22.12.2018

Persönlichkeiten 2018

«Guter Journalismus ist unverzichtbar»

Pietro Supino macht den Anfang. In der ersten Folge des persoenlich.com-Rückblicks lässt der Tamedia-Verleger und Präsident des Verlegerverbands das Jahr 2018 Revue passieren. Dabei wagt er eine Prognose für das neue Mediengesetz.
Persönlichkeiten 2018: «Guter Journalismus ist unverzichtbar»
Am Donnerstag, 27. September 2018, bei einer Rede am Swiss Media Forum in Luzern: Pietro Supino. (Bild: Keystone/Urs Flüeler, Grafik: Corinne Lüthi)

Herr Supino, Anfang 2018 forderten Sie an der Dreikönigstagung höchste Priorität für Medienkompetenz. Medienschaffende aus der Praxis sollen an den Schulen unterrichten. Was ist daraus geworden?
Zunächst hatten wir sehr viele Anfragen für Besuche von Schulklassen bei Tamedia, die wir gerne angenommen haben. Ziel meiner Initiative war es aber, dass wir branchenweit einen besseren Rahmen dafür schaffen. Seitens des Verlegerverbandes haben wir das Anliegen bei unserem politischen Lobbying als Priorität weiterverfolgt und mit der Präsidentin der Erziehungsdirektorenkonferenz nach Wegen gesucht, um das Konzept der in der Westschweiz gut verankerten «Semaine des médias à l’école» auch in der deutschen Schweiz zu etablieren. Das ist nicht einfach, weil der Schulbetrieb trotz Harmonisierung der Lehrpläne in die Kompetenz der Kantone fällt und viele unterschiedliche Interessen aufeinander treffen.

Und sonst?
Parallel dazu haben wir das Anliegen an einem runden Tisch mit dem MAZ, dem Bakom, dem Fög, der SRG sowie verschiedenen pädagogischen Hochschulen und kantonalen Bildungsdirektionen weiterverfolgt. Dabei wurden konkrete Ansätze wie eine Plattform für Unterrichtsmaterial, Konzepte für die Lehrerausbildung oder Begegnungsmöglichkeiten mit der Praxis entwickelt. Schliesslich hat Michael Marti aus unserem Haus mit Viviane Manz von der SRG die Initiative «YouNews – Schweizer Jugendmedienwoche» gestartet. Diese wollen wir über den Verlegerverband zusammen mit allen interessierten Medienhäusern ausbauen.

«Medienkompetenz ist Voraussetzung für das Überleben der Qualitätsmedien»

Warum stellten Sie damals Medienkompetenz ins Zentrum, wenn doch der Branche «das Schicksalsjahr» bevorstand?
Weil die Medienkompetenz der Bevölkerung und speziell der jungen Menschen angesichts des medialen Überangebots eine Voraussetzung für das Überleben der Qualitätsmedien ist. Wenn mediale Qualitäten nicht erkannt und geschätzt werden, verlieren sie zuerst ihre gesellschaftliche Bedeutung und dann auch ihre ökonomische Basis. Es handelt sich um eine existenzielle Voraussetzung für die Zukunft der Medien, jedenfalls wenn man langfristig denkt.

Was war 2018 für ein Jahr aus Ihrer Sicht?
2018 war ein schwieriges Jahr, weil der wirtschaftliche Druck in der Medienbranche nochmals deutlich zugenommen hat. Das war allerdings absehbar und bereits das Thema meiner Ansprache an der Dreikönigstagung 2017. Auf der positiven Seite könnte 2018 im Nachhinein als ein Jahr des Durchbruchs in der digitalen Transformation gesehen werden. Es wird immer fassbarer, wie die neuen technologischen Möglichkeiten den Journalismus bereichern können – von grossen datenjournalistischen Recherchen bis zur Nutzung artifizieller Intelligenz, um beispielsweise die Berichterstattung über eidgenössische Abstimmungen bis auf Gemeindeebene herunterzubrechen. Auf der kommerziellen Seite sind wir beflügelt vom Erfolg, den wir mit unseren Abo+-Angeboten, also neuen digitalen Bezahlmodellen für Qualiätsjournalismus verzeichnen. Die Geschichtsschreibung sollten wir aber besser unseren Nachfolgern überlassen.

«Die Schliessung von ‹Le Matin› war für alle ein trauriger Moment»

Tamedia war mit verschiedenen Schwierigkeiten konfrontiert: Schliessung von «Le Matin», mehrere Streiks der Belegschaft, Zentralisierung der Redaktionen und Stellenabbau. Was war für Sie persönlich dabei besonders schwierig?
Die Schliessung von «Le Matin» war für alle ein trauriger Moment. Speziell für die betroffenen Mitarbeitenden, aber auch für viele treue Leserinnen und Leser sowie das gesamte Unternehmen. Schwierig finde ich, wenn in einer solchen Situation billige Vorwürfe in den Raum gestellt werden. Die Wirklichkeit ist meistens komplexer. Es wurden bestimmt auch auf allen Seiten Fehler gemacht. Aber es blieb in diesem Fall kaum etwas unversucht. Am Ende fehlte es schlicht und ergreifend an der Zahlungsbereitschaft sowohl der Leserinnen und Leser als auch der Werbewirtschaft.

