30.08.2022

SRF

«Ich erhoffe mir einen engeren Austausch»

Nach 90 Jahren sind die Signale aus dem Radiostudio Brunnenhof in Zürich verstummt. Am Dienstag sendeten Radio SRF 1 und SRF 3 zum ersten Mal aus der Radio Hall vom Campus Leutschenbach. Radiochef Röbi Ruckstuhl über das neue Kapitel in einer alten Industriehalle.
SRF: «Ich erhoffe mir einen engeren Austausch»
«Die Radio Hall wurde ein schöner Ort», so Röbi Ruckstuhl, Leiter Kanäle Radio bei SRF. (Bild: SRF/Oscar Alessio)
von Christian Beck

Herr Ruckstuhl, die neue Radio Hall auf dem SRF-Campus Leutschenbach hat den Vollbetrieb aufgenommen. Wie erleichtert sind Sie?
Ich wollte es mir zuerst nicht so richtig eingestehen, aber am Dienstagmittag ist mir schon ein ziemlicher Brocken vom Herz gefallen.

Am Dienstag wurde zum letzten Mal aus dem Radiostudio Brunnenhof gesendet und dann umgestellt (persoenlich.com berichtete). Lief alles pannenfrei ab?
Es ging glücklicherweise fast pannenfrei über die Bühne. Bei Radio SRF 1 kam es zu zwei «Holperern»: Um 9 Uhr gab es eine Fehlschaltung. Bei SRF 3 lief die Umstellung problemlos.

Ein altes Radiostudio nach 90 Jahren aufzugeben, ist sicher eine logistische Herausforderung. Welches war die grösste Schwierigkeit?
Die grösste Schwierigkeit war, dass wir sehr viel Material am Standort Brunnenhof hatten, welches wir nicht mehr zügeln konnten. Zudem hatten wir rund 70'000 Schallplatten und wussten erst nicht wohin damit.

Die 70'000 Platten wurden schliesslich mitgezügelt – 20'000 davon wurden in der Radio Hall ausgestellt. Ist SRF nostalgisch?
(Lacht.) Das Hauptproblem ist: Wir konnten die Schallplatten weder verkaufen noch verschenken. Wir mussten sie behalten. Wegwerfen kann man diesen Schatz nicht, das wäre eine Katastrophe gewesen. In der Radio Hall passen die Schallplatten gut hin. Leider fanden aber nur 20'000 Platz bei den Arbeitsplätzen, 50'000 mussten wir im Keller verstauen.

Am SwissRadioDay von vergangener Woche haben Sie mir gesagt, dass nun lange an der Radio Hall gearbeitet wurde, Sie aber nicht wüssten, wie sie bei Externen ankommt. Wie haben die Medienschaffenden beim Rundgang auf Sie gewirkt?
Ich denke, die Radio Hall wurde ein schöner Ort. Wenn ich hier Leute treffe, sagen sie mir, dass sie auch gerne hier arbeiten würden. Es gelang den Architekten und unserem ganzen Team, einen Ort zu schaffen, an dem man sich wohlfühlt.

Und wie ist das erste Feedback der Mitarbeitenden?
Es kam niemand zu mir und sagte: «Mein Gott, ich würde lieber am Brunnenhof weiterarbeiten.» Ich erhielt ausschliesslich positive Feedbacks. Auch solche, die zuvor noch skeptisch waren, fühlen sich jetzt wohl. Vielleicht sagt man mir nicht alles, aber die Rückmeldungen sind sehr positiv bis jetzt (lacht).

Die Radio Hall war früher eine Industriehalle, wo während 50 Jahren Fahrzeuge gewartet oder für die Produktion bereitgestellt wurden. Warum gab es einen Um- und keinen Neubau? Aus Kostengründen?
Man hatte einen Neubau ins Auge gefasst, aber das wären finanziell ganz andere Dimensionen gewesen. Wir wussten, dass wir den Standort Brunnenhof aus Kostengründen aufgeben wollen, und suchten nach einer Lösung. Die Vorgabe war, dass wir möglichst alles hier am Leutschenbach haben wollten, und suchten entsprechend hier nach einem passenden Ort. Eines Tages kam ein Kollege von der Immobilien-Abteilung zu mir und sagte, dass er etwas entdeckt habe, das man umbauen könnte. Zuerst war ich ein wenig skeptisch, aber der Kollege konnte mich von den Plänen überzeugen.

