25.08.2022

SwissRadioDay

UKW-Frequenzen werden eingekellert

Zwei Jahre vor der UKW-Abschaltung hat sich die Radiobranche nochmals intensiv mit DAB+ befasst. Im Kaufleuten in Zürich wurden offene Fragen erläutert – wie der Empfang in Tunnels oder die Kommunikation im Krisenfall. Klar wurde: UKW verschwindet nicht ganz.
SwissRadioDay: UKW-Frequenzen werden eingekellert
Am 31. Dezember 2024 wird dem UKW-Netz der Saft abgedreht. (Bilder: Tobias Stahel)
von Christian Beck

Die Abschaltung von UKW scheint die Radiobranche schon eine gefühlte Ewigkeit zu beschäftigen. Ende 2024 ist nach einigem Hin und Her definitiv Schluss. Radioprogramme können fortan nur noch digital empfangen werden – über DAB+ oder Streaming. Eine weitere Verlängerung sei ausgeschlossen, sagte Bernard Maissen, Direktor des Bundesamtes für Kommunikation (Bakom), am Donnerstagsmorgen im bis auf den letzten Platz besetzten Zürcher Kaufleuten am 23. SwissRadioDay. Rund 290 Personen waren im Saal anwesend, weitere 120 online zugeschaltet.

«Wenn einige UKW-Radios am 1. Januar 2025 noch senden, sind sie gesetzeswidrig, und die Aufsichtsbehörden werden dagegen vorgehen», warnte Maissen eindringlich. Es klang wie eine Anspielung an die Piratenzeit von Roger Schawinski, als Maissen auf Französisch sagte: «Ohne ins Detail zu gehen: Das Fernmeldegesetz sieht Geldstrafen und Sanktionen vor, da es sich beim Senden ohne Konzession nicht um ein Kavaliersdelikt handelt.»


Das Bakom werde oft gefragt, was nach der Abschaltung mit den UKW-Frequenzen geschehe. «Sicher ist, dass UKW weiterhin für geschlossene Anlässe wie beispielsweise Autokinos oder Festivalradios genutzt werden kann. Noch offen ist, ob UKW-Kurzveranstaltungen weiterhin konzessioniert werden sollen. Es gibt gute Gründe, diesen niederschwelligen und kostengünstigen Radiozugang ab 2025 weiterzuführen», so Maissen – diesmal wieder in Deutsch. Das Bakom werde demnächst darüber entscheiden. Die UKW-Frequenzen würden aufgrund internationaler Vereinbarungen auch nach der Abschaltung der Schweiz gehören. «Sie werden deshalb in den Bakom-Kellern gut eingelagert. Denn wer weiss, vielleicht findet jemand irgendwann eine zündende Idee für ihre Verwendung», so Maissen.

Der Bakom-Direktor ermunterte die Radiomacherinnen und Radiomacher dazu, spannende Programme zu liefern. «Egal ob die Wellen lang, mittel, kurz, oder ultrakurz sind, egal ob sie analog oder digital eintreffen, egal, ob sie aus einem alten Holzkasten oder einem Smartphone kommen: die Menschen wollen Inhalte», so Bernard Maissen. Andernfalls werde sich das Publikum abwenden, hin zu den Streaming-Diensten und Social-Media-Plattformen, die immer besser begreifen würden, was gewünscht sei. Dies lasse sich zumindest aus den jüngsten Mediapulse-Daten lesen: «Praktisch alle Privatradios und auch die SRG-Programme verloren im vergangenen Jahr Hörerinnen und Hörer, und die Hördauer war ebenfalls rückläufig. Und pikant: Mit einer Ausnahme legten lediglich Programme zu, die nicht über UKW verbreitet werden», so Maissen dezidiert.

Digitalisierung schafft Nischenprodukte

DAB+ bringt neue Möglichkeiten und viele neue Spartensender. So setzt BBC Radio 1 auf einen speziellen Relax-Kanal. Der britische Sender spielt ausschliesslich Wohlfühlsendungen und sendet nur über digitale Kanäle. Und dies mit Erfolg, wie Radiochef Aled Haydn Jones in einer Liveschaltung versicherte. Mental Health ist derzeit in aller Munde – und mit Radio 1 Relax nun auch in aller Ohren.