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Tamedia informierte als erste öffentlich über die Zahlungsrückstände von Publicitas. Das hat die Abwärtsspirale stark beschleunigt und schliesslich zum Todesstoss geführt. Inwiefern waren Sie sich dessen bewusst, beim Entscheid, so aktiv zu kommunizieren?
Nachdem Publicitas ihre vertraglichen Verpflichtungen wiederholt nicht eingehalten hat und die Zahlungsausstände immer grösser wurden, waren wir gezwungen, zu handeln. Im Nachhinein betrachtet haben wir damit zu lange zugewartet.

Aus der Perspektive als Verleger-Präsident: Wer litt am meisten unter dem Publicitas-Konkurs?
Alle Vertragspartner von Publicitas leiden unter ihrem Konkurs. Je grösser das Geschäftsvolumen, desto grösser typischerweise die Ausstände und der Schaden.

«Aus der Politik hört man, das Mediengesetz in der vorliegenden Form sei durchgefallen»

Warum hat die Weko nach anfänglichem Zögern im späten Sommer dann doch so schnell über den Goldbach-Kauf und später über den Baz-Deal entschieden?
Ich habe nie daran gezweifelt, dass die beiden Übernahmen genehmigt werden. Alles andere hätte die notwendige Weiterentwicklung und Anpassung der Medienbranche an den Wandel der Zeit behindert und einen riesigen gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Schaden verursacht.

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Warum haben Sie das 125-Jahr-Jubliäum des «Tages-Anzeigers» nur so spärlich gefeiert?
Sie scheinen grosse Vorstellungen vom Leben zu haben! Wir haben das Jubiläum einerseits zu Jahresbeginn am «Tages-Anzeiger»-Meeting mit 380 geladenen Gästen und andererseits am Mittwoch vor Auffahrt an einem grossen Fest mit 2000 Mitarbeitenden gefeiert. Pünktlich zum 125-Jahr-Jubiläum am 2. März haben wir eine Sonderbeilage publiziert und schweizweit verteilt, die sämtliche für unser Unternehmen relevante Aspekte aufgriff.

Was, erwarten Sie, passiert mit dem Entwurf zum neuen Mediengesetz?
Aus der Politik hört man, das Gesetz in der vorliegenden Form sei durchgefallen. Aus dem Bakom, dass die kontroversen Vernehmlassungen ausgewertet werden und die Botschaft im vierten Quartal 2019 in die Räte gehen wird. Ich bin gespannt, wie die neue Uvek-Spitze das Dossier weiterverfolgen wird.

Was wäre wichtig?
Entscheidend ist erstens, dass die Verwendung von Gebührengeldern für nicht-lineare digitale Angebote unterbunden wird. Mit einer solchen gebührenfinanzierten Gratiskonkurrenz über Radio und TV hinaus würde die Basis des privat finanzierten Medienangebots über kurz oder lang untergraben. Zweitens, und unmittelbar wichtig für das Überleben einer reichen Zeitungslandschaft sowie deren digitalen Transformation, ist ein Ausbau der bewährten indirekten Presseförderung – im Sinne der in der Bundesverfassung verankerten Bedeutung der Presse. Und als Ausgleich für den Umstand, dass die Post den Zeitungsvertrieb mit ihren Grundversorgungskosten belastet und sich weigert, transparent darüber Rechenschaft abzulegen.

Was wünschen Sie sich für 2019?
Dass sich die positiven Zeichen verdichten, wie die Bezahlmedien in eine erfolgreiche Zukunft geführt werden können. Auch wenn wir uns am Anfang einer Lernkurve befinden, sind wir davon überzeugt, dass guter Journalismus unverzichtbar ist und sich dafür auch tragfähige Geschäftsmodelle finden lassen. Darum werden wir bei Tamedia auch im kommenden Jahr in unsere Redaktionen und in die Zukunft unserer Medien investieren.



In der Serie «Persönlichkeiten 2018» lassen wir Menschen, die 2018 von sich reden machten, nochmals zu Wort kommen. Weitere «Persönlichkeiten 2018» finden Sie hier.

 

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KOMMENTARE

Willy Brauen
03.01.2019 00:10 Uhr
Guter Journalismus endet dort, wenn bei der Selektion von Themen, Wichtiges, das nicht in der gewünschten Richtung beeinflussen könnte, ausgelassen wird! Oder, wenn die unangenehmen Themen von Andersdenkenden, ausgelassen, oder marginalisiert werden. Opportunismus ist keine gute Basis für guten Qualitäts-Journalismus!
Willy Brauen
01.01.2019 14:31 Uhr
Guter Journalismus endet dort, wenn bei der Selektion von Themen, Wichtiges, das nicht in der gewünschten Richtung beeinflussen könnte, ausgelassen wird! Oder, wenn die unangenehmen Themen von Andersdenkenden, ausgelassen, oder marginalisiert werden. Opportunismus ist keine gute Basis für guten Qualitäts-Journalismus!
Sebastian Renold
09.12.2018 12:24 Uhr
Supino redet immer von "Qualitätsjournalismus", wenn es ums Bezahlen geht- Beim Zusammenlegen und Abbauen spielt die Qualität des journalistischen Produkts dagegen keine Rolle.
Robert Holzer
07.12.2018 18:26 Uhr
«Guter Journalismus ist unverzichtbar» tja Herr Suppino, dann gehen Sie mit der Titelvielfalt (nicht Meinungsvielfalt) schon mal als leuchtendes Beispiel voran. Heute im Tagi:" Zürich macht Schluss mit weltbekanntem Abfallhai" ist das der gute Journalismus den Sie meinen?
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