Die alten Lastwagen riecht man in der neuen Halle nicht mehr. Ich finde es schade, dass die Geschichte nicht besser erhalten wurde.
In den ersten Sitzungen mit den Architekten gab es noch tolle Pläne, dass man die Wände so belässt, wie sie waren. Wie es so ist, wenn ein Projekt fortschreitet, merkt man plötzlich, dass gewisse Dinge so nicht umsetzbar sind. Immerhin ist es heute so, dass der Raum doch noch etwas Geschichte erzählt.

Die Radio Hall hat nur noch einen Drittel der Fläche wie das bisherige Radiostudio Brunnenhof. Wird es nicht zu eng? Oder gab es früher schlicht zu viel Platz?
Zugegebenermassen war der Brunnenhof schon sehr grosszügig. Es gab viele Einzel-, Zweier- oder Dreierbüros. Es gab auch viel mehr sogenannte Havarie-Regien – für jedes Programm eine eigene. Es gab sehr viel Luft im Brunnenhof. Hier ist es sicher komprimierter. Es kam aber auch die neue Arbeitsweise – man arbeitet nicht mehr immer hier, ist manchmal im Homeoffice oder arbeitet an Halbtagen.

Und deshalb reichen auch 200 Arbeitsplätze für 250 Mitarbeitende.
Dies ist einerseits ein Erfahrungswert. Andererseits eine interne Vorgabe, dass man nicht 100 Prozent an Arbeitsplätzen für die Mitarbeitenden zur Verfügung stellt. Dazu kommt, dass wir hier beim Radio Schichtbetrieb arbeiten. Es kommen Leute am frühen Morgen, andere erst am Abend.

Elf Jahre nach dem organisatorischen Zusammenschluss arbeiten nun Radio, TV und Online unter einem Dach zusammen. Was erhoffen Sie sich als Radiochef dadurch?
Ich erhoffe mir einen engeren Austausch mit den anderen Kolleginnen und Kollegen, sei es nur schon in der Kantine oder zwischen den Gebäuden. Ich bin überzeugt, dass es befruchtend wirken kann, wenn man mit einem Kollegen von der «Rundschau» über ein Thema diskutieren kann oder man jemanden vom Sport trifft und sich so besser kennenlernt.

«Es braucht künftiger weniger Absprachen»

Und was bedeutet das für die Hörerinnen und Hörer?
Ich bin überzeugt, dass das Programm vielfältiger wird. Durch die gemeinsame Planung kann man frühzeitiger bestimmen, welches Programm auf welchen Sender gehört. Es braucht künftiger weniger Absprachen. Die Produktion wird schlanker, und letztlich werden so Ressourcen frei, die wir wiederum für Geschichten einsetzen können.

Ich habe beim Rundgang eine Live-Stage gesehen. Sind da Showcases geplant oder gar ausgewachsene Konzerte?
(Lacht.) Nur Showcases. Geplant sind kurze Konzerte für SRF 3 oder die SRF Musikwelle. Bis zu 300 Personen können eingeladen werden und finden Platz vor der Bühne. Wir denken aber auch daran, dass wir auch mal die Talksendung «Persönlich» von Radio SRF 1 dort produzieren können.

Was werden Sie am alten Standort Brunnenhof vermissen? Was zeichnete den Brunnenhof aus?
Der Brunnenhof hatte einen eigenen Geist, einen speziellen Spirit. Es roch sogar noch etwas nach den Gründerzeiten. Und natürlich: Die legendären grossen Studios 1 und 2 waren fantastisch und man wird sie in dieser Art nicht mehr haben.


«Schweiz aktuell»-Beitrag zum Abschied vom Radiostudio Brunnenhof.


Robert Ruckstuhl (59) war bis 2000 Chefredaktor und Programmleiter von Radio Zürisee, bevor er Leiter Regionaljournal Ostschweiz bei Schweizer Radio DRS wurde. Nach sechs Jahren als Programmleiter DRS 3 wurde er 2010 Bereichsleiter Radio in der damaligen Abteilung Programme von Schweizer Radio und Fernsehen.



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