27.03.2017

Tätowierte SRF-Moderatorin

Hitzige Debatte über Dresscodes

Sollten sich SRF-Moderatoren an strikte Tenue-Regeln halten, wenn sie Bundesräte interviewen? «Nein», findet man im Leutschenbach. Bettina Bestgen habe mit ihrem Auftritt «Glanz & Gloria» zu «tollen Quoten» verholfen.
Tätowierte SRF-Moderatorin: Hitzige Debatte über Dresscodes
Bettina Bestgen interviewt Bundesrat Alain Berset (Bild: Screenshot G&G)
von Edith Hollenstein

Darf eine SRF-Journalistin ärmellos gekleidet und mit sichtbaren Tattoos einen Bundesrat interviewen? Nach der «Glanz & Gloria»-Sendung vom Freitag ist eine heftige Diskussion über Dresscodes im TV entfacht. Dass in der Live-Übertragung zur Verleihung des Schweizer Filmpreis in Genf die tätowierten Arme der Moderatorin Bettina Bestgen sichtbar waren, gefiel nicht allen Zuschauern. «Eine so überladen bemalte Moderatorin lässt man nicht an einen Bundesrat ran», schreibt persoenlich.com-TV-Kritiker René Hildbrand.

Dresscodes im Jahr 2017

Er ist der Meinung, dass Tattoos die TV-Zuschauer stören. Das kann durchaus sein. Auf seine Kolumne meldeten sich jedoch vor allem Gegenstimmen: «Endlich mal weg vom sauberen, verstaubten Image. Herr Hildbrand, ihr sauberes SRF ist ein Auslaufmodell», schrieb etwa Gerry Reinhardt, Social Media Verantwortlicher bei FM1today. «So etwas Despektierliches habe ich nun schon lange nicht mehr gelesen», meinte Patrick Hässig, Moderator bei Energy Zürich. «Ob, wo und wie sie tätowiert ist oder nicht, sollte genau so unwichtig sein wie beispielsweise Hautfarbe, Herkunft oder Geschlecht», schreibt Moderator Joël von Mutzenbecher.

Die Diskussion verläuft leidenschaftlich. Es geht dabei nicht um die Leistung der Moderatorin. Im Zentrum stehen vielmehr die Fragen, ob man mit einem Mann ebenfalls so hart ins Gericht gehen würde und welche Standards im Jahr 2017 gelten.

«Für Männer einfacher»

Dabei gab es in Sachen Dresscodes im Journalismus erst vor einigen Monaten einen ähnlichen Fall. Im Sommer 2016 wurde eine Journalistin in Bern gerügt, weil sie die impliziten Anforderungen an «schickliche Kleidung» nicht erfüllte. Heidi Gmür von der NZZ musste die Pressetribüne des Ständerats verlassen. Im ärmellosen Oberteil hatte sie gegen die Hausregeln verstossen. Gmür hielt den Zwischenfall damals in einem Artikel fest und meinte darin, dass es für Männer einfacher sei, die sehr oberflächlich formulierte Regel «schickliche Kleidung» zu erfüllen. Kittel und Krawatte würden genügen. Bei Frauen sei die Sache etwas «delikater», so Gmür. 

Ähnlich wie Bern kennt auch SRF keine strikten Regeln und damit auch kein Verbot von Tattoos- oder Piercings. Immerhin gibt es im Leutschenbach aber «Styling-Leitlinien», an denen sich die Moderatoren orientieren können. Die Kleidung müsse zur jeweiligen Person, ihrer Funktion sowie zur Sendung passen, sagt Sprecher Stefan Wyss auf Anfrage. «Glanz & Gloria» berichte über Anlässe «verschiedenster Couleur». «Und uns gefällt auch die Couleur, die Bettina Bestgen in die Sendung eingebracht hat».

