leitung Social-Media-Redaktion NZZ



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«Jeden Tag gehen auf srf.ch/news zwischen 500 und 1000 Kommentare ein – jetzt in der Corona-Zeit waren es teilweise sogar noch mehr. Jeder einzelne Kommentar wird von einer Redaktorin oder einem Redaktor gelesen und manuell freigeschaltet, sofern der Kommentar unserer Netiquette entspricht. Der redaktionelle Aufwand ist nicht zu unterschätzen: Für Kommentare, die problemlos publiziert werden können, reichen zwar je 10 bis 15 Sekunden – doch in sehr vielen Fällen braucht es diverse Überprüfungen, Nachrecherchen, Antworten. Circa jeden dritten Kommentar weisen wir zurück, weil der Beitrag nicht unseren Richtlinien entspricht.»

Raffaela Moresi, Teamleiterin Communities SRF News



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«Beim Tages-Anzeiger ist für die Kontrolle und Freischaltung der Online-Kommentare ein kleines Team an langjährigen freien Mitarbeitenden unter der Leitung der Social-Media-Redaktion zuständig. Eine automatische Aufschaltung von Kommentaren findet nicht statt. Die eingehenden Kommentare – über 3000 pro Tag – werden geprüft und unterstehen klaren Richtlinien. Werden diese verletzt, wird der entsprechende Kommentar nicht veröffentlicht beziehungsweise gelöscht. Die Ablehnungsquote beträgt rund 25 Prozent. Darüber hinaus ist die Anzahl der kommentierbaren Artikel beim Tages-Anzeiger bereits seit mehreren Jahren beschränkt. Das Kontingent ist stark abhängig von der Newslage und der Anzahl Kommentare, die eingehen. Kann die Kontrolle nicht mehr in nützlicher Frist erfolgen, wird die Kommentarfunktion geschlossen oder diese bei anderen Artikeln nicht freigeschaltet. Bei gewissen, besonders heiklen Themen verzichten wir grundsätzlich auf die Kommentarfunktion.»

Nicole Bänninger, Kommunikationsverantwortliche Tamedia



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«Wir prüfen die User-Kommentare vor Veröffentlichung händisch und brauchen dafür etwa täglich drei Frau-/Mann-Stunden. Es sind täglich etwa 1500 Kommentare und es gelten die Watson-Kommentarregeln.

Maurice Thiriet, Chefredaktor Watson



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