16.09.2022

SwissMediaForum

Heikle Nähe, fehlendes Vertrauen und eine Allianz

Am Medienkongress in Luzern trafen die Verleger der fünf grossen Medienhäuser in der Elefantenrunde zusammen. Am meisten gaben die laufenden Ermittlungen wegen Indiskretionen zu Reden. Und am Schluss kam die Idee einer neuen Werbeallianz auf.
SwissMediaForum: Heikle Nähe, fehlendes Vertrauen und eine Allianz
Die Elefantenrunde der grossen Medienhäuser (v.l.): Felix Graf (NZZ), Gilles Marchand (SRG), Peter Wanner (CH Media), Pietro Supino (TX Group) und Marc Walder (Ringier) am SwissMediaForum in Luzern. (Bild: Keystone/Urs Flueeler)
von Michèle Widmer

Als Höhepunkt kamen am zweiten Tag des Medienkongresses die Verleger der grossen Schweizer Medienunternehmen zusammen. Moderatorin Maria Victoria Haas fühlte den Verlagschefs mitten auf dem Vierwaldstättersee auf den Zahn. Die traditionelle Elefantenrunde fand dieses Jahr auf einem Schiff, der «MS Diamant», statt.

Zum Einstieg fragte Haas mit Hinblick auf die guten Geschäftsergebnisse vom letzten Jahr, in welchem Rahmen die Lohnerhöhung für die Mitarbeitenden ausfallen werde. CH-Media-Chef Peter Wanner war der Einzige, der wie gefordert eine Zahl nannte. «Ein Prozent kann ich mir gut vorstellen», sagte er. Man sei noch im Gespräch und werde sehen, was dabei herauskomme. Bei SRG, NZZ und Ringier ist diesbezüglich noch nichts entschieden, die TX Group bestimmt das erst nächstes Jahr. Walder ergänzte, dass die Inflation in anderen Ländern, in denen Ringier tätig ist, teils bis zu 14 Prozent hoch sei. Er nannte das Beispiel Rumänien, wo man nun eine Lösung mit den Mitarbeitenden in Bezug auf den Teuerungsausgleich finden müsse.

Der Verband Impressum hatte letzte Woche kritisiert, dass Verleger sowie die Radio- und Fernsehsender die Löhne von Journalistinnen und Journalisten seit Jahren nicht an die gestiegenen Lebenshaltungskosten angepasst hätten, und gefordert, die Löhne um vier bis fünf Prozent zu erhöhen. 

Nähe «gänzlich unproblematisch»

Nachdem Bundeskanzler Walter Thurnherr bereits am Mittwoch auf dem Podium im KKL darüber gesprochen hatte, kamen die Indiskretionen und die Arbeit von Sonderermittler Peter Marti auch in der Verlegerrunde aufs Tapet. Auf die Frage, ob er die Arbeit von Sonderermittler Marti als Einschüchterungsversuch einschätze, sagte Felix Graf von der NZZ: «Solche Vorfälle gibt es immer wieder. Journalisten haben die Möglichkeit, die Aussage zu verweigern. TX-Group-Verleger Pietro Supino stimmte zu und ergänzte: «Es scheint schon Tendenzen zu geben, die zu einer Verdichtung des Problems führen.» Bei der TX Group hätte man einen guten Rechtsdienst, der die Journalistinnen und Journalisten schütze, damit sie unbeeinflusst ihre Arbeit machen können. CH-Media-Chef Peter Wanner bezeichnete die Arbeit von Sonderermittler Peter Marti als «ziemlich daneben». SRG-Generaldirektor Gilles Marchand zeigte sich «solidarisch mit den Kollegen». «Es ist uns wichtig, unsere Journalisten zu schützen, unser Rechtsdienst ist sehr engagiert.»

Danach ging die Frage an Marc Walder. Der Ringier CEO wurde wegen seiner Nähe zu Bundesrat Alain Berset vorgeladen, offenbar wurde sein Arbeitsplatz durchsucht. «Wie fühlt sich das als CEO an?», fragte Haas. Er werde zu dieser Sache nur Folgendes sagen, so Walder: «Unser Unternehmen hat mit den Ermittlern in dieser Sache kooperiert – aber selbstverständlich unter Wahrung des Quellenschutzes.» Dieser sei unverhandelbar. Seine Kontakte zu wichtigen Persönlichkeiten im Land bezeichnete er als «gänzlich unproblematisch». Auf den heiklen Wechsel von Blick-Polit-Redaktorin Gianna Blum zu Bundesrat Alain Berset als Co-Kommunikationschefin sagte er: «Als die Blick-Redaktion davon erfahren hat, haben Chefredaktor Christian Dorer und Geschäftsführerin Latina Heimgartner Gianna Blum innerhalb von wenigen Tagen freigestellt.»