Gratulation zu «tollen Quoten»

Dresscode-Regeln, wie man sie früher kannte, sind also bei SRF nebensächlich geworden - man orientiert sich eher an den Zuschauerzahlen. Die Chefs beurteilen Bestgens Auftritt laut Sprecher Wyss nämlich wie folgt: «Wir gratulieren ihr zur Gastmoderation und den tollen Quoten, die sie damit erzielt hat».

 

 



Kommentar wird gesendet...

Kommentare

  • aktivistin.ch, 01.04.2017 10:58 Uhr
    Bei der ausgelösten Debatte geht es nicht um eine Pro-Kontra-Tattoo-Diskussion. Es geht viel mehr um die Frage, wer wann wo und wie über wessen Körper urteilt, urteilen kann und urteilen darf. Es ist diese gleiche Frage, die jedes Mal aufgeworfen wird, wenn Frisuren, Kleidung oder Körpergewicht von Frauen*, die in der Öffentlichkeit stehen, bewertet werden. Und ja, in unserer Gesellschaft sind es in der Regel Männer, die die Körper von Frauen* beurteilen. Und zwar aus einer male gaze** .Frauen* haben in der Regel zu gefallen (und zwar heterosexuellen Männern), sie haben hübsch, lieb, anständig, unauffällig und auch ein bisschen sexy zu sein. Aber ja nicht zu sexy, dann wären sie wieder „Schlampen“. (mehr hier: http://www.aktivistin.ch/news/2017/4/1/der-alte-mann-und-das-tattoo)
  • Rosemarie Kälin, 29.03.2017 08:35 Uhr
    Wichtig ist ja eigentlich nur ihre Leistung als Reporter, oder?
  • Astrid Blum, 28.03.2017 14:11 Uhr
    Frau Bestgen kommentiert die Kritik so: "Danach dachte ich, dass alle Menschen mit Hirn, die im Jahr 2017 leben, dasselbe denken werden wie ich. Amen" - Vielleicht hat sie ein Hirn, aber auch einen schlechten Geschmack und einen schlechten Stil. Da nützen auch die farbigen Linsen nichts mehr.
  • Kurt Heller, 28.03.2017 13:56 Uhr
    .. uns so kleidet man sich halt und so gibt man auch seine Kommentare dazu ab, wenn man absolut kein ästhetisches Feingefühl hat. Anscheinend interessiert man sich nur noch dafür, wie man selber wirkt und mit keinem Gedanken, wie man auf andere wirkt!
  • Sascha Bolinger, 28.03.2017 12:27 Uhr
    Habt ihr eigentlich au richtige bzw eigene Probleme ?!? Wie dumm kann man nur sein & sich über Tattoos anderer auftrgen ! Hallo, wir sind im 21. J.h gelandet & jeder darf sich so kleiden & schmücken wie er/sie möchte ! Ihr habt nichtmal das Recht, über Körperkunst anderer zu urteilen !
  • Dieter Widmer, 28.03.2017 10:10 Uhr
    Mir fehlt es in der ganzen Diskussion an Differenzierung. Wenn Bundesrat Berset an einem Filmfestival mit viel Glanz und Glamour befragt wird, stören mich auch grossflächige Tatoos nicht. Hingegen sind Tatoos in einem politisch ernsthaften Hintergrund unpassend. Und zu Heidi Gmürs ärmellosen Kleid: Vielleicht sollte die ständerätliche Kleiderettikette mal überprüft und ergänzt werden, dass elegante Damenkleider zugelassen sind, auch wenn sie keine Ärmelbedeckung haben.
  • Felix Aeberli, 28.03.2017 09:50 Uhr
    Der Vergleich von J. Mutzenbecher hinkt sehr: Hautfarbe, Geschlecht und Herkunft sind durch die betreffende Perrson nichjt auswählbar. Die Art und Weise der Selbstdsrstellung jedoch schon.
Kommentarfunktion wurde geschlossen

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren:

Zum Seitenanfang20240420