Auch Paul Chantler, Director beim britischen Fix Radio, zeigte in seiner Keynote auf, wie DAB+ das Wachstum von Nischensendern fördert. Es habe in Grossbritannien viele frische Programme gegeben, auch viele Marken würden mittlerweile eigene DAB+-Sender betreiben. So richtet sich beispielsweise Chantlers Fix Radio explizit an Handwerker und hat laut seinen Aussagen ein treues Publikum gefunden, das täglich einschaltet.

DAB+ im Krisenfall

Wenn etwas passiert, soll man das Radio einschalten und sich informieren. Doch wie funktioniert in Europa Krisenkommunikation über DAB+? Olaf Korte vom Fraunhofer-Institut wies darauf hin, dass die neusten DAB+-Empfangsgeräte mit «Alarm Announcement» über eine Aufweckfunktion verfügen würden. So können aus der Ferne Radios aus dem Standby-Betrieb eingeschaltet werden. Kommt es zu Terroranschlägen, Naturkatastrophen, Blackouts oder einem nationalen Verteidigungsfall, kann mittels eines Echtzeit-Warnsystems zeitnah informiert werden. Dabei werden automatisch generierte Audionachrichten ausgespielt, ohne dass die einzelnen Sender Moderationspersonen ins Studio schicken müssten.

Aber ist DAB+ in den Schweizer Strassentunnels mittlerweile flächendeckend empfangbar? Ja, sagte Markus Eisenlohr, Fachspezialist Betriebs- und Sicherheitsausrüstungen beim Bundesamt für Strassen (Astra). 219 Tunnels seien mittlerweile mit DAB+ ausgerüstet – nur kleinere Tunnels hätte man technisch nicht ausrüsten können. Das Alarmierungskonzept Strassentunnel Schweiz sehe vor, dass die Polizei direkt über DAB+ Anweisungen geben könne. Und was passiert bei einer Strommangellage? «Tunnels haben Strom für 60 Minuten. Aber wenn die Radiosender keine Signale mehr liefern, ist es auch bei uns still», warnte Eisenlohr und appellierte damit an die Radiochefs, die eigene Stromversorgung zu analysieren.

Apropos Autos: «Im Auto ist die Digitalisierung noch in voller Fahrt», sagte Jessica Alleman Brancher von der Arbeitsgruppe DigiMig. Mittlerweile würden 62 Prozent im Auto digital Radio hören – über IP oder DAB+. Ganz allgemein lag die digitale Radionutzung im Frühling 2022 bei 75 Prozent, wie die neusten Studienergebnisse zeigen. Die Nutzung von UKW hat sich innerhalb von sieben Jahren auf 25 Prozent halbiert.

Who cares?

Am SwissRadioDay zog sich DAB+ wie ein roter Faden durch das halbtägige Programm – moderiert von Maria Victoria Haas. Daneben gab es aber auch andere Einblicke. So waren unter anderem «Neue Räume für konvergente Medienproduktion» ein Thema. Dabei gab SRF-Direktorin Nathalie Wappler einen ersten Einblick in die neue Radio Hall, die nun bezogen und am Dienstag den Medienschaffenden vorgestellt wird. persoenlich.com wird darüber berichten.

Klar ist: Auch die SRF-Sender werden sich wie die Privatradios von UKW verabschieden. Die Bevölkerung scheint bereit zu sein. In den Haushalten stehen über sechs Millionen DAB+-Radios, und alle neuen Autos sind digital. Oder wie es Bakom-Chef Bernard Maissen in seiner Keynote sagte: «Radio ohne UKW – who cares?»



Weitere Impressionen vom SwissRadioDay 2022 finden Sie hier.



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Kommentare

  • Norbert SUter, 26.08.2022 19:32 Uhr
    und... kein wort über die bitrate verloren? momentan ist die audioqualität bei den meisten sender deutlich schlechter als mit ukw weil einerseits die signalkette und dann am ende die übertragungseinrichtung nicht entsprechend dimensioniert wurden. es ist schade, dass mit dem begriff digital implizit suggeriert wird, dass man auch cd-qualität erhält. ja, man könnte, würde abe rmehr kosten. gibts dazu schon ausbaupläne?
  • Friedrich Dungl, 26.08.2022 08:40 Uhr
    "Kommt es zu .... Blackouts ..., kann mittels eines Echtzeit-Warnsystems zeitnah informiert werden." Irgendetwas verstehe ich nicht. Mein Radio hat keinen Dampfantrieb und im Batteriemodus wird das Radio wohl nicht monatelang im Standby sein. ;-)
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