«Wir haben eine Reputation zu verlieren»

Moderatorin Haas öffnete zu diesem Thema die Runde und fragte die anderen Verleger, ob nicht nur schon die Möglichkeit von zu viel Nähe zwischen Medien und Politik, wie sie gerade diskutiert werde, ein Problem für alle Medienhäuser darstelle. «Wir haben eine Reputation zu verlieren», sagte Graf dazu. «Die Unabhängigkeit der Journalistinnen und Journalisten ist wichtig, die dürfen wir uns nicht nehmen lassen», ergänzte Wanner. Supino zeigte sich diesbezüglich «besorgt» und kam auf die Abstimmung über das Mediengesetz im Frühling zu sprechen. «Offenbar werden die Medien sowie die Politik von den einfachen Bürgern als Machtballung wahrgenommen, der man nicht vertraut. Wir haben ein echtes Vertrauensproblem, und dieses hat den Ursprung in der Glaubwürdigkeit. Journalisten sind keine Aktivisten, sie müssen neugierig die Welt beobachten. Sie sind keine Meinungsmacher, sie müssen ihre Dienstleistung erbringen, damit die Menschen sich ihre eigene Meinung bilden können», sagte der TX-Group-Chef.

Die Finanzierung des Journalismus ist weiterhin ein schwieriges Unterfangen für die Schweizer Medienbranche. Bei Ringier etwa stamme ein grosser Teil der Gewinne mittlerweile nicht mehr aus klassischen journalistischen Aktivitäten, erklärte CEO Walder. Insofern seien auch die guten Abschlüsse verschiedener Medienhäuser im vergangenen Jahr zu relativieren, sagte der Ringier-Chef.

Auch CH-Media-Verleger Peter Wanner ist sich nicht sicher, ob mit Journalismus künftig noch Geld verdient werden kann. Als Gegengewicht habe seine Gruppe die Entertainment-Sparte aufgebaut. «Wir wollen damit Geld verdienen», begründete Wanner die Motivation dazu. Er gab sich vor der versammelten Schweizer Medienszene aber durchaus selbstkritisch über die in seinen TV-Stationen angebotenen Inhalte. «Das ist zum Teil etwas trashig, wird aber vom Publikum nachgefragt.»

Werbeallianz für Medien

In der Runde diskutiert wurde zudem über die Halbierungsinitiative. Über 200 Artikel seien mit diesem Stichwort in den letzten Monaten geschrieben worden, sagte Haas. Dass die Medien schon so früh über die Initiative schreiben, sei normal, und das Thema komme erst jetzt in Gang, sagte Wanner dazu. Wenn die SRG Web-only-Formate lanciere, komme sie in direkte Konkurrenz mit den privaten Medien. Das sei eine absolute Wettbewerbsverzerrung. Unterstützt Wanner die Initiative: «Ich hege Sympathien», sagte er auf diese Frage. Graf sagte dazu: «Es gibt Elemente der Halbierungsinitiative, die wir unterstützen.» Supino stiess einen versöhnlichen Ton an: «Die Initianten glauben, die SRG macht ihre Arbeit schlecht. Wir haben das Problem, dass sie ihre Arbeit eben gut macht.» Er appellierte daran, dass die Verleger gemeinsam eine Lösung für ein komplementäres System mit privaten und öffentlichen Medien finden. 

Für Supino ist es zudem wichtig, dass die Schweizer Medienhäuser nicht nur die Kosten im Blick haben, sondern vermehrt auch wieder das Wachstum. Eine wichtige Rolle in diesem Zusammenhang müsse künftig auch wieder die Werbung spielen. Er plädierte in diesem Zusammenhang für eine «Werbeallianz aller Medien». «Das kann keiner von uns allein. Ich hoffe, dass wir diesbezüglich in den kommenden 12 Monaten eine Lösung finden.»



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Kommentare

  • Fibo Deutsch, 16.09.2022 20:16 Uhr
    Kann mir bitte jemand erklären, weshalb die Elefantenrunde am Swiss Media Forum am selben Tag wie die screen up am Schweizer TV-Tag stattfinden muss? Interessieren sich Journalisten nicht für Werbung - und umgekehrt?
Kommentarfunktion wurde geschlossen

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